Bereits mit dreizehn Jahren soll der junge Hans Albers die Tapete seines Kinderzimmers mit seinem Namenszug vollgekritzelt haben: Als der Vater, Besitzer einer Großschlachterei in Hamburg, Wind davon bekam, dass sein junger Sohn heimlich Schauspielunterricht nahm, verbannte er seinen Sohn nach Frankfurt. Dort ging er tagsüber einer Arbeit als Aushilfskraft in einer Seidenfirma nach – sein Traum vom Schauspiel ging jedoch zwischen all den Seidengarnen nicht verloren.
So kam es, dass Hans Albers 1911 im Lustspiel Der zerbrochene Krug zum ersten Mal auf einer Bühne stand: Gewiss spielte er keine Rolle, die für den Verlauf der Handlung bedeutend war, dennoch war es sein Einstieg in die Welt des Theaters. Auf seinen ersten Bühnenauftritt folgte ein Engagement auf einer Provinzbühne im sächsischen Bad Schandau: Auf den Provinzbühnen lernte der junge Hans Albers sein Handwerk. 

Ein „Unglück“? Weit gefehlt.

In seinen jungen Jahren hatte Hans Albers starken Gegenwind von den Kritikern: Manche Kritiker gingen sogar soweit, den jungen Hans Albers als ein „Unglück“ zu bezeichnen. Doch Albers ließ sich nicht beirren und steckte die Kritik weg: Das Schauspielen war seine Berufung, dessen war er sich sicher.
Als der Erste Weltkrieg begann, lag es nicht in seinem Interesse, zum Kriegsheld zu werden: 1915 versetzte man den jungen Albers zunächst nach Saarbrücken, bevor er wegen einer Verwundung nach Wiesbaden gebracht wurde. Kaum war seine Verletzung dort verheilt, stand er schon wieder auf der Bühne: Am Wiesbadener Residenz-Theater trat Hans Albers in Lustspielen, Possen und Operetten auf. Anschließend führte der Weg für den jungen Schauspieler nach Berlin: Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete nicht, dass die Filmindustrie am Ende war – der Bedarf an Filmen war so hoch wie nie. Unter Schauspielern kursierte damals der Tipp, um Berlin einen großen Bogen zu machen – die ersten in Berlin gedrehten Filme nach dem Ersten Weltkrieg waren nicht gerade vielversprechend für einen Theaterschauspieler, der Rollen mit Tiefgang spielte. 

Für Albers war der aufkommende Film und die Theaterlandschaft von Berlin nach dem Ersten Weltkrieg die Chance schlechthin, sich als Schauspieler zu beweisen.

Der Film war jung

Hans Albers sah das ganz anders: Für ihn war der aufkommende Film und die Theaterlandschaft von Berlin nach dem Ersten Weltkrieg die Chance schlechthin, sich als Schauspieler zu beweisen. In Berlin traf Albers auf die Sopranistin Claire Dux, die damals als die Primadonna der Berliner Staatsoper gefeiert wurde: Die beiden verliebten sich ineinander und für Albers war es zum ersten Mal möglich, dank seiner Verbindung zu Dux an bedeutendere Engagements heranzukommen. War er bisher nur eine Lachnummer aus der Provinz, nahm man den jungen Albers in der Hauptstadt nun schon ernster.
Wie sah die Filmlandschaft im Berlin kurz nach dem Ersten Weltkrieg aus? Es gab dutzende Produktionsgesellschaften, die von Spekulanten gegründet wurden, um mit den Verfilmungen von Groschenromanen schnelles Geld zu verdienen. Viele Filme wurden mit einer Drehzeit von unter einer Woche abgedreht – so auch der erste Film, in dem Hans Albers 1917 mitspielte.
Es sind über hundert Stummfilme, in denen Hans Albers bis zum Ende der Zwanziger mitspielt: „Er verdient gut, kann sich ab Mitte der zwanziger Jahre ein Zimmer im Hotel Adlon leisten, zeigt sich bei Sechstagerennen und Boxveranstaltungen, steht auch schon mal in den hauptstädtischen Klatschspalten, aber er ist immer noch nicht mehr als ein fescher Provinz-Heini.“, schreibt Hans-Christoph Blumenberg in seiner Biographie über den Schauspieler zu dieser Zeit. Würde aus Hans Albers jemals mehr werden als ein „fescher Provinz-Heini“? Mittlerweile wusste er genug über die Welt des Films, um kontinuierlich an seinem Image zu arbeiten… 

