Fortsetzung von Teil eins
Der Komiker tat sich schwer damit, die Theaterbühne hinter sich zu lassen: Das Theater hatte einen großen Vorteil. Bei jeder Vorstellung hatte ein Theaterschauspieler die Möglichkeit, sich neu zu erfinden und Verbesserungen an seiner Interpretation vorzunehmen. Vor der Kamera galt: Einmal vom Regisseur abgesegnet, war die Szene für immer in Stein gemeißelt. Die Theaterbühne bot Louis de Funès stets einen Raum zur schauspielerischen Entwicklung, den er um keinen Preis missen wollte.
Trotzdem hatte die Filmkunst einen großen Vorteil: Die Filmkunst machte es de Funès möglich, sich zu verewigen. Hätte sich de Funès in den Fünfzigern und Sechzigern dazu entschlossen, sich weiterhin nur dem Theater zu verpflichten, wäre er bei weitem nicht so bekannt geworden.
Trotzdem erlebte Louis de Funès Anfang der Sechziger am Theater einen der größten Erfolge seiner gesamten Karriere: Mit dem Theaterstück Oscar, in dem de Funès über 600 Mal auftrat, feierte der Komiker seinen endgültigen Theaterdurchbruch.
Der Gendarm
Die Mitwirkung Louis de Funès belebte das Theaterstück Oscar wieder: Bereits in den Fünfzigern war es uraufgeführt worden, doch der Erfolg war mäßig gewesen. Mittlerweile assoziierte das Pariser Theaterpublikum den Komiker mit Oscar. 1967 wurde das nun überaus erfolgreiche Theaterstück mit de Funès in der Hauptrolle verfilmt: Die Komödie gilt als einer der besten Filme mit de Funès in der Hauptrolle.
In der Komödie Der Gendarm von St. Tropez [Le Gendarme de Saint-Tropez, 1964] feierte Louis de Funès einen seiner ersten großen Kinoerfolge: Die Rolle des Gendarms Ludovic Cruchot ist eine der klassischen Louis de Funès-Filmrollen, mit denen man ihn bis heute verbindet.
Nicht ohne Grund katapultierte die Rolle des Gendarms den Komiker an den Kinokassen ganz nach vorne: Die provinzielle Herkunft des urkomischen Gendarms Cruchot steht in starkem Kontrast zu dem luxuriösen und mondänen Ferienort St. Tropez, wo er für seine Ermittlungsarbeit hingeschickt wird.
Der Gendarm von St. Tropez wurde mit einem relativ mageren Budget realisiert: Das änderte nichts daran, dass der Film ein großer Erfolg bei den Kritikern und an den Kinokassen wurde. Der Theaterschauspieler Louis de Funès war nun auf der Kinoleinwand angekommen.
Fantomas
Anfang der Sechziger befand sich die Kinowelt im James Bond-Fieber: Mit der Premiere des ersten James Bond-Films Dr. No 1962 brach weltweit eine regelrechte Hysterie rund um die Geschichten des britischen Geheimdienstagenten aus. Das ging auch an französischen Filmproduzenten nicht vorbei: In Frankreich hieß es nicht James Bond gegen Dr. No, sondern Kommissar Juve gegen Fantomas. Der Schauspieler Jean Marais – später als Fantomas und Sandor im Film zu sehen – soll dem Regisseur André Hunebelle die Idee geliefert haben, Fantomas zu verfilmen: Der erste Film der Fastomas-Reihe erschien 1964 und basiert auf dem gleichnamigen Roman von Pierre Souvestre und Marcel Allain. Louis de Funès übernahm die Rolle des Kommissar Juve: Es war ausnahmsweise de Funès’ Aufgabe, eine Rolle etwas ernsthafter zu spielen – dennoch verstand es der Komiker, seine Rolle mit der Funès-typischen Komik zu interpretieren. Der erste Film der Fantomas-Reihe war so erfolgreich, dass man zwei Fortsetzungen drehte: Fantomas gegen Interpol [Fantômas se déchaîne, 1965] und Fantomas bedroht die Welt [Fantômas contre Scotland Yard, 1967].
