Die Weinherstellung in Italien befand sich früher in den Händen der Grundbesitzer: Die Bauern hatten die Trauben für den Wein abzuliefern – behalten durften die Bauern nur eines: Die Traubenreste, die bei der Pressung übrig blieben. Aus diesem Trester, der unter anderem aus Traubenschalen und Traubenkernen besteht, brannten Bauern vor vielen hundert Jahren zum ersten Mal ein Erzeugnis, das dem heutigen Grappa ähnlich war. Zunächst war der Grappa nichts weiter als ein einfacher Bauernschnaps.
Erst sehr viel später trat der Grappa seinen Erfolgszug durch die Welt an: Im 20. Jahrhundert verbesserten sich die Möglichkeiten der Destillation und die Qualität des Bauernschnaps von einst verbesserte sich maßgeblich. Die Tatsache, dass man auch die Traubenschalen zu einem aromatischen eau-de-vie brennen konnte, faszinierte bald Schnapskenner aus aller Welt. 

Die Destillation

Wann genau Grappa zum ersten Mal destilliert wurde, ist nicht bekannt: Fest steht nur, dass die Araber von Sizilien ausgehend im 9. Jahrhundert das Konzept der Destillation in ganz Europa verbreiteten. Da Destillation die Voraussetzung für die Herstellung von Grappa ist, liegt es nahe, dass die Herstellung des ersten Grappas um die selbe Zeit stattgefunden hat.
Spätestens mit Beginn der Kreuzzüge im 11. Jahrhundert spielte die Destillation eine große Rolle in Europa: Den ersten organisierten Handel mit Grappa gab es ab dem 15. Jahrhundert, auch außerhalb Italiens.
Obwohl die Herstellung von Grappa zunächst streng reglementiert war, erlaubte man den Bauern, zur Verwertung des Tresters eine geringe Menge für den Eigenbedarf herzustellen. Damit erhielt der Grappa den Beinamen „Bauernschnaps“. 

Ein Grappa wäre nichts ohne seine Fruchtaromen.

Grappa: Überall dort, wo es Weinbau gibt

Im Mittelalter beschäftigten sich verschiedene Ärzte mit der Wirkung von Destillaten auf den menschlichen Körper: Nicht selten kam es vor, dass Forschungen auf diesem Gebiet unterbunden wurden und die Herstellung der Destillate folglich mit hohen Steuern belegt wurde.
Bei der Herstellung von Grappa gibt es eine Regel: Dort, wo viel Weinbau betrieben wird, wird auch Grappa hergestellt.
Ein Grappa wäre nichts ohne seine Fruchtaromen: Das Lesegut, dessen Trester zur Herstellung von Grappa genutzt wird, muss gesund und vollreif sein. Entscheidend ist auch, dass der verwendete Trester frisch ist: Unmittelbar nachdem der Pressvorgang abgeschlossen ist, holt der Destillateur den Trester beim Winzer ab. Je länger der Trester unbehandelt beim Winzer liegt, desto geringer wird die Qualität des Tresters durch Oxidation und verschiedene mikrobiologische Prozesse. 

Herstellung von Grappa

100 Kilogramm frischer, feuchter Trester ergeben ca. 10 Liter Grappa: Bei der Destillation von Grappa unterscheidet man zwischen der diskontinuierlichen Methode und der kontinuierlichen Methode. Die diskontinuierliche Methode ist am häufigsten verbreitet und setzt eine Reinigung der Geräte nach jedem Brennvorgang voraus. Bei der kontinuierlichen Methode wird auf diese Reinigung verzichtet: Damit lassen sich innerhalb von kürzester Zeit große Trestermengen zu Grappa verarbeiten.
Früher befeuerte man die Brennkessel, in denen der Grappa destilliert wird, direkt: Wegen der Gefahr, dass das Erzeugnis am Kesselgrund anbrennt, wird dieses Verfahren kaum noch verwendet. Vielmehr setzen Destillerien heute auf die Wasserbaderhitzung und auf die Dampfdestillation. Nach der Destillation erhält man ein farbloses Destillat: Noch ist nichts von der gelblichen Färbung zu sehen, die einen trinkreifen Grappa auszeichnet.
Nach der Destillation wird Grappa in Holzfässern gelagert: Dabei entstehen spezielle Geschmacksnuancen. Das Holz atmet und das Destillat kommt in Kontakt mit Sauerstoff: Dadurch wird der Geschmack des Destillats abgerundet und erhält einen süßlichen Geschmack. 

Die Auswahl der Holzart hat großen Einfluss auf dem Geschmack des Grappa.

Reifung

Grappa lagert besonders häufig in Eichenholzfässern: Es gibt allerdings auch Grappa, der in Eichen-, Kastanien-, Apfel-, oder Kirschholzfässern gelagert wird. Die Auswahl der Holzart hat großen Einfluss auf dem Geschmack des Grappa: Eichenholz gilt als mild-aromatisch und enthält Tannine, weshalb Eichenholzfässer (auch Barrique-Reifung genannt) besonders häufig zur Reifung von Grappa verwendet werden. Andere Hölzer verleihen dem Grappa einen anderen geschmacklichen Einschlag, der seltener nachgefragt wird.
Grundsätzlich gilt: Je länger der Grappa reift, desto aromatischer wird das Trestererzeugnis und desto eher verliert das Erzeugnis an Schärfe. Wie bei vielen anderen Spirituosen auch sind Kenner der Überzeugung, dass eine längere Lagerzeit das Erzeugnis hochwertiger macht.
Wird ein Grappa nach der Reifezeit frisch abgefüllt, beträgt der Alkoholgehalt zwischen 70 und 85 Volumenprozent: Unmittelbar nach der Abfüllung wird das Erzeugnis mit entmineralisiertem Wasser auf eine Trinkstärke von 38 bis 50 Volumenprozent reduziert. Erst dann ist der Grappa trinkbar. 

Evolution zum Edeldestillat

Den Namen Grappa dürfen nur Destillate tragen, die aus italienischen Trestern gebrannt wurden: 1779 wurde die erste italienische Brennerei für Spirituosen aller Art gegründet – zu einer Zeit, als es die Bezeichnung Grappa noch gar nicht gab. Zwar gab es Tresterbrände, diese trugen jedoch den schlichten Namen „Acquavite“ (italienisch für Schnaps).
Bis in das späte 20. Jahrhundert hinein war der Grappa alles andere als ein Edeldestillat: Bis vor kurzem hatte der Grappa immer noch einen Ruf als Bauernschnaps, da alles mögliche destilliert wurde, was aus der Weinproduktion übrig blieb. Erst langsam kristallisierte sich heraus, dass man ein einmaliges Produkt erzeugen konnte, wenn man sich aus dem Trester die Rosinen herauspickte: Einige Brennereien begannen in den Achtzigern damit, die besten Traubenreste zu destillieren und machten den Grappa damit zu dem Edeldestillat, das er heute ist.

Simon von Ludwig


Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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