Goldene Zwanziger

1929 spielte Hans Albers in Die Nacht gehört uns in einem der ersten deutschen Tonfilme mit: Für einen Schauspieler, der bisher ausschließlich in Stummfilmen mitgewirkt hatte, stellte der Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm eine große Herausforderung dar.
Für Hans Albers war das kein Problem: Mit dem Aufkommen des Tonfilms nahm Albers’ Karriere erst so richtig an Fahrt auf.
Anfang der Dreißiger wird der Mythos Hans Albers, wie man ihn heute noch kennt, geboren: Hinzu kam, dass Albers in seinen Filmen besonders häufig Lieder zum Besten gab – wenn Albers ein Lied in einem neuen Film sang, konnte man sich sicher sein, dass jedermann schon bald das neue Hans Albers-Lied kannte.
Seine Stärke zu dieser Zeit lag in der „unverschämtesten Natürlichkeit“ seines Schauspiels, wie Hans-Christoph Blumenberg in seiner Biographie beschreibt: Ende der Zwanziger legte Hans Albers alle Fesseln ab, die ihm vom Schauspielen am Theater angelegt worden waren. Damit war Albers der geborene Revuen- und Operettenschauspieler. Die Affektiertheit, die man manchem Theaterschauspieler damals nachsagte, legte Albers gänzlich ab und fokussierte sich auf ein natürliches, realitätsnahes Schauspiel. Außerdem bot der Tonfilm eine einmalige Chance für den Schauspieler, auch einem Publikum bekannt zu werden, das nicht regelmäßig Revuen im Berlin der Goldenen Zwanziger besuchen konnte.

Anfang der Dreißiger war er ein gefragter Schauspieler.

UFA-Studios

In der Tragikomödie Der blaue Engel (1930) spielte Hans Albers unter der Regie von Josef von Sternberg: Marlene Dietrich wurde mit diesem Film zu einem gefeierten Star und noch in der Nacht der deutschen Premiere reiste sie nach Amerika ab.
Hans Albers spielte in Der blaue Engel eine Nebenrolle: Damals war das ungewöhnlich, da Albers inzwischen daran gewöhnt war, die Hauptrolle zu spielen. Gerüchten zufolge soll sich einer der Hauptdarsteller, Emil Jannings, dafür eingesetzt haben, entscheidende Szenen mit Hans Albers aus der finalen Fassung des Films herauszuschneiden. So etwas konnte dem Schauspieler Albers jedoch nichts mehr anhaben: Anfang der Dreißiger war er ein gefragter Schauspieler, der sich keine Gedanken mehr machen musste um Theater- und Filmengagements. Mit den UFA-Studios feierte Hans Albers Anfang der Dreißiger große Filmerfolge, darunter FP. 1 antwortet nicht (1932): Die Filmsongs Flieger, grüß’ mir die Sonne und Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht waren nicht minder große Erfolge. 

