Teil sieben (finaler Part)
Teile eins bis sechs
Ursprünglich plante Senna, für die Saison 1993 zu Williams zu wechseln. Williams-Fahrer Mansell stieg nach seinem Weltmeisterschaftstitel 1992 aus der Formel Eins aus.
Doch Senna hatte etwas nicht eingerechnet bei seinem Plan: Alain Prost, der nach einem Jahr Auszeit wieder bei Williams in die Formel Eins einstieg, hatte Vorkehrungen getroffen. In Prosts Vertrag war festgeschrieben, dass Ayrton Senna nicht sein Teamkollege werden durfte. Damit war Sennas Williams-Option für 1993 geplatzt. Ihm blieb nichts anderes übrig, als bei McLaren zu bleiben, wollte er nicht ein Jahr aussetzen.
Neuer Konstrukteur – mit großem Haken
Teamchef Ron Dennis hatte einen neuen Konstrukteur an Land gezogen: Ford, die auch Konstrukteur des Benetton-Teams mit Michael Schumacher als Fahrer waren. Doch es gab einen großen Haken: Mit Benetton hatte Ford vertraglich vereinbart, dass Ford einem zweiten Team nur Motoren aus der vorletzten Generation bereitstellen durfte. Damit war Senna alles andere als zufrieden. McLaren hatte keinen Werksmotor mehr.
Es kamen Gerüchte auf, Senna würde 1993 nicht für McLaren fahren und sich stattdessen ein Jahr Auszeit nehmen.
Im Februar 1993 ernannte McLaren Michael Andretti und Mika Häkkinen als Fahrer für die kommende Saison – keine Erwähnung von Ayrton Senna.
Doch Senna geriet in eine Zwickmühle: Er hatte sich gerade sein eigenes Geschäftsimperium Ayrton Senna Promotions aufgebaut, das er erhalten und weiter ausbauen wollte. Dafür brauchte er weiterhin eine finanzielle Basis, die ihm das ermöglichen würde.
Senna in einem IndyCar
Sennas Unzufriedenheit mit dem McLaren-Fahrzeug für 1993 ging sogar soweit, dass er in Erwägung zog, nach Amerika zu gehen: Sein Freund und zweimaliger Weltmeister Emerson Fittipaldi war bei der amerikanischen IndyCar Series eingestiegen und feierte große Erfolge.
Der Brasilianer Emerson Fittipaldi war von großer Bedeutung für Ayrton Sennas Karriere: Er war es, der Senna in den frühen Achtzigern in die Welt der Formel Eins einführte. Schon länger versuchte Fittipaldi, Senna zu einem IndyCar-Test zu überreden: Jetzt, da Senna unzufrieden in der Formel Eins war, kam dieses Testangebot gelegen…
Geheimer Test
Am 20. Dezember 1992 war es soweit: Der geheime IndyCar-Test von Ayrton Senna fand in Phoenix statt. Senna testete für das Penske Racing Team, eines der erfolgreichsten und einflussreichsten Teams der IndyCar Series. Man einigte sich darauf, den Test geheimzuhalten – trotzdem erfuhren einige Journalisten vom Test und berichteten ausführlich im neuen Jahr.
Nach 28 Runden auf der Firebird West-Strecke hatte er Emerson Fittipaldis Zeit um eine halbe Sekunde übertrumpft: Zweifellos kam Senna mit dem IndyCar-Rennauto zurecht. Ging ihm das Handling des IndyCars zu leicht von der Hand? War es keine Herausforderung für ihn?
Senna entsann sich, dass er das Handling eines Formelwagens erst mühevoll erlernen musste. Er setzte sich lieber in einen Formel Eins-Wagen, der zwar nur bedingt wettbewerbsfähig war, aber ihm dafür eine Herausforderung bot.
Außerdem: IndyCar-Rennen genießen keinesfalls den gleichen Ruf wie Formel Eins-Rennen. Alleine deshalb schon nicht, weil die amerikanische IndyCar Series eine nationale Meisterschaft darstellt und vorrangig in den USA Anhänger versammelt. Die Formel Eins hingegen reist um die Welt und versammelt nahezu überall Anhänger. Auch das dürfte bei Ayrtons Überlegungen eine Rolle gespielt haben.
Der „geheime“ Test zeigte jedoch der Öffentlichkeit und vor allem McLaren-Teamchef Ron Dennis, dass Senna bereit dazu war, nach einer Alternative zur Formel Eins Ausschau zu halten…
Rückkehr eines Rivalen
Senna verhandelte mit Ron Dennis und beide einigten sich. Anders als in den Vorjahren wurde Senna einzeln für jedes gefahrene Rennen entlohnt: Er ließ sich also offen, jederzeit auszusteigen, wenn er merkte, dass sein Fahrzeug nicht wettbewerbsfähig war.
Diese Einigung lag nicht nur in Sennas Interesse: Der Marketingchef von Marlboro, John Hogan, einer der größten Sponsoren des McLaren-Teams, drängte Ron Dennis dazu, Ayrton Senna bei McLaren fahren zu lassen.
