Was ist Chianti? Kaum eine Frage wird in der Weinwelt so heiß diskutiert wie die Frage nach der Herkunft des Chianti. Lange galt der Chianti als ein Wein, der hauptsächlich aus Weinreben an den drei Flusstälern zwischen Florenz und Siena gewonnen wird. Die drei Flusstäler Val di Pesa, Val di Greve und Val d’Arbia befinden sich im Herzen der Toskana. Weinkennern zufolge sorgen die Lage der Weinreben an den Flusstälern für das besondere Aroma von Chianti-Weinen.
Die Frage nach der Herkunft des Chianti war aber noch lange nicht geklärt: Anfang des 20. Jahrhunderts eskalierte der Konflikt rund um die Herkunft des Chianti.
Chianti Classico
Würde es eine Region mit dem Namen Chianti geben, wäre vieles einfacher: Vielmehr ist Chianti ein Weinbaugebiet, das dem gleichnamigen Wein seinen Namen verleiht. Jahrzehntelang stritt man sich in der Toskana darüber, was nun zum Weinbaugebiet Chianti gehört und was nicht.
Heute zählen neun Untergebiete zum Chianti – das bekannteste Untergebiet trägt den Namen Chianti Classico. Dabei handelt sich um das Kerngebiet des Chianti-Anbaus – man erzählt sich, dass der Chianti-Weinbau vor vielen Jahrhunderten dort seinen Ursprung genommen haben soll.
Ursprünge im Mittelalter
Ein Chianti besteht hauptsächlich aus Sangiovese-Trauben: Ein Wein, der sich Chianti nennt, muss zu mindestens 70 Prozent aus Sangiovese-Trauben bestehen. Der Name taucht erstmals 1398 in den Unterlagen eines toskanischen Kaufmannes auf – damals war Chianti allerdings die Bezeichnung für einen Weißwein.
Im Mittelalter stand die Bezeichnung Chianti nicht nur für einen Wein: Damals gab es die Lega del Chianti (dt. „Chianti-Liga“), ein politisches Bündnis zur Verteidigung des Chianti-Gebietes. Das Wappentier der Chianti-Liga war ein schwarzer Hahn: Dieser schwarze Hahn ist bis heute auf den Etiketten von Chianti Classico-Flaschen zu finden. Das Territorium der mittelalterlichen Chianti-Liga entspricht in etwa dem südlichen Teil des heutigen Chianti Classico-Gebietes.
Das Chianti-Rezept
Der toskanische Baron Bettino Ricasoli entwickelte im 19. Jahrhundert nach über 20-jähriger Arbeit im Weinkeller das sogenannte Chianti-Rezept: Ein Chianti sollte zu 70 Prozent aus Sangiovese-Trauben, zu 20 Prozent aus Canaiolo-Trauben und zu 10 Prozent aus der weißen Malvasia-Sorte gekeltert sein. Bei allen drei Rebsorten handelt es sich um Sorten, die von Natur aus in der Toskana beheimatet sind. Dieses Rezept galt lange als sichere Methode, um einen aromatischen Chianti herzustellen. Allerdings war es umstritten, weiße Rebsorten für die Herstellung von Chianti zu verwenden: Seit 2006 dürfen für einen Chianti Classico keine weißen Rebsorten mehr verwendet werden. Für einen Chianti DOCG, der außerhalb des historischen Ursprungsgebietes hergestellt wurde, dürfen – wie damals – 10 Prozent Weißweintrauben zugefügt werden.
Hügellandschaft
Die Hügellandschaft zwischen den toskanischen Städten Florenz und Siena war viele Jahrhunderte maßgeblich für den Geschmack von Chianti-Weinen: Heute stammen nur noch vereinzelt Chianti-Weine aus dieser historischen Ursprungsregion. Auf der einen Seite wird behauptet, diese Entfremdung vom Ursprungsgebiet habe dem Chianti seinen Charakter geraubt. Andererseits wird argumentiert, die Ausweitung des Chianti-Anbaugebietes habe dazu beigetragen, das Geschmacksbild vielfältiger zu machen und nahezu die Weinlagen der gesamten Toskana abzubilden anstatt nur eines Ausschnitts.
Nur toskanische Weinsorten?
Bettino Ricasoli, dessen Chianti-Rezept nur auf toskanische Rebsorten zurückgriff, unternahm 1851 eine Bildungsreise. Seine Reise führte ihn in die klassischsten der französischen Weinbaugebiete: Burgund, Bordeaux, Beaujolais und das Languedoc. Obwohl er von dieser Reise viel mitnahm und von der Aromatik der französischen Sorten begeistert war, hielt er an seinem Rezept fest: Er war der Überzeugung, sein Chianti-Rezept lebt davon, dass nur toskanische Sorten verwendet wurden. Dieser Grundsatz hielt sich lange.
Im Laufe der Jahrzehnte wich man davon ab, ausschließlich in der Toskana beheimatete Rebsorten für Chianti-Weine zu verarbeiten. Für verschiedene Chianti Classico-Weine werden heute ursprünglich französische Sorten wie Cabernet Sauvignon oder Merlot angebaut. Diese dürfen allerdings zu maximal 20% in einem Chianti enthalten sein.
Weine aus der Toskana
Obwohl für andere Weine aus der Toskana wie den Vino Nobile di Montepulciano oder den Supertoskaner andere Vorgaben gelten, gibt es doch eine gewisse geschmackliche Ähnlichkeit: So teilt sich die südlichste Chianti-Zone auf dem Hügel um Siena, der Chianti Colli Senesi DOCG, einen Teil seines Anbaugebietes mit dem Vino Nobile di Montepulciano. Rotweine aus der Toskana werden maßgeblich von der Sangiovese-Rebsorte bestimmt.
Traditionell wird Chianti in Fiasco-Flaschen verkauft: Dabei handelt es sich um eine mit Stroh ummantelte Flasche. Die Strohummantelung kommt aus einer Zeit, als Flaschenglas noch sehr dünn war und schnell zu bersten drohte.
Geht es um toskanischen Wein, spielt der Chianti eine entscheidende Rolle: Manchmal ist Chianti sogar ein Synonym für toskanischen Rotwein.
Das historische Anbaugebiet des Chianti unterscheidet sich allerdings stark vom heutigen Anbaugebiet. Die Wurzeln des Chianti leben weiter – bis heute werden im Ursprungsgebiet des Chianti Sangiovese-Trauben angebaut.
Beitragsbild: Eine Chianti-Fiasco-Flasche, © Simon von Ludwig