Kein anderer Hollywood-Schauspieler konnte biblische Rollen mit solcher Überzeugungskraft darstellen wie Charlton Heston: Hestons Rolle des Moses in Die zehn Gebote [The Ten Commandments, 1956] unter der Regie von Cecil B. DeMille war Hestons Durchbruch als Hollywood-Schauspieler. Es war eine der letzten Regiearbeiten des Altmeisters Cecil B. DeMille, der mit Schauspielern wie Gloria Swanson maßgeblich am Aufbau Hollywoods beteiligt war. Heston hatte bereits in DeMilles vorherigen Film, Die größte Schau der Welt [The Greatest Show on Earth, 1952] mitgewirkt: Für DeMille war Heston die optimale Besetzung in der biblischen Rolle des Moses. Den Rollentypus des biblischen Protagonisten hatte es in Hollywood in dieser Form noch nicht gegeben – somit definierte Heston sein eigenes Rollengenre.
Charlton Heston konnte keiner schauspielerischen Bewegung zugeordnet werden – weder fühlte er sich dem Method Acting verpflichtet, das von Vertretern wie James Dean und Marlon Brando bekannt gemacht wurde, noch fühlte er sich den traditionellen Schauspielmethoden verbunden. Er folgte seiner eigenen Methode – und das mit Erfolg.
Eine freie Kindheit – und dann plötzlich vorbei
Seine frühen Jahre verbrachte Charlton Heston in den abgelegenen Wäldern von Michigan – seine frühe Kindheit bestand hauptsächlich daraus, am Lagerfeuer zu übernachten, Fische zu fangen und sich in den Werken der Weltliteratur zu verlieren.
Als Heston zehn Jahre alt war, trennten sich seine Eltern: Fortan war Heston getrennt von seinem Vater. Später beschrieb Heston dieses Erlebnis als Trauma: Man zwang ihn, die unbeschwerte Welt seiner Kindheit, in der er mit seinem Vater jedes erdenkliche Abenteuer erleben konnte, hinter sich zu lassen.
Gemeinsam mit dem neuen Ehemann seiner Mutter reiste Heston quer durch die Vereinigten Staaten – es war gerade die Zeit der Great Depression, es war alles andere als einfach, eine Arbeit und eine feste Bleibe zu finden.
Schließlich ließ sich die Familie in einer Gegend einige Kilometer nördlich der Großstadt Chicago nieder. Als er dort die High School besuchte, entdeckte Charlton Heston sein Talent für die Schauspielerei.
Auf nach New York
Die Erfahrungen, die er als Amateurschauspieler an der High School sammelte, prädestinierten Charlton Heston für ein Stipendium an der begehrten und renommierten Northwestern University.
Während seiner Studienzeit spielte er im Abenteuerfilm Peer Gynt (1941) seine erste Filmrolle. Regie führte sein Studienkollege David Bradley.
Nach seiner Schauspiel-Ausbildung ging Charlton Heston nach New York: Wer damals als noch unbekannter Schauspieler nicht mit Statisten-Rollen in Hollywood enden wollte, der versuchte, ein Engagement am New Yorker Broadway zu ergattern.
Bereits mit seinem Broadway-Debüt stellte Charlton Heston entscheidende Weichen für seine weitere Karriere: In William Shakespeares Antonius und Kleopatra spielte Heston 1947 eine Nebenrolle. Seine Tätigkeit am Broadway führte zu zahlreichen Engagements im Live-Fernsehen, das im New York der frühen Fünfziger gerade aufblühte.
Heston war zunächst glücklich damit, am Broadway und im Live-Fernsehen zu spielen – in Spielfilmen mitzuspielen, lag zunächst nicht in seinem Interesse. Als sich in Hollywood das Interesse regte, Heston für einige Filme zu verpflichten, stimmte er nur zu, als man ihm die Möglichkeit einräumte, nebenher nach wie vor auf der Theaterbühne zu stehen.
Ben Hur – Erkennungsrolle
Unter der Regie des deutsch-amerikanischen Filmregisseurs Wilhelm Dieterle gab Charlton Heston 1950 im Kriminalfilm Stadt im Dunkel [Dark City] sein Hollywood-Debüt – in der Hauptrolle.
Mit dieser Rolle beeindruckte Heston den Regisseur Cecil B. DeMille, der ihn dann schließlich für zwei seiner letzten Filme engagierte, darunter das Monumentalepos Zehn Gebote.
