Im Winter 1983 war es das Lied Africa, das die Menschen in Frankreich zum Tanzen brachte: Bis heute ist Rose Laurens vor allem für jenen Hit bekannt. Es ist vor allem Rose Laurens‘ Stimme, die den Hörer bis heute fasziniert: Africa wurde in einer französischen und in einer englischen Version veröffentlicht – beide Versionen erklommen in Europa die Charts. 
Eines steht fest: Rose Laurens’ Stimme war nicht einfach eine Stimme unter vielen – es war das besondere Timbre ihrer Stimme, das bis heute fasziniert. 
Doch auch jenseits ihres wohl bekanntesten Liedes Africa veröffentlichte die französische Pop-Sängerin Musik: Die Sängerin meisterte es, den typischen 80er-Jahre-Pop-Klang mit der traditionellen Kultur des französischen Chansons in Einklang zu bringen. 

Als sie gerade einmal zwanzig Jahre alt war, trat Laurens der Progressive-Rock-Band Sandrose bei: 1972 veröffentliche die Band ihr einziges Album, das den Bandnamen trug – obwohl sich die Band kurze Zeit später wieder auflöste, zählt das Album heute zu den Klassikern des Progressive Rock-Genres. 

Mitte der Siebziger traf Laurens den Chanson-Komponisten und Arrangeur Jean-Pierre Goussaud.

Jean-Pierre Goussaud 

Rose Laurens, die damals noch unter ihrem bürgerlichen Namen Rose Podwojny auftrat, war Anfang der Siebziger ihre ersten musikalischen Schritte gegangen – Mitte der Siebziger traf Laurens dann den Chanson-Komponisten und Arrangeur Jean-Pierre Goussaud. Goussaud war in der französischen Chansonszene kein Unbekannter: Er hatte unter anderem für die französische Chansonsängerin Marie Laforêt Chansons verfasst und in den Achtzigern machte er sich einen Ruf als Autor von Chansons, die von Sängern wie Johnny Hallyday, Yves Lecoq oder Dalida interpretiert wurden. 

Nachdem ihre Zusammenarbeit mit Goussaud begonnen hatte, wählte die Sängerin ein erstes Pseudonym für ihre künftigen Plattenveröffentlichungen: Auf ihrer ersten Solosingle In Space (Goussaud hatte das Lied komponiert) tauchte die Sängerin unter dem Namen Rose Merryl auf.
Zunächst blieben die Erfolge noch aus – also überlegte man sich, ob ein anderes Pseudonym womöglich passender wäre. Damit war der Name Rose Laurens geboren: Unter diesem Namen feierte die Sängerin 1979 ihren ersten französischen Hit, Survivre

Das Musical Les Misérables

Das Sprungbrett für ihre Karriere als Sängerin war jedoch nicht eine Plattenveröffentlichung, sondern die Uraufführung des Musicals Les Misérables: Das Musical basiert auf dem gleichnamigen Roman von Victor Hugo. Bei der Uraufführung im Pariser Palais des Sports am 17. September 1980 spielte Rose Laurens die Rolle der Fantine. Jene Erstaufführung und alle weiteren Aufführungen des Musicals in Paris verliehen der Karriere Laurens’ einen enormen Schub: Für ihre Rolle in Les Misérables stand Rose Laurens über ein Jahr lang regelmäßig auf der Musicalbühne, parallel arbeitete sie an ihrem ersten Studioalbum. Rose Laurens’ erstes Studioalbum erschien 1982 unter dem Namen Déraisonnable – das Album enthielt ebenfalls die französische Version ihres späteren Hits Africa – zu weiteren beeindruckenden Chansons auf jenem Album zählen La Différence, Le Cœur Chagrin und Déraisonnable. 1982 konnte noch niemand wirklich absehen, dass sich Africa zu einem Welthit entwickeln würde – schließlich hieß das Album, auf dem Africa zum ersten Mal veröffentlicht wurde, nicht Africa, sondern Déraisonnable

Jean-Pierre Goussaud verfasste die Musik zu Africa und Jean-Michel Bériat den Text – der Titel belegte kurz nach Veröffentlichung Platz eins in verschiedenen französischen Chartlisten. Eine einheitliche französische Chartlist gab es nicht vor 1984. 

Africa – „One-Hit-Wonder“?