Alte Zeiten

In den Dreißigern und Vierzigern realisierte Hans Albers zahlreiche Filmprojekte: Hans Albers schaffte es, sich im totalitären NS-System weitestgehend unter dem Radar der Verantwortlichen zu bewegen. Regelmäßig beobachtete das Propagandaministerium mit Argwohn, dass sich Hans Albers dem System nicht vollends unterwarf – gleichzeitig wusste man aber, dass man auf einen Schauspieler vom Kaliber eines Hans Albers angewiesen war. „Das totalitäre System hat tote Winkel.“, formuliert Hans-Christoph Blumenberg in seiner Albers-Biographie: Für Albers war die Zeit von 1933 bis 1945 sicherlich keine einfache Zeit, dennoch konnte er es sich – aufgrund seiner Beliebtheit – im Vergleich zu anderen Schauspielern leisten, der NS-Linie nicht einhundertprozentig folgsam zu sein.
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem Wiedersehen mit einer alten Bekannten: Man erzählt sich, Marlene Dietrich sei 1945 mit ihrem alten Freund durch den inzwischen verwilderten Garten der Hans Albers-Villa am Starnberger See gewandert und soll mit ihrem alten Bekannten in alten Zeiten geschwelgt haben. Die beiden waren sich zum ersten Mal bei den Dreharbeiten zum Stummfilm Eine Dubarry von heute (1926) begegnet. Hans Albers war einen ganz anderen Weg gegangen als Marlene Dietrich: Anstatt sich für eine Emigration in die Vereinigten Staaten zu entschließen, verewigte sich Albers mit deutschen Produktionen wie Der Mann, der Sherlock Holmes war (1937), Carl Peters (1941) und Münchhausen (1943). 

Würde Hans Albers das gleiche Schicksal ereilen?

Nachkriegsarbeiten

Die späten Vierziger und die frühen Fünfziger waren eine Phase der Unsicherheit für den Schauspieler Hans Albers: Das System, in dem er ein gefragter Schauspieler war, gab es nicht mehr. Viele Schauspieler, die in den NS-Jahren große Erfolge feierten, fielen nach dem Zweiten Weltkrieg in Ungnade und standen nie wieder auf einer Theaterbühne oder vor einer Filmkamera. Würde Hans Albers das gleiche Schicksal ereilen?
Nach einer Delle, die nach dem Zweiten Weltkrieg mehrere Jahre andauerte, wurde Albers’ Schauspielkarriere wiederbelebt: Der Spielfilm Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (1954), in dem Albers an der Seite von Heinz Rühmann spielte, ist heute einer der bekanntesten Produktionen mit Albers in der Hauptrolle und gilt als deutscher Unterhaltungsfilm par excellence.
Weitere bedeutende Werke in Albers’ später Karriere waren Der letzte Mann (1955) an der Seite von Romy Schneider und Das Herz von St. Pauli (1957), in dem auch Gert Fröbe mitspielte.

Vermächtnis – Hamburger Jung

Hans Albers nimmt seinen Platz ein unter den bedeutendsten deutschen Leinwand- und Theaterschauspielern des 20. Jahrhunderts: Trotz der widrigen Umstände seiner Zeit kam es für den Schauspieler niemals infrage, in einem anderen Land Filme zu drehen. Er überdauerte mit seiner Schauspielkunst den Übergang vom Stummfilm zum Tonfilm und den Niedergang des NS-Kultursystems, in dem Albers trotz seiner kritischen Einstellung keine unwichtige Rolle spielte. Man kann davon ausgehen, dass er als bekannter Schauspieler für das System wesentlich mehr bedeutete, als das System für ihn persönlich bedeutete. Erfolgreich bewegte er sich in den „toten Winkeln eines totalitären Systems“ (Blumenberg) und garantierte, dass etwas übrig blieb von dem Erbe jener Film- und Theaterschaffenden, die in der goldenen Weimarer Zeit groß geworden waren. Obwohl Albers einen Großteil seines Lebens am Starnberger See verbrachte, blieb er seiner Geburtsstadt Hamburg lebenslang verbunden, wo er nach seinem Tod 1960 auch begraben wurde.

Simon von Ludwig


Maßgebliche Quelle: Blumenberg, Hans-Christoph. In meinem Herzen, Schatz …: Die Lebensreise des Schauspielers und Sängers Hans Albers, 2016 FISCHER

Beitragsbild: Hamburg, Speicherstadt, Zollfreilager (Hans Albers‘ Geburtsstadt)
Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Enz, Dieter / Com_LC1833-006-002 / CC BY-SA 4.0


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