Es war eine blutige Schlacht, die sich im Jahre 451 n. Chr. auf den Hügeln der Champagne abspielte: Die Hunnen unter König Attila kämpften gegen das Römische Reich. Die Hunnen drangen über den Rhein in das Römische Reich ein und hatten auf ihrem Schlachtzug Amiens, Reims, Metz und Straßburg verwüstet. 

Attila der Hunne

In einer Gegend, die heute Champagne genannt wird, trafen die Römer und die Hunnen zusammen: «La Champagne» wurde eine der blutigsten Kriegsschauplätze der Spätantike.
Attila konnte die Schlacht nicht für sich entscheiden: Die Römer siegten und Attila der Hunne musste sich aus Gallien zurückziehen.
Champagner: Heute ist das ein Getränk, das in der gesamten Welt für feierliche Anlässe und freudige Zusammenkünfte steht. Doch was ist die Geschichte hinter dem glamourösen Getränk? Ist sie so glamourös wie der Ruf des Getränks?

Die ersten Weinberge in der Champagne

Die Römer errichteten die ersten Weinberge an einem Ort, der später «Champagne» getauft wurde. Als 79 n.Chr. der Vesuv ausbrach, begrub er nicht nur Pompeji.
Er begrub auch einige der ertragreichsten römischen Weinberge unter seinen Lavamassen. Der römische Kaiser Domitian erließ eine Order: Um die Weinknappheit zu bekämpfen, sollten Getreidefelder zu Weinbergen umfunktioniert werden. Das spielte der zukünftigen Champagne in die Karten – zunächst.
Es ging solange gut, bis sich die Weinknappheit in eine Brotknappheit umwandelte: Weniger Getreidefelder bedeutete weniger Brot. 

Es folgte die nächste Order: Alle Weinberge der Champagne – dieses Mal betraf es explizit die spätere Champagne – sollten zu Getreidefeldern umgegraben werden. Zur Durchsetzung der Order wurden Legionäre gesandt. 
Aus der Traum von Weinbergen in der Champagne.
Es sollten zwei Jahrhunderte ins Land ziehen, bis die Champagne wieder in den Fokus des Weinanbaus gerückt wurde. Hoffnung für die Champagne kam auf, als Marcus Probus die Kaiserkrone des Römischen Reiches annahm. 

Kaiser Probus: Förderer des Champagners

Kaiser Probus galt als großer Förderer des Weinbaus: Er soll den Bewohnern von Gallien, Hispanien und Britannien erlaubt haben, Reben zu besitzen und Wein herzustellen.
Die Bewohner der Champagne ließen sich das nicht zweimal sagen: Jetzt hatten sie nicht nur die Genehmigung, wieder Wein anzubauen, Kaiser Probus sandte ihnen sogar Legionäre, um die angehenden Winzer bei ihrem Vorhaben zu unterstützen. 

Chlodwig I.

Der Wein, der damals in der Champagne produziert wurde, war weit von dem entfernt, das sich heute Champagner nennt: Er war still. Außerdem war es nicht möglich, Wein über lange Strecken zu transportieren. Wenn Wein getrunken wurde, war er aus der jeweiligen Region: Wein aus der Champagne war somit einer von vielen Regionalweinen, den die örtliche Bevölkerung trank.
496 n. Chr. ist die erste geschichtliche Erwähnung von Wein aus der Champagne: Chlodwig I., der erste König des Frankenreichs, ließ sich in der Kathedrale von Reims taufen. Serviert wurde der örtliche Wein: Champagner.
Fortan ließ sich nahezu jeder französische Herrscher in der Kathedrale von Reims krönen. 

Dom Pérignon und die Méthode champenoise

Das Jahr 1660 wird oft als Geburtsjahr des Champagners aufgeführt: In England wurde Wein in Fässern aus der Champagne erworben und in Flaschen gelagert. Durch Hefe- und Zuckerreste kam es in den Flaschen zu einer Nachgärung im warmen Frühjahr: Damals kannte man nicht die chemischen Hintergründe, man bewunderte aber den unbewusst entstandenen Schaumwein. Doch es dauerte nicht lange, bis man hinter das Geheimnis kam: Bald schon wurde den Flaschen systematisch Zucker hinzugefügt, sodass man die Nachgärung kontrollieren konnte.

Dom Pérignon, ein französischer Mönch des Benediktinerordens, entwickelte die später als Méthode champenoise getaufte Flaschengärung maßgeblich. Heute wird diese Methode nicht nur für Champagner, sondern auch für andere Schaumweine angewandt – darunter deutscher Winzersekt, Crémant und Cava.

