Wenn man die Mittelmeerküste entlang reist, wird man feststellen, dass die Focaccia überall ein wenig anders schmeckt: Der Legende nach stammt die „ursprüngliche“ Focaccia, die Focaccia Genovese, aus Genua. Die Focaccia Genovese ist etwa zwei Zentimeter dick und besticht durch ihre goldgelbe Kruste. Das Geheimnis einer Focaccia ist die Verwendung von Olivenöl: Bereits bei der Zubereitung des Teiges kommt Olivenöl zum Einsatz, im weiteren Verlauf werden die Teiglinge mit Olivenöl eingerieben. Hierbei kommt es auch auf die Qualität des Olivenöls an: Verwendet man zum Backen einer Focaccia hochwertiges Olivenöl, wirkt sich das zumeist positiv auf den Geschmack der Focaccia aus. 

Bei der Focaccia verhält es sich ganz ähnlich wie bei der Pizza – beide Speisen gehören zur sogenannten “Cucina dei poveri“ (ital. für „Kost der Armen“), sprich zur traditionellen Volksküche Italiens. Die Bezeichnung „Kost der Armen“ rührt daher, dass die Herstellung von Focaccia mit dem Einsatz von relativ wenigen Zutaten verbunden ist: Mehl (meist „Tipo 00“), Meersalz, Hefe, Wasser und viel Olivenöl sind die wesentlichen Zutaten einer Focaccia. Das machte die Focaccia gerade für ärmere Bevölkerungsschichten zu einem idealen Grundnahrungsmittel. Heute allerdings ist es fast etwas Luxuriöses, eine „echte“ Focaccia serviert zu bekommen. 

Focaccia geht etymologisch auf das genuesische Wort „Fugassa“ zurück, das man mit „über dem Feuer gebacken“ übersetzen kann. 

Wortherkunft – „Vorläufer“ der Pizza

Wegen des hohen Olivenölanteils ist eine Focaccia oftmals länger haltbar als ein klassisches Brot: Diese Eigenschaft prädestinierte die Focaccia, als Proviant für Fischer zu dienen. Die Fischer des 16. Jahrhunderts waren vorrangig nachts auf See und waren darauf angewiesen, schnell ihren Hunger zu stillen, waren sie einmal im Hafen. Die Zubereitung eines klassischen Brotes hätte viel zu viel Zeit in Anspruch genommen – also entschied man sich, einzelne Stücke ungesäuerten Brotteiges auf den Ofenboden zu legen und kurz auf dem Feuer zu backen. 
Aufgrund dieser Tatsache lässt sich auch die Wortherkunft von Focaccia ableiten: Focaccia geht etymologisch auf das genuesische Wort „Fugassa“ zurück, das man mit „über dem Feuer gebacken“ übersetzen kann. 

Heute wird die Focaccia manchmal als der „Vorläufer“ der Pizza bezeichnet: Der Legende nach soll die erste neapolitanische Pizza am 11. Juni 1889 entstanden sein, als der Bäcker Raffaele Esposito von König Umberto I. beauftragt wurde, ihm und seiner Frau Margherita eine Pizza zu servieren. Somit war die Pizza Margherita geboren – doch die Focaccia hat noch eine wesentlich längere Geschichte als die moderne Pizza… 

Kirchliches Verbot der Focaccia

Das Grundrezept einer Focaccia ist, seitdem die Etrusker in Norditalien existierten, grundsätzlich gleich geblieben: Man ist sich heute einig, dass der Ursprung der Focaccia an den nördlichen Ufern des Mittelmeers liegt und sich das Brot von dort aus nach Rom und später auch in der griechischen Kultur verbreitete. Aus der Zeit des Römischen Reichs gibt es zahlreiche Belege für die Existenz der Focaccia in der römischen Kultur: Die 79 n. Chr. unter der Vulkanasche des Vesuv begrabene Stadt Pompeji liefert bis heute zahlreiche Erkenntnisse über die die Kultur der Römer, dazu zählt insbesondere auch die kulinarische Kultur. In Pompeji fand man Hinweise dafür, dass schon damals das Backen und der Verkauf von Focaccia und anderen – der heutigen Pizza ähnlichen – Backerzeugnissen verbreitet war. In manchen Regionen Italiens gilt die Focaccia als traditionelles Festgebäck – oftmals wird zu Weihnachten oder zu Hochzeiten eine Focaccia gereicht. Die Tradition, Focaccia bei festlichen Angelegenheiten zu essen, mag in der Renaissancezeit ihren Anfang genommen haben: Der Legende nach soll der Bischof von Genua Matteo Gambaro um 1500 sogar verboten haben, Focaccia in der Kirche während Gottesdiensten und kirchlichen Festen zu essen. Doch mit diesem Verbot setzte der Bischof von Genua dem Aufstieg der Focaccia kein Ende – im Gegenteil: Die Focaccia war so vielseitig und einfach herzustellen, dass man sie gar nicht verbieten konnte. 

