„Als Schauspieler fühle ich mich – Schauspieler ist auch die Berufsbezeichnung, die in meinem Paß steht.“ Dieses Zitat stammt von einem Schauspieler, der gewissermaßen seine eigene Schauspiel-Welt schuf: Der Autor Heinrich Goertz spricht in seiner Monographie über Gustaf Gründgens gar von einer „Gründgens-Welt“, die der Schauspieler zu seinen Lebzeiten erschuf. Zu dieser Welt gehörten nicht nur Schauspielkollegen oder Regisseure, sondern Förderer, Anhänger und – wie bei vielen Persönlichkeiten, die im öffentlichen Interesse stehen – Feinde und Widersacher. 

Gustaf Gründgens kam nicht unbedingt aus einer Schauspielfamilie: Am 22. Dezember 1899 kam er als Sohn einer alteingesessenen Industriellenfamilie aus dem Rheinland auf die Welt. 
Doch die Verhältnisse jener Industriellenfamilie waren nach der Jahrhundertwende lange nicht mehr so gut, wie man zunächst denken könnte: Nichtsdestotrotz wollte man nach wie vor den Schein nach außen wahren, dass es sich bei der Familie Gründgens um eine wohlhabende Industriellenfamilie handelte. 

Es ist davon auszugehen, dass Gründgens bereits in frühen Jahren einen Hang zur Schauspielerei besaß.

Fronttheater

Die Hoch-Zeiten der großen rheinischen Industriellenfamilien, denen Gründgens entstammte, waren bereits vorüber, als er 1899 auf die Welt kam: Dieser Umstand spielte sicherlich auch eine Rolle bei Gründgens’ Berufswahl, denn es kam nicht allzu häufig vor, dass ein Abkömmling einer Industriellenfamilie den Beruf eines Schauspielers ergriff. 

Gründgens’ Faible für die Schauspielkunst begann bei der Armee während des Ersten Weltkriegs: Der junge Mann war bestrebt darin, es nicht zum Dienst an der Waffe kommen zu lassen und machte sich in einem Armeeverordnungsblatt über die Möglichkeit schlau, ein Fronttheater zu gründen. Entwickelte sich Gustaf Gründgens’ Leidenschaft für die Schauspielkunst etwa nur aus der Not, nicht zum Frontdienst abkommandiert werden zu wollen? Es ist davon auszugehen, dass Gründgens bereits in frühen Jahren einen Hang zur Schauspielerei besaß – doch aus seinen frühen Jahren ist nicht allzu viel bekannt, denn mit Beschreibungen aus seinen frühen Lebensjahren hielt sich der Schauspieler stets zurück. 

Die moderne literarische Bühne

Nach dem Ersten Weltkrieg verfolgte Gustaf Gründgens seine Leidenschaft für die Schauspielerei weiter: Anfang der Zwanziger machte Gustaf Gründgens Station an Theatern in verschiedenen deutschen Städten, darunter Halberstadt, Kiel und Berlin. Doch all diese Engagements währten nicht für lange Zeit: Erst als Gustaf Gründgens 1923 bei den Kammerspielen Hamburg ankam, zeichnete sich ab, dass er eine künstlerische Heimat gefunden hatte. Gustaf Gründgens und seine Gleichgesinnten hatten die Idee einer modernen literarischen Bühne – das Ziel war es also, Klassiker der Weltliteratur in modernem Kontext auf die Bühne zu bringen. 

Während seiner ersten Spielzeit in Hamburg spielte Gustaf Gründgens fünfzehn Rollen – keine davon war ein echter Durchbruch. Gustaf Gründgens war nicht nur als Schauspieler bei den Hamburger Kammerspielen beschäftigt: Daneben ging er seiner Arbeit als Spielleiter nach. Es war eine von Gründgens’ Gewohnheiten, in einem Stück, bei dem er Regie führte, auch die Hauptrolle zu spielen. 

Das erste Mal Mephisto

Bis heute liefert seine 1926 geschlossene und 1929 bereits wieder geschiedene Ehe mit Erika Mann, der Tochter Thomas Manns, reichlich Gesprächsstoff: In den Zwanzigern legte Gustaf Gründgens die Grundsteine für seinen Ruhm, der ihm in den Dreißigern ermöglichen würde, seine Karriere als Theaterschaffender fortzusetzen. 

Als Gustaf Gründgens Ende der Zwanziger von den Hamburger Kammerspielen wegging und sich an verschiedenen Berliner Bühnen einen Ruf als Schauspieler erarbeitete, musste er in Berlin praktisch komplett von vorn anfangen: Ob Gustaf Gründgens Ende der Zwanziger bereits ahnte, dass die deutsche Hauptstadt das Zentrum für einen Großteil seiner Karriere als Theater- und Filmschaffender werden würde? 