Erfolge und Bekanntheit in Deutschland
1965 folgte mit der Komödie Der Gendarm vom Broadway [Le gendarme à New York] eine Fortsetzung des ersten Gendarme-Erfolges aus dem Jahre 1964: Insgesamt schlüpfte Louis de Funès im Laufe seiner Leinwandkarriere sechs Mal in die Rolle des Gendarme, zuletzt in Louis’ unheimliche Begegnung mit den Außerirdischen [Le Gendarme et les extra-terrestres, 1979]. In den deutschen Kinos wurden die Gendarme-Filme meist unter anderen Titeln vermarktet: So hieß der dritte Gendarme-Film Le gendarme se marie (1968) in den deutschen Kinos Balduin, der Heiratsmuffel. Der Name Balduin war eine deutsche Erfindung und wurde in keiner der ursprünglichen französischen Fassungen der Filme erwähnt. Insgesamt versah man sechs de Funès-Filme im deutschsprachigen Raum mit dem Titel Balduin.
Es war der Verdienst des deutschen Synchronsprechers Gerd Martienzen, der Louis de Funès in seinen Filmen stets synchronisierte, dass sich de Funès spätestens ab der zweiten Hälfte der Sechziger auch in Deutschland großer Bekanntheit erfreute: Oftmals musste man die Dialoge so verändern, dass sie mit dem französischen Original gar nichts mehr zu tun hatten – französischer Humor ist eben etwas anderes als deutscher Humor. Das Schreiben der deutschen Fassungen von de Funès-Filmen war eine Kunst für sich, die es dem Komiker möglich machte, auch außerhalb seiner Heimat Frankreich eine Fangemeinde aufzubauen.
Einmaliges Talent
In den Sechzigern war de Funès zu einem Superstar des französischen Kinos aufgestiegen: Insbesondere der Erfolg der Komödie Drei Bruchpiloten in Paris [La Grande Vadrouille, 1966] festigte Louis de Funès’ Status als gefragter Leinwandkomiker.
Das Werk von Louis de Funès steht stellvertretend für die Filmkunst des französischen Kinos des 20. Jahrhundert wie kein anderes: Mit seinem einmaligen komischen Talent brachte Louis de Funès einen frischen Wind in den Kinosaal, den andere Komödien nicht bieten konnten.
Besonders häufig arbeitete de Funès mit dem Drehbuchautor und Filmregisseur Jean Girault zusammen: Girault und de Funès bildeten ein Gespann, das über mehrere Filmprojekte hinweg Bestand hatte. So führte Jean Girault bei den legendären Komödien Der Gendarm von St. Tropez oder Louis’ unheimliche Begegnung mit den Außerirdischen Regie.
Auch mit Gérard Oury arbeitete Louis de Funès einige Male zusammen: Im Oury-Film Die dummen Streiche der Reichen [La folie des grandeurs, 1971] spielte de Funès an der Seite von Yves Montand.
Wurzeln im Theater
Am Anfang seiner Karriere dachte Louis de Funès im Traum nicht daran, eines Tages ein bekannter Filmschauspieler zu werden: In den ersten beiden Jahrzehnten seiner Karriere sah es so aus, als ob de Funès als einer der legendärsten französischen Theaterschauspieler in die Geschichte eingehen würde. Doch de Funès’ großer Erfolg am Theater zeigte, dass er auch für die Kinoleinwand geeignet war: Nichtsdestotrotz blieb der Komiker für den Rest seiner Karriere dem Theater verbunden und spielte hin und wieder in Theaterstücken mit. Sein letztes Theaterstück war Valse des toréadors von Jean Anouilh: Nach 198 Aufführungen muss die Erschöpfung so groß gewesen sein, dass de Funès im März 1974 einen Herzinfarkt erlitt. Dieses Ereignis leitete das Ende seiner Theater- und Leinwandkarriere ein: Seine letzten Arbeiten umfassen Filme wie Die Abenteuer des Rabbi Jacob [Les Aventurs de Rabbi Jacob, 1973] oder Brust oder Keule [L’Aile ou la Cuisse, 1976].
Für den Komiker Louis de Funès gab es in späten Jahren nichts mehr anderes als das Schauspiel: Bis kurz vor seinem Tod im Jahre 1983 stand der Komiker vor der Kamera.
Trotzdem war das Kino nicht alles für Louis de Funès: Auch als der Komiker auf dem Höhepunkt seines Starruhms angelangt war, hatte das Theater nie an Bedeutung für ihn verloren. Ohne seine Erfahrungen als versierter Theaterschauspieler, die mit harter Arbeit verbunden waren, wäre aus de Funès nie der legendärste Komiker des französischen Kinos geworden.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig
Maßgebliche Quelle: Chaline, Thomas: Louis de Funès – Ombres & Lumières, 2023 City Editions