Mit dem Epos Zehn Gebote war Charlton Heston zum Hollywood-Star aufgestiegen: Die Fünfziger waren ein goldenes Jahrzehnt für Heston. Sein goldenes Jahrzehnt fand 1959 seinen Höhepunkt, als er die Hauptrolle des Judah Ben-Hur im Monumentalfilm Ben Hur spielte.
Der Film wurde elf mal mit einem Oscar prämiert – darunter erhielt auch Charlton Heston für seine Rolle des Ben Hur einen Academy Award. Das biblische Epos zählt zu Charlton Hestons Erkennungsrollen: Neben Zehn Gebote ist Ben Hur einer der bekanntesten Filme mit Heston.
Überlebensgroße Rollen
Der italienisch-amerikanische Monumentalstreifen El Cid (1961) erzählt die Geschichte des gleichnamigen spanischen Söldnerführers: Charlton Heston spielte an der Seite von Sophia Loren die Rolle des El Cid. In den Fünfzigern und Sechzigern war der Name Charlton Heston ein Synonym für Monumentalproduktionen – viele Regisseure und Produzenten neigten dazu, überlebensgroße Rollen mit Heston zu besetzen.
Im Kriegsfilm 55 Tage in Peking [55 Days at Peking, 1963], der den Boxeraufstand um die Jahrhundertwende 1899/1900 thematisiert, spielte Heston an der Seite von David Niven und Ava Gardner die Hauptrolle des Major Matt Lewis.
Charlton Heston machte auch vor dem Westerngenre keinen Halt: In den Western Weites Land [The Big Country, 1958] und Der Verwegene [Will Penny, 1968] zeigte Heston, dass er sich nicht auf ein Genre reduzieren ließ.
Renaissance des Science-Fiction-Genre
Dass er ein genreübergreifender Schauspieler war, zeigte er spätestens mit seiner Rolle des George Taylor in Planet der Affen [Planet of the Apes, 1968]. Heston wird zugesprochen, mit seiner Rolle eine Renaissance des Science-Fiction-Genres ausgelöst zu haben. Diese Renaissance drückte sich nicht zuletzt dadurch aus, dass man von Planet der Affen in den folgenden Jahren einige Fortsetzungen drehte. Der Erfolg von Planet der Affen soll für jeden der Beteiligten eine große Überraschung gewesen sein: Das mag nicht zuletzt an der Zugkraft von Charlton Heston als Hauptdarsteller gelegen haben, dessen schiere Mitwirkung mittlerweile ausreichte, aus einem Film eine Monumentalproduktion zu machen – obwohl der Film eigentlich gar keine war. Fest steht: Spätestens mit Planet der Affen wurden Science-Fiction-Filme das Vorurteil los, in die B-Film-Sparte zu gehören. Außerdem gewann Heston mit Planet der Affen eine neue, jüngere Zielgruppe für sich: Bisher hatten sich jüngere Zuschauer wenig interessiert für seine Interpretationen von biblischen oder historischen Figuren. Das hatte sich nun geändert.
Der Monumentalschauspieler
Die Leinwandkarriere von Charlton Heston zählt ohne Frage zu einer der umfangreichsten in der Geschichte von Hollywood: Obwohl er zu Beginn seiner Karriere nicht unbedingt davon begeistert war, in Filmen mitzuspielen, fand er seinen Weg in Hollywood. Zu Beginn seiner Karriere, als live inszenierte Theaterstücke im Fernsehen übertragen wurden, war eine Fernsehkarriere noch eine echte Alternative: Später war Heston froh, sich auf seine Leinwandkarriere konzentriert zu haben.
Für biblisch angehauchte Rollen schien Heston prädestiniert wie kein anderer – obwohl er mit der Rolle des Moses oder des Ben Hur ins Kollektivgedächtnis einging, sind dies bei weitem nicht die einzigen Rollen, die er mit Herzblut spielte. Er konnte in eine überwältigende Vielfalt von Rollentypen schlüpfen. Viele seiner Filme, in denen er mitspielte, haben vielleicht nur gemeinsam, dass es sich bei ihnen um groß angelegte Monumentalproduktionen handelte.
Monumentalproduktionen gab es viele in der Geschichte Hollywoods – Monumentalschauspieler dagegen nur wenige. Charlton Heston darf sich ohne Frage zu ihnen zählen.
Maßgebliche Quelle: Eliot, Marc: Charlton Heston – Hollywood’s Last Icon, 2017 Dey Street Books
Beitragsbild: © Simon von Ludwig