Focaccia, © Simon von Ludwig

Unbegrenzte Variationen

Je nachdem, in welche Geschmacksrichtung man eine Focaccia bringen möchte, kann man dem Grundrezept verschiedene Zutaten hinzufügen: Traditionell wird Rosmarin zugegeben, der den klassischen Geschmack des Brotes perfekt ergänzt. Möchte man es pikant bis scharf, sind auch Zutaten wie Chili, Oliven oder Tomaten denkbar.  Süße Focaccia-Variationen sind vor allem im Nordwesten Italiens sehr bekannt: Für eine süße Focaccia fügt man Honig, Rosinen oder andere süße Zutaten hinzu. Denkbar ist auch, die Focaccia mit Zucker zu bestreuen. Holt man eine Focaccia frisch aus dem Backofen und probiert sie, ist das ein Geschmackserlebnis der besonderen Art – hier braucht es häufig gar keinen zusätzlichen Belag für das Brot, es besticht durch seinen komplexen Eigengeschmack. 

Im 19. Jahrhundert wurde die Focaccia zum ersten Mal in Kochbüchern der genuesischen Küche erwähnt: Diese relativ späte Erwähnung der Focaccia in Kochbüchern mag damit zusammenhängen, dass vorher schlichtweg keine Notwendigkeit bestand, das Rezept einer Focaccia niederzuschreiben. Heute noch gibt es Diskussionen darüber, was nun das Ursprungsrezept der Focaccia war – das lässt sich heute kaum mit absoluter Sicherheit klären. 

Kaum eine Zwischenmahlzeit genießt solch ein hohes Ansehen wie die Focaccia.

„Street Food“ mit Kultur

Als im frühen 20. Jahrhundert zahlreiche italienische Einwanderer in die USA strömten, brachten sie das jeweilige Focaccia-Rezept aus ihrer Region mit in ihre neue Heimat: So kommt es, dass man heute in manchen Restaurants in US-amerikanischen Metropolen eine Focaccia serviert bekommt, die es so sonst nur in Italien gibt. Eine „echte“ Focaccia außerhalb von Italien zu essen, bleibt allerdings eine große Seltenheit – reist man durch verschiedene italienische Regionen und besucht die Bäckereien vor Ort, wird man eine ganze Palette an verschiedenen Focaccia-Variationen kennenlernen. In der Toskana zum Beispiel nennt sich die Focaccia Schiacciata und wird etwas etwas dünner gebacken, wodurch eine Schiacciata wesentlich knuspriger ist als eine Focaccia. 

Die Focaccia ist ohne Frage eines jener „Street Foods“, die auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken können: Kaum eine Zwischenmahlzeit genießt solch ein hohes Ansehen und wird dazu noch bei festlichen Anlässen serviert. 

Einst ein Proviant für Fischer

Es ist kein Wunder, dass sich die Focaccia seit Jahrhunderten ungebrochener Beliebtheit erfreut: Nicht nur ist die Zutatenliste relativ überschaubar, eine echte Focaccia verwöhnt die Geschmacksnerven. Insbesondere der Einsatz von hochwertigem Olivenöl bei der Teigzubereitung  befördert die Focaccia geschmacklich auf eine neue Ebene. Ist man einmal in den Genuss einer frischen und luftigen Focaccia gekommen, wird man dieses Geschmackserlebnis nicht wieder vergessen – was früher als Proviant von Fischern diente, ist heute ein seltener Genuss geworden: Es gibt nicht mehr viele Bäckereien, die eine Focaccia nach traditionellem Rezept herstellen. 

Das verwundert auch nicht, denn eine „echte“ Focaccia herzustellen, ist kein leichtes Unterfangen.
Nur, weil eine Focaccia mit wenigen Zutaten hergestellt wird, bedeutet das nicht automatisch, dass der Prozess der Herstellung dadurch einfacher wird… 

Simon von Ludwig


Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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