Der Sonnenkönig und sein Teufelswein

Es war neben Chlodwig I. noch ein französischer König, der in der Geschichte des Champagners eine große Rolle spielte: Der Sonnenkönig, Ludwig XIV. Bei seinen zahlreichen und überdimensionierten Essgelagen, für die Versailles berühmt wurde, stand ein Wein auf der Speisekarte: Champagner. Ludwig XIV. bevorzugte Wein aus der Champagne: Sein Finanzminister Colbert stammte aus Reims und brachte den Wein an den französischen Königshof.
Der Wein, der damals aus der Champagne kam, war größtenteils stiller Rotwein, Weißwein und zu einem sehr geringen Teil Schaumwein: Den Schaumwein hatte man nicht unter Kontrolle. Der Gärdruck trieb die damaligen Glasflaschen ans Limit: Sie explodierten. Die Franzosen tauften dieses Phänomen la casse [dt. „Scherben“]. Bis ins 18. Jahrhundert hinein blieb la casse ein Grund für die Winzer der Champagne, sich von Schaumwein fernzuhalten. Moussierender Champagner galt zu dieser Zeit als Teufelswein.
Wegen der extrem hohen Ausfälle durch la casse war Champagner damals exorbitant teuer und blieb dem Hochadel vorbehalten. 

Champagner – rein französisch?

Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts war eine Phase des Aufbruchs für den Champagner: Die wirtschaftlichen Systeme Westeuropas standen vor einer Veränderung. Es bildete sich ein Unternehmergeist, der vorher durch die staatlich geregelte Wirtschaft nicht aufblühen konnte.
Das wirkte sich auf die Champagne aus: Es wurden Champagnerhäuser gegründet, die bis heute den Markt bestimmen. Doch es waren nicht nur Franzosen, die am Erfolg des Champagner-Marketings beteiligt waren.
„Es gibt tatsächlich kein einziges Weinhaus in der gesamten Champagne, das nicht mehr oder weniger unter der Leitung eines Deutschen steht“, heißt es im Buch „The Champagne Country“ von 1867. Als ein Champagnerhaus, das von einem Franzosen geführt wurde, pleite ging, hieß es, „er habe keinen Deutschen im Unternehmen gehabt“. 
Deutsche Namen findet man bis heute auf Champagner-Etiketten: So zum Beispiel bei Bollinger. Das Traditionshaus wurde von Paul Renaudin und Joseph Jacob Bollinger gegründet. Die Weinberge stellte der Graf von Villermont zur Verfügung, dessen Familie schon seit Jahrhunderten Weinberge in der Champagne besaß. 
164 Hektar eigene Weinberge besitzt das Haus Bollinger heute: Außerdem ist es eines der wenigen Champagnerhäuser, die in Familienbesitz geblieben sind – viele andere Champagnerhäuser haben sich heute in internationalen Konzernen zusammengeschlossen.

Joseph Bollinger, Gründer des Champagnerhauses Bollinger
Joseph Bollinger (1803 – 1884), Gründer des Champagnerhauses Bollinger, Wikimedia Commons

Chemische Hintergründe

Im 19. Jahrhundert erlangte man das notwendige Wissen, um den Champagner zu dem zu machen, was er heute ist: 1801 ernannte Napoléon den Chemiker Jean-Antione Chaptal zu seinem Innenminister. Chaptal beschäftigte sich mit der Trockenzuckerung des Weines (nach ihm Chaptalisierung benannt), bei der gezielt Zucker während der Gärung zugegeben wurde.
Bisher musste man dafür Zucker aus der Karibik importieren: Das änderte sich, als das Landwirtschaftsministerium den Zuckerrübenanbau in Frankreich förderte.
Durch die von Jean-Baptiste François erfundene Réduction François konnte die Zuckerdosierung in den Champagnerflaschen so angepasst werden, dass die Flaschen durch den Druck nicht mehr explodierten.
Geboren war der Edelwein namens Champagner, wie man ihn heute kennt.

Champagnerkrieg: Raffiniertes Marketing

Jetzt fehlte nur noch ein Aspekt, um das Champagner-Prinzip zu vollenden: Das Marketing.
George Kessler, geboren 1863, zur damaligen Zeit einer der größten Weinimporteure Amerikas, landete 1902 einen Coup: Kaiser Wilhelm II. hatte bei einer Schiffstaufe darüber verfügt, deutschen Sekt für die Feierlichkeiten zu verwenden. 
Kessler tauschte die Flasche Sekt, die für die Schiffstaufe vorhergesehen war, durch eine Flasche Champagner aus: Der Kaiser war erzürnt. Es war ein Skandal, den man den Champagnerkrieg taufte. Der Name Champagner stand auf nahezu jedem Titelblatt und die Verkaufszahlen des Schaumweins aus der Champagne schossen in die Höhe: Ein gelungener Coup. 
Man sagt dem letzten deutschen Kaiser nach, eine Apathie gegen Champagner gehabt zu haben. Er soll sogar den „Eisernen Kanzler“ Bismarck darum gebeten haben, doch lieber deutschen Sekt statt Champagner zu trinken.

Bis heute ist es vor allem geschicktes Marketing, auf das sich die Marke Champagner gründet: Kein James-Bond-Streifen kommt ohne Bonds Bitte nach einer Flasche Champagner aus. Sogar ein Franchise wie Star Trek kommt nicht ohne das Getränk aus: In der Eröffnungssequenz von Star Trek – Treffen der Generationen fliegt eine Flasche Dom Pérignon, Jahrgang 2265, durchs All und weiht das neue Raumschiff Enterprise ein. 

Simon von Ludwig

Beitragsbild: © Simon von Ludwig

Maßgebliche Quellen: Pietsch, Reinhard: „Champagner – Eine deutsch-französische Affäre“ & Don und Petie Kladstrup: „Champagne“

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