Der Aceto Balsamico ist eines der begehrtesten Würzmittel der Welt: Besonders gerne wird der Aceto Balsamico zum Würzen von Salaten verwendet.
Im Prinzip ist der Aceto Balsamico aus den Provinzen Modena oder Reggio Emilia ein Essig: Der süßsaure Geschmack und die intensive Würze des Aceto Balsamico prädestinieren den einzigartigen Essig, als perfektes Würzmittel für unzählige Kreationen zu dienen. Doch woher kommt die einzigartige Würze eines Aceto Balsamico und welche Geschichte steckt hinter dem einmaligen Essig?
Die Ursprünge des Aceto Balsamico liegen im Altertum: Bereits im dritten Jahrtausend v. Chr. soll es einen Essig gegeben haben, der dem heutigen Aceto Balsamico ähnlich war.
Doch damals gab es die Begrifflichkeit Aceto Balsamico noch lange nicht, man stellte Essig hauptsächlich aus Traubenmost, Feigen, Datteln oder Äpfeln her. Häufig wurden diese Essige wegen ihrer wohltuenden Wirkung als „Balsam“ bezeichnet.
Aceto Balsamico Tradizionale
Heutzutage steckt hinter dem Aceto Balsamico ein komplexer Herstellungsprozess: Dabei ist jedoch strikt zu unterscheiden zwischen dem Balsamico Tradizionale und dem Aceto Balsamico di Modena. Der Balsamico Tradizionale wird häufig als die Urform des Balsamico bezeichnet: Beim Tradizionale wird der Most von spätgelesenen weißen Trebbiano- oder Lambrusco-Trauben in Kupferkesseln gekocht und dadurch eingedickt, sodass am Ende nur noch ein kleiner Teil des Mosts bleibt. Wichtig ist, dass das Kochen vor der ersten Gärung des Traubenmosts stattfindet.
Dieser Prozess kann 12 bis 36 Stunden dauern.
Trebbiano- oder Lambrusco-Trauben werden besonders gerne für die Herstellung des Balsamico verwendet, es sind jedoch noch weitere weiße Rebsorten für die Herstellung zugelassen.
Der durch das Eindicken entstandene Sirup wird gefiltert: Nun folgt der Schritt, während dem der Balsamico seinen typischen Geschmack erhält. Dem Sirup wird ein Anteil von mindestens zehn Jahre altem Balsamico und ein Anteil frischen Weins zugesetzt, um einen Gärprozess anzustoßen.
Lagerzeit und Reifung
Nun lagert der entstandene Essig in verschiedenen Holzfässern: Dabei ist jedes Essigfass aus einem anderen Holz gefertigt. Balsamico-Essige lagern in Fässern aus Kirschenholz, Eichenholz, Kastanienholz oder Wacholderholz. Dabei ist – je nach Rezeptur – die Reihenfolge entscheidend, in welcher der Balsamico in den jeweiligen Fässern lagert.
Der Prozess der Lagerung in Holzfässern dauert Jahre bis Jahrzehnte. Eine Besonderheit dabei ist, dass die Balsamico-Fässer traditionell auf Dachböden stehen: Dort herrscht im Sommer ein schwüles Klima, das die Bakterien, die dem Balsamico sein Aroma verleihen, zur Aktivität anregt. Im Winter hingegen nimmt die Aktivität in den Fässern ab und der Balsamico kann „reifen“.
Beim Tradizionale beträgt die Reifedauer mindestens zwölf Jahre. Ab einem Alter von 25 Jahren trägt der Balsamico die Bezeichnung extra vecchio.
Enorme Würzkraft
Aceto Balsamico Tradizionale darf nur aus einer einzigen Zutat bestehen: Traubenmost. Weitere Inhaltsstoffe oder chemische Zusatzstoffe dürfen nicht zugefügt werden.
Der Herstellungsprozess des Aceto Balsamico Tradizionale bedingt, dass es nur sehr geringe Mengen des Würzmittels gibt: Jedes weitere Jahr, in dem der Balsamico reduziert und eingedickt wird, geht mit einer deutlichen Reduktion der Balsamico-Menge im Fass einher.
Am Ende einer Lagerzeit bleiben aus einem Fass mit Balsamico, das ursprünglich 500 Liter fasste, vielleicht noch 10 Liter übrig.
Hinzu kommt, dass die Bakterienkultur (ital. madre dell’aceto, zu deutsch etwa: „Essigmuttter“) in einem Balsamico-Fass durch Insekten oder andere Infektionen zerstört werden kann. Passiert so etwas einmal, müssen alle betroffenen Fässer entleert und sterilisiert werden.