Nachdem die französische Version von Africa zu solch einem großen Hit avanciert war, verfasste Elaine Stive eine englische Version des französischen Pop-Songs und machte somit möglich, dass das Lied auch in anderen europäischen Ländern die Spitze der Charts erreichte.
Insbesondere im deutschsprachigen Bereich wurde die englische Version von Africa ein großer Erfolg. 

Im Zusammenhang mit Rose Laurens spricht man gerne von einem internationalen One-Hit-Wonder: Als One-Hit-Wonder bezeichnet man eine Persönlichkeit oder Band aus der Popmusik, die „nur“ einen Hit in den Charts platzieren konnte. Betrachtet man die internationale Musikwelt, mag der Begriff One-Hit-Wonder auf Rose Laurens zutreffen: In ihrer französischen Heimat sieht das jedoch anders aus. Mit dem Song American Love, der gerne in amerikanischen Clubs gespielt wurde, erzielte Rose Laurens 1986 einen weiteren Erfolg außerhalb Frankreichs.
Nicht zuletzt sagen die Chart-Platzierungen eines Musikers nichts über die Qualität seiner Musik aus, sondern einzig und allein über den Verkaufserfolg einer Schallplatte oder eines Hits. 

In Europa feierte Rose Laurens in den Achtzigern unzählige weitere Erfolge.

Das französische Chanson in den USA

Es gab wenige französische Künstler, die sich auch außerhalb ihrer französischen Heimat behaupten konnten: Das amerikanische Showbusiness, das bis heute als Gradmesser des Erfolgs für die allermeisten international bekannten Musiker dient, funktionierte damals grundsätzlich anders als die französische Musikkultur. In den Vereinigten Staaten waren die meisten Musikhörer grundsätzlich nicht sensibilisiert für das französische Chanson. 
Zwar trat Rose Laurens einmal in der New Yorker Diskothek The Saint auf, doch das amerikanische Showbusiness bot keine langfristige Heimat für eine Sängerin wie Rose Laurens: Ihre künstlerische Heimat lag in Frankreich. In Europa feierte Rose Laurens in den Achtzigern unzählige weitere Erfolge: Zu diesen Erfolgen zählen die Songs Quand tu pars, La Nuit, Vivre oder Mamy Yoko

1987 wurde ihr Lebensgefährte und musikalischer Partner Jean-Pierre Goussaud, der unter anderem auch Africa komponiert hatte, krank: Als Folge seiner Krankheit sagte Rose Laurens alle weiteren Engagements ab und zog sich zunächst vollständig aus der Öffentlichkeit zurück. 

Französisches Chanson und der Zeitgeist

1990 erschien ein letztes gemeinsames Album von Rose Laurens und Jean-Pierre Goussaud, J’te prêterai jamais. Im gleichen Jahr starb Jean-Pierre Goussaud – damit starb nicht nur ihr Lebensgefährte, sondern auch ihr musikalischer Partner, der einen entscheidenden Anteil an all ihren Hit-Erfolgen hatte. Goussaud verstand es, für Rose Laurens unverwechselbare Stimme die perfekte Musik zu schreiben – nicht ohne Grund gilt Africa noch heute als einer der französischen Hitsongs der Achtziger schlechthin. 
Nach Goussauds Tod war es für Rose Laurens nur noch sehr schwer möglich, ihre musikalische Karriere weiterzuverfolgen: Derjenige, der mit seinen Kompositionen ihrer Stimme eine Bedeutung verliehen hatte, war nicht mehr da. Zwar veröffentlichte Laurens noch einzelne weitere Alben und absolvierte noch einige öffentliche Auftritte, doch an ihre Erfolge aus den Achtzigern sollte Laurens nie wieder anknüpfen. 

Rose Laurens bleibt als eine der unverwechselbarsten Stimmen der französischen Popmusik der Achtziger in Erinnerung – insbesondere durch ihren Hit Africa verewigte sich die Sängerin. Doch auch über diesen Hit hinaus verstand es Laurens, Chansons zu interpretieren, die traditionelle französische Chansonkultur mit dem Zeitgeist der Achtziger in Einklang brachten. 

Simon von Ludwig


Beitragsbild: © Simon von Ludwig

Maßgebliche Quelle: Die Biographie über Rose Laurens auf roselaurens.fr.


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