1932 trat Gustaf Gründgens zum ersten Mal in der Rolle des Mephisto aus Goethes Faust I auf, die bis heute gemeinhin als die Rolle seines Lebens bezeichnet wird. Der Schauspieler Gustaf Gründgens wird bis heute vor allem mit der Rolle des Mephisto verbunden. 

Beispiellose Karriere

Klaus Manns 1936 im Amsterdamer Exil erschienener Roman Mephisto. Roman einer Karriere war keineswegs ein fiktives Werk: Klaus Mann, der Bruder von Gründgens’ erster Ehefrau Erika Mann, verarbeitete im Roman Gustaf Gründgens’ künstlerischen und beruflichen Aufstieg in den Dreißigerjahren. Bis Klaus Manns Roman Mephisto einer breiten Masse zugänglich wurde dauerte es jedoch bis ins Jahr 1981, als sich ein deutscher Verlag über ein erwirktes Veröffentlichungsverbot hinwegsetzen konnte. 

Im Februar 1933, kurz nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen hatte, wurde Gustaf Gründgens zum künstlerischen Leiter des Preußischen Staatstheaters ernannt. Der Höhepunkt dieses Aufstiegs war ohne Frage die 1936 erfolgte Berufung in den Preußischen Staatsrat, wodurch Gründgens zahlreiche Privilegien zustanden.

Die folgenden Karrierestationen in seinem Leben lesen sich wie ein glanzvoller Aufstieg an die Spitze: 1934 ernannte man Gründgens im Intendanten des Preußischen Staatstheaters, 1935 sogar zum Generalintendanten, wodurch Gründgens zur federführenden Persönlichkeit bei der Gestaltung des Spielplans wurde. Der Theaterschaffende behielt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs den Posten des Generalintendanten des Preußischen Staatstheaters. Innerhalb dieser Zeit ließ er hauptsächlich Werke der deutschen Klassik am Staatstheater aufführen – ganz getreu seiner Vision einer „modernen literarischen Bühne“. 

Zu seinen erinnerungswürdigsten Filmen zählt ohne Frage die Faust-Verfilmung von 1960 mit ihm und Will Quadflieg in den Hauptrollen.

Vom Bohemien zum Preußen

Extravaganz und ein Sinn für Ordnung sind keine Eigenschaften, die sich ausschließen: Das jedenfalls bewies Gustaf Gründgens mit seiner Karriere. 

„Gründgens’ Lieblingswort war Ordnung. (…) Der ehemalige Bohemien übte auf preußische Art Disziplin.“, schreibt Heinrich Goertz in seiner Monographie über Gustaf Gründgens. Damit impliziert Goertz, dass Gustaf Gründgens im Zuge der veränderten Machtverhältnisse im Deutschland der 1930er die unkonventionelle Künstlernatur eines Bohemien aufgab und stattdessen seine künstlerischen Ideale auf eine wesentlich diszipliniertere – „preußische“ – Art und Weise verarbeitete. 

Neben seiner Arbeit für das Theater, die ohne Frage einen Großteil seines Vermächtnisses als Künstler ausmacht, arbeitete Gustaf Gründgens ebenfalls für den Film: Zu seinen erinnerungswürdigsten Filmen zählt ohne Frage die Faust-Verfilmung von 1960 mit ihm und Will Quadflieg in den Hauptrollen. 
Nach dem Zweiten Weltkrieg genoss der Theaterschaffende Gustaf Gründgens den Status eines Stars: Es kam nicht besonders häufig vor, dass ein Theaterschaffender zu einem Star aufstieg. 

Pionier des modernen Theaters

Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Gustaf Gründgens 1955 nach Hamburg zurück, in jene Stadt, in der er in den Zwanzigern seine ersten Schritte als Schauspieler gegangen war. Von 1955 bis zu seinem Tod 1963 war Gründgens Generalintendant und künstlerischer Leiter des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. 

Gustaf Gründgens erkannte früh, dass eine bloße Existenz als Schauspieler oder Regisseur nicht ausreichen würde, um die Welt des modernen Theaters nachhaltig zu beeinflussen: Dank der Möglichkeiten, die seine vielfältigen Beschäftigungen in Funktionärsposten bei Theatern mit sich brachten, konnte Gustaf Gründgens tatsächlich seine Vision vom modernen literarischen Theater realisieren. Wie kaum ein anderer Theaterschaffender vor ihm beeinflusste Gustaf Gründgens die Welt des Theaters nachhaltig – insbesondere durch seine Verkörperung des Mephisto in Goethes Faust verewigte sich der Schauspieler, Regisseur und Theaterfunktionär Gustaf Gründgens.

Simon von Ludwig


Maßgebliche Quellen: Goertz, Heinrich: Gustaf Gründgens, 1982 Rowohlt Taschenbuch Verlag und Chmura, Nadine: Biografie Gustaf Gründgens, in: LeMO-Biografien, Lebendiges Museum Online, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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