Eine Legende besagt, der Earl Grey Tee sei daraus entstanden, dass auf dem Familiensitz des britischen Premierministers Charles Grey, 2. Earl Grey (1764 – 1845) das Trinkwasser so viel Kalk enthalten habe, dass der Teegenuss unmöglich wurde: Also ging man dazu über, dem Tee etwas Bergamotte-Öl zuzufügen, was den kalkhaltigen Geschmack des Trinkwassers kaschierte und einen angenehmen Geschmack mit sich brachte.
Wie es zustande kam, dass man ausgerechnet auf dem Familiensitz des britischen Premierministers das aus Kalabrien stammende Bergamotte-Öl zur Verfeinerung der Tees verwendete, ist bis heute unklar. Es gibt eine Version der Geschichte, die davon ausgeht, dass ein chinesischer Mandarin ein spezielles Teerezept für Charles Grey entwickelte, um den kalkigen Geschmack des Trinkwassers zu kaschieren. Dabei sei der Mandarin auf Bergamotte-Öl gestoßen.
Eine andere Legende besagt, dass auf einem Handelsschiff auf schwerer See Fässer, die mit Bergamotte-Öl befüllt waren, ausliefen und den ebenfalls auf dem Schiff befindlichen Tee mit dem Öl tränkten. Der entstandene Geschmack soll den 2. Earl Grey so beeindruckt haben, dass er in Auftrag gab, diesen Tee künftig immer so herzustellen. Fest steht nur eines: Der 2. Earl Grey spielte eine entscheidende Rolle bei der Namensgebung des legendären Tees.
Bergamotte-Öl
Die Bergamotte-Frucht ist ein natürlicher Hybrid aus der Süßen Limette und der Bitterorange: Die Bergamotte-Bäume wachsen fast ausschließlich im italienischen Kalabrien. Die Frucht selbst hat relativ wenig Bedeutung, der Baum wird hauptsächlich wegen des Bergamotte-Öls angebaut, das als „grünes Gold“ gilt.
Das Bergamotte-Öl spielt auch in der Parfümherstellung eine große Rolle. Weil es sich beim Bergamotte-Öl um ein extrem kostbares Öl handelt, wird in der Teeherstellung häufig auf Bergamotte-Aroma zurückgegriffen, um die Tees zu aromatisieren: Um nur einen Liter Bergamotte-Öl zu gewinnen, benötigt man etwa 200 Kilogramm Bergamott-Früchte. Würde man jeden auf dem Markt erhältlichen Earl Grey-Tee mit Bergamotte-Öl aromatisieren, würden die Vorräte an dem kostbaren Öl nicht annähernd reichen – außerdem spiegelt sich die Kostbarkeit des Öls auch in seinem entsprechend hohen Preis wider.
Ende des Teemonopols
Das Vermächtnis des englischen Premierministers Charles Grey umfasst nicht nur die Teesorte, die nach ihm benannt ist: In seine Amtszeit fiel die Aufhebung des Handelsmonopols der East India Company, die bis zum Jahre 1833 die Teepreise kontrollierte. Die Kontrolle der Teepreise durch die East India Company bedeutete, dass Tee nur für die oberen Gesellschaftsschichten verfügbar war – es war schlichtweg ein Luxusgetränk. Nachdem die East India Company ihr Monopol auf dem Teemarkt verloren hatte, fielen die Preise für Tee ins Bodenlose – folglich kamen ab Mitte des 19. Jahrhunderts wesentlich breitere Gesellschaftsschichten in den Genuss des bis dato exklusiven Getränks. Das bedeutete aber keineswegs, dass jeder in den Genuss von qualitativ hochwertigem Tee kam: Die plötzliche Nachfrage machte es notwendig, dass auch günstigere Teequalitäten verwendet wurden.
Das Bergamotte-Öl war zunächst nichts anderes als ein Aromageber, der einem fade schmeckenden Grundtee einen Geschmack verlieh. Noch heute werden vornehmlich günstige Grundtees mit Bergamotte-Öl aromatisiert, um ein intensives Aroma zu erzeugen. Doch Teekenner wissen: Ein aromatischer und hochwertiger Grundtee, der mit Bergamotte-Öl verfeinert wird, ergibt ein einmaliges Geschmackserlebnis.
Lady Grey
Die Ehefrau von Charles Grey, Lady Mary Elizabeth Grey, modifizierte die Earl Grey-Teemischung nach ihrem eigenen Geschmack: Die Ehefrau des britischen Premierministers fügte der Teemischung blaue Malvenblüten, Rosenblüten, kleine Zitronenstückchen sowie Kornblumen hinzu. Diese Mischung verlieh dem Earl Grey noch einmal einen wesentlich belebenderen Charakter und ging unter dem Namen Lady Grey in die Geschichte ein.
Die Lady Grey-Mixtur machte aus dem eigentlich herben Earl Grey einen zitronig-blumigen Tee.
Durch das im Schwarztee enthaltene Koffein hat ein Earl Grey stets eine anregende Wirkung auf den Körper. Außerdem wird dem Earl Grey zugeschrieben, zahlreiche weitere positive Effekte auf den menschlichen Körper auszuüben.
„Tee, Earl Grey, heiß.“
Ursprünglich verwendete man für einen Earl Grey ausschließlich chinesische Teesorten. Heute verwendet man sehr unterschiedliche Basistees, um Earl Grey herzustellen: Dabei spielen Tees aus Indien eine große Rolle. Insbesondere Darjeeling-Tees werden besonders gerne als Basis für einen aromatisch schmeckenden Earl Grey-Tee verwendet: Da das Bergamotte-Öl dem Tee einen sehr starken Geschmack verleiht, werden häufig weniger kräftig schmeckende Basistees zur Herstellung der beliebten Teemischung verwendet.
Der Earl Grey-Tee hat zahlreiche reale wie auch fiktive Verehrer: Insbesondere bei Captain Jean-Picard, Captain der U.S.S. Enterprise in Star Trek: The Next Generation erfreut sich der Earl Grey großer Beliebtheit – man mag sich fragen, ob der Earl Grey des 24. Jahrhunderts aus dem Nahrungsmittelrepliaktor wohl mit echtem Bergamotte-Öl oder mit Bergamotte-Aroma aromatisiert ist?
Beitragsbild: Eine Tasse Earl Grey, © Simon von Ludwig