Ursprünglich war der Lambrusco ein bäuerliches Getränk: Das Abernten der Reben war damals eine Art „Feier“. Das Obst war geerntet und eingeweckt, das Schwein geschlachtet und als letztes erntete man die Reben ab. Die vollreifen Trauben wurden zur Gärung in Holzfässer gegeben und mitten in der Gärung füllte man den Wein in Flaschen. Die durch die Gärung entstandene Kohlensäure machte aus dem Wein einen Perlwein.
Aus heutiger Sicht ist das eine relativ einfache Praxis, die zeigt, dass die Bauern am Ende einfach nur ein alkoholhaltiges Getränk haben wollten: Ob der Wein am Ende trocken, halbtrocken oder süß war, spielte keine Rolle. Getrunken wurde er sowieso.
Das war einer der Gründe, weshalb der Lambrusco lange Zeit in Fachkreisen verpönt war und in der Vergangenheit als der wohl primitivste Perlwein Italiens galt – heute ist der Lambrusco aber alles andere als primitiv. Der Lambrusco unterteilt sich inzwischen in zahlreiche verschiedene Kategorien, die auch von Weinkennern sehr geschätzt werden. Deshalb sind Lambrusco-Weine auch in nahezu allen Preisklassen erhältlich.
Pergel-Anbau
Seit einigen Jahren stellen Winzer, die Lambrusco-Weine keltern, einen edlen Sekt aus dem Erzeugnis mithilfe der traditionellen Methode her: Die traditionelle Methode kommt meist nur bei Perlweinerzeugnissen aus Frankreich oder Deutschland zum Einsatz, die als besonders edel gelten.
Wörtlich übersetzt bedeutet Lambrusco so viel wie „wilde Rebe“: Weinfelder, auf denen Lambrusco-Weine angebaut werden, kann man relativ schnell mit bloßem Auge erkennen.
Das liegt an der klassischen Pergel-Weinbaumethode, die beim Lambrusco zum Einsatz kommt:
Die Pergel sorgt für eine gute Beschattung der Lambrusco-Reben.
Deshalb sieht man die Pergel besonders häufig als Weinbaumethode bei Lambrusco-Weingütern: Bei der Pergel handelt es sich um eine relativ alte Erziehungsmethode für Trauben, bei der sich die Reben an Holzgestellen ranken. Die Pergel hat den Vorteil, dass die Böden unter den Reben mehr Feuchtigkeit speichern und die Trauben selbst besser vor der Sonne geschützt sind. Der Pergel-Anbau wird besonders häufig eingesetzt, wenn fruchtig-aromatische Weine als Endprodukt erwünscht sind.
Vielfältiger Perlwein
Aus der Emilia Romagna kommen zahlreiche italienische Spitzenprodukte, darunter der Prosciutto di Parma und der Parmigiano Reggiano: Selbst die Italiener vergessen aber häufig, bei Spitzenprodukten aus der Emilia Romagna den Lambrusco aufzuzählen.
Lambrusco ist nicht gleich Lambrusco: Mit dem heutigen Wissen der Weinwirtschaft lassen sich Lambrusco-Weine als trockene, halbtrockene und süße Weine ausbauen. Alle Weine, die unter dem Namen Lambrusco geführt werden, haben eines gemeinsam: Durch einen relativ geringen Gehalt an Kohlensäure gelten sie als Perlwein – auf italienisch nennt man das vino frizzante. Unterschieden wird der Perlwein vom Schaumwein, dem vino spumante. Vino spumante enthält wesentlich mehr Kohlensäure als vino frizzante.
Lambrusco ist der Überbegriff für eine ganze Familie an Weinen: Die drei wichtigsten Lambrusco-Sorten sind heutzutage der Lambrusco di Sorbara, der Salamino di Santa Croce und der Grasparossa di Castelvetro. Dies sind nur drei Kategorien der insgesamt sechs DOC-geschützten Gebiete, die der Überbegriff Lambrusco bezeichnet. In den meisten Fällen bezeichnen die Herkunftsangaben jeweils eine eigene Rebsorte: Der Lambrusco lässt sich somit keinesfalls auf eine einzelne Rebsorte reduzieren.
Metodo Martinotti
In den allermeisten Fällen ist der Lambrusco ein leicht sprudelnder vino frizzante: Als solcher wird er meist im Charmat-Verfahren (ital. Metodo Martinotti) ausgebaut, das heißt man verwendet große Tanks zur Herstellung des Perlweins. Diese Methode ist, insbesondere was die Wirtschaftlichkeit angeht, eine Alternative zur Méthode traditionelle, die zum Beispiel beim Champagner zum Einsatz kommt.
Nichtsdestotrotz unterscheiden sich beide Methoden besonders beim Geschmack des Perlweins: Weinkenner sind der Meinung, dass ein Sekt, der nach traditioneller Methode hergestellt ist, geschmacklich wesentlich interessanter ist. Das haben auch die Winzer, die Lambrusco herstellen, erkannt: Viele Winzer sind mittlerweile zur traditionellen Methode übergegangen, um Lambrusco herzustellen.
Der Ur-Pét Nat
In Fachkreisen hört man, der Lambrusco sei so etwas wie der „Ur-Pét Nat“: Beim Pét Nat handelt es sich um einen Perlwein, bei dessen Herstellung nach der Méthode Ancestral gearbeitet wird: Das heißt, der gärende Most wird in eine druckstabile Flasche gefüllt, um dort direkt zu gären. Zum Vergleich: Bei der traditionellen Methode wird eine Assemblage fertiger Grundweine mit erneuter Hefe- und Zuckerzugabe ein zweites Mal vergoren.
Auf diese zweite Gärung wird bei der Méthode Ancestral verzichtet: Die durch die erste Gärung entstandene Kohlensäure verbleibt in der Flasche und liefert die Kohlensäure für den Perlwein. So wurde auch Lambrusco früher traditionell hergestellt.
Diese traditionelle Herstellungsmethode rückte im Laufe der Jahrhunderte in den Hintergrund: Nicht zuletzt die Nachfrage nach großen Massen machte die Verwendung der Tankgärung unabdingbar. Zwar erhält man bei der Tankgärung große Massen an Wein, aber die Qualität leidet darunter. Einen Perlwein mit Tankgärung herzustellen, der ohne störende Metallaromen auskommt, ist allerdings auch eine Technik für sich.
Einschläfernd? Keineswegs!
Das Spektrum der Lambrusco-Weine ist groß: So gibt es Lambrusco-Weine, die mit einem tiefen Rot im Glas daherkommen und es gibt Lambrusco-Weine, die sich roséfarben präsentieren.
Lange Zeit galt der Lambrusco in Deutschland als relativ einfacher Wein, der geschmacklich nicht viel zu bieten hat und einen „einschläfernden“ Effekt auf den Körper hat: Der Lambrusco, den Weinkenner heute unter dem Wein verstehen, hat mit diesem einfach hergestellten Wein wenig zu tun.
Viele Spitzenerzeuger von Lambrusco-Weinen besinnen sich heutzutage auf die Wurzeln des legendären Perlweins und stellen Weine her, die von Weinliebhabern geschätzt und von Profis prämiert werden. Der Lambrusco hat seinen Ruf als primitiven, Kopfschmerzen bereitenden Perlwein längst abgelegt.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig