In der Nähe des Städtchens Cheddar in der südwestenglischen Grafschaft Somerset gibt es eine „Cheddar Gorge“ (dt. „Cheddar-Schlucht“): In jener Schlucht wurde schon vor Jahrhunderten Milch und Käse gelagert. Die von Höhlen durchzogene Schlucht blieb selbst im Hochsommer kühl und wirkte wie ein natürlicher Kühlschrank – man munkelt, dass in jener Cheddar Gorge der erste Cheddar entstanden ist.
Im zwölften Jahrhundert bezeichnete der englische König Heinrich II. den Cheddar als seinen Lieblingskäse – die Vorliebe für den Cheddar blieb fortan fest in der englischen Königsfamilie verankert. So bekam Königin Viktoria anlässlich ihrer Hochzeit 1840 einen Cheddar-Laib geschenkt, der 500 Kilogramm auf die Waage brachte.
Ursprünglich wurde Cheddar-Käse in Südengland hergestellt: Im Laufe des 20. Jahrhunderts trat der Käse aber die Reise um die Welt an, würde man Cheddar nur in England herstellen, wäre es unmöglich, den weltweiten Bedarf des Käses zu bedienen. Die Bezeichnung Cheddar alleine ist nicht geschützt, weshalb inzwischen auch ganz andere Produkte unter dem Namen Cheddar vertrieben werden, die mit dem ursprünglichen Erzeugnis aus Somerset nur wenig gemein haben. 

Wie viel Cheddar heutzutage am englischen Königshof verzehrt wird, ist nicht bekannt.

Mythen und Legenden

Rund um die Entstehung und Erfindung des Cheddar ranken sich – wie bei so vielen anderen Käsesorten – zahlreiche Mythen: Die Legende, nach der ein Milchmädchen einst einen Topf mit Milch in einer Höhle der Cheddar-Schlucht vergessen haben soll, dann Tage später zurückgekehrt sei und Käse vorgefunden haben soll, ist zwar nicht undenkbar: Doch jenes Erzeugnis, das das Mädchen Tage später womöglich vorfand, hatte wohl wenig gemein mit dem Cheddar, wie man ihn heute kennt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Menschen im südwestenglischen Somerset auf diese oder eine ähnliche Weise die Käseherstellung entdeckten und damit eine Möglichkeit, Milch haltbar zu machen. Im Mittelalter war der Cheddar ein regionales Erzeugnis aus Südwestengland, das vor Ort auf zahlreichen Märkten angepriesen wurde und außerhalb dieser Region vor allem adligen Kreisen vorbehalten war. Das Faible des englischen Königshauses für den traditionellen Käse hielt bis in die Frühe Neuzeit an – wie viel Cheddar heutzutage am englischen Königshof verzehrt wird, ist allerdings nicht bekannt.
Was zeichnet den Cheddar aus und wodurch hebt er sich von anderen Käsesorten aus aller Welt ab? 

West Country Farmhouse Cheddar

Die Produktion des traditionellsten aller Cheddar-Sorten, des West Country Farmhouse Cheddar, läuft nach einem klar festgelegten Pflichtenheft ab: Schließlich ist jene Bezeichnung im Unterschied zum gängigen Cheddar geschützt. Jener Cheddar wird im Unterschied zum industriell hergestellten Cheddar auch Bauern-Cheddar genannt. West Country Farmhouse Cheddar ist insbesondere dadurch zu erkennen, dass er über keine orange Farbgebung verfügt wie viele industriell hergestellten Cheddar-Sorten: Mit der orangen Farbgebung wollte man ursprünglich die Farbe eines Käses imitieren, der mit besonders hochwertiger Sommermilch hergestellt wurde. Heute wird die orange Farbgebung durch Zusatz des Pflanzenfarbstoffs Annatto erreicht, beim traditionellen West Country Farmhouse Cheddar wird darauf verzichtet.
Wohingegen bei traditionell hergestelltem Cheddar häufig Rohmilch zum Einsatz kommt, wird bei industrieller Produktion die Milch ausnahmslos pasteurisiert: Besonders der Artisan Somerset Cheddar – hergestellt in der Ursprungsregion rund um die Stadt Cheddar – ist bei Käse-Liebhabern beliebt, da er immer aus Rohmilch hergestellt wird. 

Erste Herstellungsschritte

In jedem Fall beginnt der Herstellungsprozess damit, dass der erwärmten Milch eine Bakterienkultur zugegeben wird, welche die Milch fermentiert: Der typische Cheddar-Geschmack geht hauptsächlich auf die verwendete Bakterienkultur zurück.
Durch den anschließenden Zusatz von Lab gerinnt die Milch: Die Milch ist nun dickflüssiger und befindet sich in einem Zustand, den man als Dickete bezeichnet. Diese Dickete wird vom Käser zerkleinert: Damit trennt der Käser die Molke (den flüssigen Teil der Milch) vom vom Käsebruch (dem festen Teil der Milch). Das hierbei entstehende Gemisch wird nun unter ständigem Rühren auf 40 Grad Celsius erwärmt – im Laufe dieses Vorgangs fermentiert das Gemisch weiter und wird langsam sauer. Nach Erreichen des gewünschten Säuregrades wird die Molke abgelassen.
Im Kessel befindet sich nun noch der Käsebruch, der langsam zu einer festen Masse wird.
Nun folgt jener Produktionsschritt, der dem Cheddar sein Herz und seine Seele verleiht…

Das „Cheddaring“ ist der Grund, weshalb sich der Cheddar von anderen Käsesorten abhebt.

Cheddaring und Reife

Der nächste Schritt wird als „Cheddaring“ bezeichnet und ist der Grund, weshalb sich der Cheddar von anderen Käsesorten abhebt: Die Käsebruch-Rechtecke, die vorher entstanden sind, werden bei diesem Schritt mehrmals gewendet und übereinander gestapelt. Hierdurch versucht der Käser so viel Molke wie möglich aus dem Käsebruch abzulassen. Auch während dieses Schritts hat der Käser den Säuregehalt im Blick – wenn der erwünschte Grad der Säure erreicht ist, werden die großen Käse-Rechtecke zerkleinert und gepresst, die nun entstandenen kleinen Käsestücke werden gleichmäßig gesalzen. Anschließend werden die kleinen Käsestücke in zylinder- oder quaderförmige Formen gepresst. Bei der traditionellen Herstellung von Cheddar werden die Laibe nun mit in Schweinefett getränkten Musselintüchern umwickelt, was für eine zusätzliche Verstärkung des Geschmacks sorgt. Bei diesem Arbeitsschritt kommt in manchen Käsereien auch pflanzliches Fett zum Einsatz. Nun ist der Cheddar bereit dafür, einige Monate zu lagern und zu reifen – eine fest vorgeschriebene Reifezeit beim Cheddar gibt es nicht, meist beträgt die Reifezeit einige Monate. 

Ein Cheeseburger ohne Cheddar? Undenkbar.

Für Cheddar gibt es unzählige Anwendungsmöglichkeiten: Traditioneller Cheddar aus dem Ursprungsgebiet im Südwesten Englands wird häufig für sich alleine genossen oder mit einer leicht gebutterten Scheibe Brot. Ein traditioneller Cheddar wie der West Country Farmhouse Cheddar wäre verschwendet, wenn man ihn als eine von zahlreichen Zutaten auf einem Cheeseburger verwenden würde – dort könnte er seinen Geschmack nicht entfalten.
Auf einem typischen Cheeseburger kommt typischerweise industriell hergestellter Cheddar zum Einsatz: Dank des Herstellungsschritts des Cheddaring teilt sich der industriell hergestellte Cheddar den entscheidenen Produktionsschritt mit den traditionelleren Cheddar-Pendants – ein echter Cheeseburger, bei dem das Burger Pattie nicht mit einer Scheibe Cheddar belegt wird, ist kaum denkbar.
In den USA steht der Cheddar auf Platz zwei der meistgegessenen Käsesorten: Nur der Mozzarella wird häufiger gegessen. Kein Wunder, denn die Anwendungsmöglichkeiten des ursprünglich aus Südwestengland stammenden Käses sind schier unbegrenzt – so kommt der Cheddar beispielsweise auch als Schmelzkäse bei verschiedenen Gerichten zum Einsatz.
Hommagen an die jahrhundertelange Tradition des Cheddars wie der West Country Farmhouse Cheddar oder der aus Schottland stammende Orkney Scottish Island Cheddar, der bis zu 18 Monate reift, lassen die Herzen von Käseliebhabern höher schlagen, die sich fernab der industriell hergestellten Käsesorten für die Ursprünge des in aller Welt bekannten Käse begeistern.

Simon von Ludwig


Beitragsbild: Black Wax Farmhouse Cheddar aus Südwestengland, © Simon von Ludwig


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