McLarens unterlegene Motoren waren nur eine von vielen Herausforderungen 1993:
Alain Prost kehrte nach einer Auszeit in die Formel Eins zurück. Er fuhr für Williams: Das Team, das im letzten Jahr die Meisterschaft dominiert hatte.
Doch bereits beim ersten Grand Prix der Saison in Südafrika wurde deutlich, dass die Dominanz von Williams bröckelte: Zwar holte sich Alain Prost die Pole, Senna war aber nur 0,088 Sekunden hinter ihm.
Prost gewann das Rennen. Beim diesem Grand Prix überquerten nur fünf Fahrzeuge die Ziellinie – alle anderen verunfallten oder das Fahrzeug gab seinen Geist auf.
Leistung trotz unterlegenem Fahrzeug
Spätestens der Grand Prix von Brasilien zwei Wochen später setzte der Dominanz des Williams-Teams ein Ende: Ayrton Senna gewann seinen Heim-Grand-Prix. Das örtliche Publikum in São Paulo feierte seinen Sieg unter tosendem Beifall: Es war erst sein zweiter Heimsieg.
Beim nun folgenden Grand Prix von Europa im verregneten Donington gelang Ayrton Senna eine Meisterleistung: Er stellte auf dem Donington Park Circuit einen Streckenrekord von 1:18,029 auf, der bis heute ungebrochen ist. Bis heute gilt diese Runde als die großartigste Runde, die je gefahren wurde: Am jenem Sonntag, dem 11. April 1993, regnete es in Strömen. Mittlerweile hatte nicht nur das Williams-Team einen Vorteil gegenüber dem McLaren, sondern auch Michael Schumacher im Benetton: Schumachers Motor schaffte 1.500 Motorumdrehungen pro Minute mehr. Es war die neueste Entwicklungsstufe des Ford-Motors, die McLaren vorbehalten blieb.
Im Qualifying konnte Senna nur Startplatz vier ergattern. In der ersten Runde gelang es Ayrton Senna, alle vor ihm fahrenden Fahrzeuge zu überholen – er gab die Führung bis zum Rennende nicht mehr ab.
Damit war Senna WM-Führender: Angesichts der technischen Unterlegenheit des McLaren war das alles andere als selbstverständlich. Da Senna bewies, dass er auch mit einem unterlegenen Motor im Kampf um die Weltmeisterschaft mithalten konnte, kam es zu Diskussionen mit Ford: McLaren wollte den Werksmotor von Ford einbauen, der bisher Benetton vorbehalten blieb. Doch Benetton wusste das zu verhindern: Der Teamchef von Benetton Flavio Briatore pochte auf den Vertrag mit Ford, der besagte, dass nur Benetton Zugriff auf den Ford-Werksmotor hat.
Das war ein Schlag für Senna – er hatte sich erhofft, den Rest der Saison mit dem Ford-Werksmotor bestreiten zu können. Erneut erwägte Senna, auszusteigen: Das war möglich, da er auf einer race-to-race Basis entlohnt wurde und keinen festen Vertrag mit McLaren hatte.
Sein Verlangen, Rennen zu fahren, war jedoch stärker: Er sollte für die gesamte Saison von 1993 für McLaren fahren.
Kein vierter Titel für Senna
Ohne den Ford-Werksmotor schien es ein aussichtsloser Kampf für Ayrton Senna zu sein: Alain Prost holte ihn im WM-Kampf auf. Nur einmal noch konnte Ayrton Senna die WM-Führung übernehmen: Nach dem Grand Prix von Monaco, den er zum sechsten Mal in seiner Karriere gewann, hatten er und Alain Prost jeweils drei Rennen gewonnen. Doch Senna wusste, dass es nicht anhalten würde. Ab dem 7. Rennen in Kanada gab Alain Prost die Führung bis zum Saisonende nicht mehr ab und wurde Weltmeister. Nach seinem dritten Titel entschloss sich Prost, seine Formel Eins-Karriere zu beenden.
Zur Formel Eins Saison von 1994 war es endlich soweit: Ayrton Senna konnte einen Platz im Williams-Team ergattern. Die offizielle Ankündigung erfolgte am 11. Oktober 1993. Sein Teamkollege: Michael Schumacher.
Beim ersten Rennen in seiner Heimat Brasilien konnte Senna sich zwar die Pole-Position holen, aber Schumacher siegte. Genauso beim Grand Prix des Pazifiks.
Doch beim Grand Prix von San Marino ereignete sich der Unfall, an den viele Motorsport-Enthusiasten sich noch erinnern, als wäre es gestern gewesen…
Maßgebliche Quellen: Rubython, Tom: „Ayrton Senna: The Life of Senna“, 2004 BusinessF1 Books & Jones, Bruce: „Ayrton Senna – Portrait of a racing legend“, 2019 Carlton Books.