Ella Fitzgerald sagte einst, sie sei die beste Sängerin, die eigentlich gar keine Stimme habe: Hildegard Knef zählt zu den bekanntesten deutschen Schauspielerinnen und Sängerinnen des 20. Jahrhunderts. Hört man sich ein Hildegard Knef-Chanson an, sind es vor allem die Arrangements, die faszinieren: Hildegard Knef war es vergönnt, mit den besten Orchesterleitern ihrer Zeit zusammenzuarbeiten. So arbeitete sie für ihre Platten mit Bert Kaempfert, Kurt Edelhagen und Gert Wilden zusammen. All diese Orchesterleiter haben eines gemeinsam: Sie prägten den typischen Sound des deutschen Chansons nach dem Zweiten Weltkrieg. Die rauchige Stimme der Knef lebte nicht etwa von ihrem tonalen Umfang: Die Stimme der Knef lebte von den Texten, die sie interpretierte. Ihre zutiefst ironischen Texte, die sich nicht selten mit den Illusionen des menschlichen Lebens beschäftigten, machen die Knef-Chansons zu einem einmaligen Phänomen.
Zeichnerin
Alles fing mit einer Ausbildung zur Zeichnerin in den Berliner UFA-Tonfilmstudios an.
Egal, was kommen würde: Hildegard Knef war sich früh im Klaren darüber, dass sie irgendetwas mit der Bühne machen wollte.
In ihren Memoiren beschreibt Hildegard Knef, wie sie von 7 Uhr 30 morgens bis 18 Uhr 30 abends in allen Dingen ausgebildet wurde, die das Zeichnen für die UFA-Filmstudios erforderte.
Dass Hildegard Knef eines Tages von der Filmabteilung dazu eingeladen wurde, vor die Kamera zu treten, war nicht zuletzt auf die äußeren Umstände Ende des Zweiten Weltkriegs zurückzuführen: Das, was von den UFA-Filmstudios noch übrig war, wurde von einigen wenigen Menschen zusammengehalten. Die meisten begabten männlichen Schauspieler wurden zum Kriegsdienst eingezogen und Schauspielerinnen waren rares Gut.
Probeaufnahmen
Obwohl sich Hildegard Knef in den – wegen den Bombenangriffen mittlerweile fensterlosen – Räumen des UFA-Zeichenstudios langweilte, war sie genau dort, wo sie hinwollte: Die Welt des Theaters und des Kinos war ihr so nah wie nie zuvor.
Zunächst war sie von einem Mitarbeiter der UFA-Werbeabteilung dazu eingeladen worden, Probeaufnahmen zu machen: Als sie daraufhin monatelang nichts hörte, nahm sie die Sache selbst in die Hand – typisch Knef eben. Folgt man ihren Memoiren, habe sie eines Tages den Filmchef der UFA in der Kantine abgepasst und ihn damit konfrontiert, dass sie auf ihre Probeaufnahmen immer noch keine Antwort erhalten hatte. Eine werdende Zeichnerin konfrontiert den Filmchef der UFA wegen Probeaufnahmen? Das beeindruckte den Filmchef offenbar sosehr, dass er Knefs Namen so schnell nicht mehr vergaß.
So kam es, dass die junge Hildegard Knef ab 1943 nicht mehr als Zeichnerin, sondern als Schauspielerin ausgebildet wurde.
Schauspielausbildung im Bombenhagel
In den Wirren des Zweiten Weltkriegs absolvierte Hildegard Knef eine Ausbildung zur Schauspielerin. Ihre ersten Schauspielerfahrungen sammelte Knef im Bombenhagel – Theatervorstellungen in Berlin waren in den letzten Kriegsjahren schier unmöglich, da der Fliegeralarm ständig die Vorstellungen unterbrach.
Nach Kriegsende erhielt Hildegard Knef ihr erstes Engagement an der Tribüne am Berliner Kurfürstendamm: Mit diesem Engagement katapultierte sich Hildegard Knef in der Theaterwelt der Nachkriegszeit ganz nach vorne. Deutschland hatte nur noch wenige hochkarätige Schauspielerinnen zu bieten, die meisten waren längst ausgewandert. Schauspieler, die vor dem Krieg berühmt waren, fielen nach Kriegsende zuhauf in Ungnade und waren unerwünscht.
Während der letzten Monate des Zweiten Weltkriegs wirkte Hildegard Knef in verschiedenen Produktionen mit, die allesamt jedoch erst nach dem Ende des Krieges in den Kinos zu sehen waren.
Die Stunde der Hildegard Knef war gekommen: Im allerersten deutschen Film der Nachkriegszeit Die Mörder sind unter uns (1946) spielte Hildegard Knef die Hauptrolle und räumte zahlreiche positive Kritiken ab: Die Filmkritiker beförderten die junge Schauspielerin mit ihrer ersten großen Filmrolle überhaupt bereits zur Charakterdarstellerin.
Kaltgestellt
Der amerikanische Filmproduzent David O. Selznick entdeckte Hildegard Knef in Die Mörder sind unter uns und bot der Schauspielerin Ende der Vierziger einen Vertrag in Hollywood an. Welche Schauspielerin lehnt in jungen Jahren einen Hollywood-Vertrag ab? Knef akzeptierte.
Doch was nun folgte, bezeichnete Knef in späteren Interviews häufig als „verlorene Zeit“: Zwar erhielt sie wöchentlich ein attraktives Gehalt, doch ihre Karriere war auf Eis gelegt. Später stellte Hildegard Knef gar die Vermutung an, man habe ihre Karriere ganz bewusst auf Eis gelegt, um die amerikanische Filmindustrie in Europa unmittelbar nach Kriegsende bestmöglich zu etablieren und die europäische Filmkultur in den Hintergrund zu rücken. Zwar lernte Hildegard Knef in dieser Zeit die englische Sprache und lernte Filmstars wie Marlene Dietrich kennen, die sich schon bald als Seelenverwandte entpuppte. In ihren Memoiren beschreibt Knef, wie Marlene Dietrich sie als Neuankömmling unter ihre Fittiche nahm und ihr genauestens erklärte, wie sie im amerikanischen Showbusiness überleben würde.
Aber: Wie Knef später sagte, zum Englischlernen braucht man keine drei Jahre. Hildegard Knefs erste Begegnung mit Hollywood verlief nicht gerade positiv.
Cole Porter
Nach der Hollywood-Enttäuschung kehrte Hildegard Knef im August 1950 nach Deutschland zurück: Sie sollte unter der Regie von Willi Forst in Die Sünderin (1951) spielen. Wegen einer kurzen Nacktszene mit Hildegard Knef löste der Film einen internationalen Eklat aus, steigerte aber gleichzeitig die Popularität von Hildegard Knef enorm. Ihr großer Durchbruch war es dennoch nicht, später äußerte Knef gar die Ansicht, Die Sünderin sei aus darstellerischer Sicht ihr schlechtester Film gewesen. Im Melodram Illusion in Moll (1952) spielte Hildegard Knef an der Seite von Hardy Krüger.
In der Verfilmung des gleichnamigen Hemingway-Klassikers Schnee am Kilimandscharo [The Snows of Kilimanjaro, 1952] sang Knef zwei Cole Porter-Lieder. Cole Porter sah den Film und war so begeistert von Knef, dass er sie für seine nächste Broadway-Inszenierung engagierte.
Jene Broadway-Inszenierung bedeutete der internationale Durchbruch für Knef: Damals wie heute ist es äußerst ungewöhnlich, dass ein deutscher Schauspieler am Broadway debütiert. Im Cole Porter-Musical Silk Stockings trat Hildegard Knef von 1954 bis 1956 insgesamt 675 Mal auf.
Es waren acht Vorstellungen die Woche: Rückblickend bezeichnete Knef dieses Engagement als extrem kräftezehrend, dennoch bildete es die Grundlage für ihren weiteren Ruhm. Marlene Dietrich, die zur gleichen Zeit in New York war, kochte während ihres Broadway-Engagements für Knef.
Chansonsängerin
In den Sechzigern wagte sich Hildegard Knef an das Genre des Chansongesangs heran: Es war Hildegard Knefs ‚zweite Karriere‘. In den Sechzigern hatte Hildegard Knef beispiellosen Erfolg mit Schallplattenaufnahmen. Mit Chansons wie Er war nie ein Kavalier, Für mich soll’s rote Rosen regnen oder Von nun an ging’s bergab feierte Knef große Erfolge. Mit Chansons wie Berlin, Dein Gesicht hat Sommersprossen brachte Knef ihre Verbundenheit zu ihrer Heimatstadt zum Ausdruck. Egal, wo sie war, sie war Zeit ihres Lebens eine Berliner Schnauze.
Damals gab es keine Stimme, die der Knef-Stimme auch nur annähernd ähnlich war: Sie klang leicht rauchig, mit enormer Präzision und Stilsicherheit donnerte die Chansonsängerin die Textzeilen. Manchmal waren ihre Chansontexte unbequem, menschliche Illusionen und Enttäuschungen sind keine Seltenheit in Knef-Chansons.
Das Schicksal einer Generation
Man könnte sagen, Hildegard Knef war ein echter Tausendsassa: Als wären ihr zwei Karrieren als Schauspielerin und Sängerin nicht schon genug, setzte sie in den Siebzigern noch einen oben drauf und machte sich einen Namen als Schriftstellerin. Ihre Memoiren unter dem Titel Der geschenkte Gaul ist eines der bekanntesten autobiographischen Werke eines deutschen Schauspielers. Das autobiographische Werk fasziniert nicht zuletzt durch Knefs Schreibstil, durch den sich das Werk stark von anderen Memoiren abhebt.
Hildegard Knef hatte nicht bloß eine Karriere als Schauspielerin: Das Schicksal warf Hildegard Knef regelmäßig aus dem Sattel. Für sie war es unumgänglich, sich ebenfalls als Chansonsängerin und Schriftstellerin ein Standbein aufzubauen. Nicht zuletzt wegen ihrer einschneidenden Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs war die Geschichte Hildegard Knefs die Geschichte einer ganzen Generation – Knef trug die Geschichte dieser Generation mit ihrem Ruhm gewissermaßen um den Globus.
Maßgebliche Quellen: Knef, Hildegard: „Der geschenkte Gaul“, 2009 Ullstein Taschenbuch und ein Interview mit Hildegard Knef aus den Sechzigern.
Beitragsbild: Hildegard Knef in Zürich und St. Moritz, 1956
Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Metzger, Jack / Com_X-K122-001 / CC BY-SA 4.0