So aufwändig diese Herstellungsmethode klingen mag: Sie resultiert in der enormen Würzkraft, die ein Aceto Balsamico Tradizionale mit sich bringt. Er verleiht Gerichten einen einzigartigen Geschmack, ohne jedoch den Eigengeschmack des Gerichtes selbst in den Hintergrund zu drängen. Gerade in der italienischen Küche spielt der Balsamico aufgrund seiner vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten eine sehr große Rolle.
Die geringe Verfügbarkeit und der hohe Preis für einen Balsamico haben das einmalige Würzmittel für lange Zeit zu einem exklusiven Produkt gemacht, das vor allem in den Küchen von Adelssitzen Anwendung fand: 1747 wurde das Wort Balsamico zum ersten Mal schriftlich erwähnt. Zu dieser Zeit war der Balsamico bereits ein beliebtes Würzmittel geworden. Chemische Zusatzstoffe, die sich geeignet hätten, um einen Aceto Balsamico nachzuahmen, gab es damals noch nicht: Folglich war der Balsamico-Genuss für eine sehr lange Zeit nur einer begrenzten Bevölkerungsgruppe zugänglich. Noch heute ist der Aceto Balsamico Tradizionale wegen seiner langen Reifezeit und seines einzigartigen Geschmackes ein Würzmittel, das man aufgrund seines Preises und auch des intensiven Geschmacks nur tröpfchenweise einsetzen sollte.
Andere Balsamico-Varianten
In den letzten Jahrzehnten entwickelten sich andere, neue Herstellungsmethoden, um auch einen Balsamico ohne extrem großen Kostenaufwand herzustellen. An den Geschmack eines Tradizionale werden diese Varianten trotz zahlreicher Zusatzstoffe und Aromen jedoch nie ganz herankommen. Die Bezeichnung Balsamico alleine ist nicht geschützt, deshalb kann man jedes beliebige Essigprodukt nach Balsamico-Vorlage unter der Bezeichnung Balsamico erwerben.
Geschützt sind unter anderem die Herkunftsbezeichnungen Aceto Balsamico Tradizionale DOP und Aceto Balsamico di Modena IGP.
Für den Aceto Balsamico di Modena IGP gelten bei weitem nicht so hohe Anforderungen wie an den Aceto Balsamico Tradizionale: Beim Balsamico mit dem Zusatz di Modena darf unter anderem ebenfalls Weinessig enthalten sein. Außerdem sind die Anforderungen für diese Qualitätsstufe erst seit kurzer Zeit festgelegt, weshalb zahlreiche Produkte im Umlauf sind, die mit dem ursprünglichen Balsamico wenig zu tun haben.
Der Önologe Francesco Agazzotti (1811 – 1890) fixierte im 19. Jahrhundert zum ersten Mal den genauen Herstellungsprozess des Aceto Balsamico. Jener Brief, den Agazzotti damals verfasste, dient heute noch als Grundlage, wenn es einmal zu Unklarheiten beim Herstellungsprozess kommt.
Balsam für den Gaumen
Praktisch jedes Gericht lässt sich mit einigen Tropfen Balsamico verfeinern: Sei es ein Tomaten-Carpaccio, ein Salat, ein Stück Parmigiano Reggiano oder sogar ein paar Erdbeeren – der Balsamico ergänzt den Geschmack eines jeden Gerichts oder Nahrungsmittels, ohne den jeweiligen Eigengeschmack in den Hintergrund zu drängen.
In der italienischen Genusskultur nimmt der Aceto Balsamico eine einmalige Rolle ein: Er zeigt auf, dass man aus Weintrauben nicht nur einen Wein herstellen kann, sondern auch ein extrem intensives Würzmittel.
Den Geschmack eines „echten“ Balsamico wird in den allermeisten Fällen nur der Balsamico Tradizionale bieten können: Nur dieser Balsamico muss nach den klassischen Traditionen hergestellt werden, die sich in vielen Familien über Jahrhunderte hinweg gefestigt haben.
Doch spätestens als im 20. Jahrhundert immer mehr italienische Produkte exportiert wurden, war klar, dass man für den Aceto Balsamico auch ein preisgünstigeres Pendant kreieren musste: Meist verrät ein Blick auf die Zutatenliste eines Balsamicos, auf der eigentlich nur Traubenmost stehen sollte, welche geschmackliche Intensität man sich von ihm erhoffen darf.
Gourmets in aller Welt schätzen den einmaligen Essig aus Norditalien und setzen ihn auf undenkbare viele Arten ein – beinahe in jedem Anwendungsfall hebt er ein Gericht geschmacklich auf eine neue Ebene und betont den jeweiligen Eigengeschmack der Zutaten. Für den Gaumen wirkt der Aceto Balsamico wie ein Balsam.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig