Für ihn war die Schauspielerei nichts anderes als ein Beruf wie jeder andere auch: Zeit seines Lebens entzog sich Jean Gabin dem Glamour der Filmindustrie und führte ein zurückgezogenes Privatleben. Sein Name war in den Boulevardzeitungen selten zu lesen – wenn, dann im Zusammenhang mit Marlene Dietrich: Mit ihr verband ihn eine vom Zweiten Weltkrieg gezeichnete Beziehung.
Ging es um seinen Beruf, so vermochte Jean Gabin, sich voll und ganz auf seine Arbeit zu konzentrieren und die bestmögliche Darstellung seines Charakters zu erreichen. Jean Gabin spielte häufig die Rolle des typischen Arbeiters in französischen Filmen: Vielleicht konnte er deshalb so gut in die Rolle des Arbeiters schlüpfen, weil er sich hinter den Kulissen selbst wie ein Arbeiter verhielt. Ob Jean Gabin am Set einen Star, einen Kameramann, den Regisseur oder einen Statisten vor sich hatte, das war für ihn unwichtig: Für ihn zählte am Ende das Ergebnis, für das jeder Beteiligte seinen Beitrag geleistet hatte. 

Von einem typischen französischen Arbeiter unterschied er sich vielleicht nur dadurch, dass er sich ein 100 Hektar großes Gut in der Normandie kaufte.

Marlene Dietrich und Jean Gabin

Dass Marlene Dietrich und Jean Gabin früher oder später getrennte Wege gehen würden, war absehbar: Marlene Dietrich war in den Vierzigern zwar Gabins einziger Anker, als er in die Vereinigten Staaten auswandern musste, doch nach dem Krieg offenbarten sich die Gegensätze zwischen den beiden. Die Leinwandlegende Marlene Dietrich verkörperte genau das, von dem Jean Gabin sich distanzieren wollte: Zur Aufrechterhaltung ihres Leinwandmythos war für Marlene Dietrich der Glamour unentbehrlich. Gabin konnte damit nichts anfangen und distanzierte sich.
Obwohl Jean Gabin einige Zeit als einer der bestbezahlten Leinwandstars des französischen Kinos galt, blieb er bescheiden: Von einem typischen französischen Arbeiter unterschied er sich vielleicht nur dadurch, dass er sich ein 100 Hektar großes Gut in der Normandie kaufte, wo er sich seinen Traum von der Zucht von Trabrennpferden erfüllte. 

Frühe Jahre

Doch Jean Gabins Rollenrepertoire war keinesfalls eintönig: Zwar gab er besonders oft den typischen Arbeiter zum Besten, doch auf der Leinwand schlüpfte er auch in die Rolle von Aristokraten, Managern und Gaunern.
Die Schauspielerei lag gewissermaßen in seinem Blut: Jean Gabin wurde im Pariser Künstlerviertel Montmartre als Sohn eines Künstlerehepaares geboren. Seine Mutter, die starb, als Gabin 14 Jahre alt war, sang in Cafés und sein Vater spielte kleine Opernrollen. Zunächst wollte Jean Gabin mit dem Showbusiness nichts zu tun haben: Er absolvierte eine Lehre als Maurer und schlug sich mit diversen Handwerksberufen durch. Als Kind war es sein Traum, Mechaniker bei der Eisenbahn zu werden. Während sein Vater sich wünschte, der Sohn würde eine künstlerische Karriere anstreben, war der junge Gabin am örtlichen Bahnhof zugange und bewunderte die Eisenbahn. 1924 entschloss sich Jean Gabin, die ersten Schritte im Showbusiness zu gehen… 

Mistinguett

Am Pariser Kabarett Folies Bergère erhielt Jean Gabin sein erstes Engagement: Dort traten in den Goldenen Zwanzigern Künstler vom Schlag einer Josephine Baker auf. Das Pariser Varieté-Publikum kannte Jean Gabin vor allem für seine Imitationen des Hollywood-Schauspielers Maurice Chevalier, der ihm in jungen Jahren nicht ganz unähnlich sah.
1928 soll Jean Gabin von der legendären Schauspielerin und Chansonsängerin Mistinguett entdeckt worden sein: Mistinguett galt in den Goldenen Zwanzigern als das Symbol der Pariser Künstlerszene schlechthin und beeinflusst das französische Chanson bis heute. So nimmt das Chanson Comme disait Mistinguett, das von Dalida 1979 interpretiert wurde, Bezug auf die Chansonsängerin. Mistigunett vermittelte Jean Gabin verschiedene Engagements in bekannten Pariser Revuetheatern.
Bis Jean Gabin es auf der Leinwand zu Ruhm bringen sollte, dauerte es allerdings noch eine ganze Weile: Sein wenig beachtetes Debüt gab Gabin 1931. Nachdem Gabin 1934 im Musical Zou-Zou an der Seite von Josephine Baker gespielt hatte, avancierte er zu einem der gefragtesten Stars des französischen Kinos. 

Erfolgreiche Filme in den Dreißigern

Der französische Regisseur Julien Duvivier erkannte das dramatische Potenzial des jungen Jean Gabin: Er besetzte ihn 1935 in der Literaturverfilmung Kompanie der Verlorenen [La Bandéra] in der Rolle eines Legionärs. Jean Gabin arbeitete in den Dreißigern ebenfalls mit dem Regisseur Jean Renoir zusammen: Bei der Verfilmung des Theaterstücks Nachtasyl [Les bas-fonds, 1936] arbeitete Jean Gabin zum ersten Mal mit Jean Renoir zusammen. Filmkenner sind bis heute der Überzeugung, unter der Regie von Jean Renoir habe Gabin einige seiner besten darstellerischen Leistungen abgeliefert. In den Dreißigern und Vierzigern war der Schauspieler Jean Gabin vor allem ein französisches Phänomen: Es war auch nicht unbedingt Gabins Ziel, internationale Bekanntheit zu erlangen, indem er wie andere seiner Landsmänner nach Hollywood ging. 

Amerika

Doch die Besetzung Frankreichs während des Zweiten Weltkriegs zwang Gabin dazu, in die Vereinigten Staaten zu gehen: Er hatte das Glück, dort von Marlene Dietrich mit offenen Armen empfangen zu werden, die ihm unter anderem dabei half, Englisch zu lernen.
In Amerika spielte Jean Gabin in zwei weniger erfolgreichen Filmen mit: Gabin erkannte schon bald, dass er mit der Welt von Hollywood wenig anfangen konnte und kehrte nach Frankreich zurück. Dort verschrieb er sich den Forces françaises libres und ging an die Front des Zweiten Weltkriegs.
In seinem ersten Film nach dem Zweiten Weltkrieg spielte Gabin an der Seite von Marlene Dietrich: In Martin Roumagnac (1946) finden sich viele Motive des film noir wieder, der in den Vierzigern eine bedeutende Stilrichtung des französischen Films war. 

Kommissar Maigret

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Jean Gabins Filmkarriere nur langsam Fahrt auf: Zwar konnten sich viele Kinogänger noch an diesen Star des französischen Kinos der Dreißiger erinnern, doch erfolgreiche Produktionen blieben zunächst aus. Erst mit dem Gangsterfilm Wenn es Nacht wird in Paris [Touchez pas au grisbi, 1954], in dem Lino Ventura sein Leinwanddebüt feierte, konnte Gabin an seine Erfolge aus den Dreißigern anknüpfen. Der belgische Schriftsteller Georges Simenon war froh darüber, mit Jean Gabin einen passenden Schauspieler für die Rolle des Kommissar Maigret gefunden zu haben. Besonders dem deutschsprachigen Publikum wurde Jean Gabin durch seine Rolle des Maigret in drei Literaturverfilmungen zwischen 1958 und 1963 bekannt. Daneben spielte Gabin in vier weiteren Verfilmungen von Werken von Georges Simenon mit. 

Charakterrollen

Jean Gabin spielte regelmäßig an der Seite von anderen französischen Kinolegenden: So spielte er 1962 in Ein Affe im Winter [Un singe en hiver] an der Seite von Jean-Paul Belmondo.
In Der Clan der Sizilianer [Le Clan des Siciliens, 1969] versuchte sich Jean Gabin in der Rolle des Mafiosi Vittorio Mannalese: Lino Ventura schlüpfte im Film in die Rolle des Gegenspielers Kommissar Le Goff. Später gab es Gerüchte, Jean Gabin war für die Rolle des Don Corleone in Der Pate auserkoren worden – diese Rolle lehnte er aber ab, nicht zuletzt, weil sie nicht in sein übliches Rollenrepertoire passte.
An der Seite von Alain Delon spielte Jean Gabin einige seiner bedeutendsten Charakterrollen: So spielte er in Endstation Schafott [Deux hommes dans la ville, 1973] den Bewährungshelfer Germain Cazeneuve, der dem frisch entlassenen Gino Strabliggi zurück in die Gesellschaft helfen soll. Gegenüber dem wesentlich jüngeren Alain Delon nimmt Jean Gabin im Film eine Vaterrolle ein. Das Drama Endstation Schafott war einer von Jean Gabins letzten Filmen. 

Jegliche Formen des Glamours waren nichts für ihn.

Kein Star, sondern ein Arbeiter

Denkt man an französische Schauspieler, so ist der Name Jean Gabin unumgänglich: Neben Legenden wie Jean-Paul Belmondo oder Yves Montand nimmt Jean Gabin einen festen Platz ein.
Im Laufe seiner Karriere stellte er in unzähligen Charakterrollen sein schauspielerisches Können unter Beweis und obwohl er internationale Bekanntheit erlangte, ging er stets auf Distanz zu der Filmindustrie von Hollywood: Jegliche Formen des Glamours waren nichts für ihn, für ihn zählte vor allem seine schauspielerische Leistung und das künstlerische Potenzial eines Filmstoffs.
Mit seiner Arbeitsmoral und Bescheidenheit verhielt sich Jean Gabin wie ein Arbeiter hinter den Kulissen – Starstatus, Glamour, Ruhm und auf der Straße erkannt zu werden, das alles bedeutete Gabin kaum etwas.

Simon von Ludwig

Marlene Dietrich und Jean Gabin

Beitragsbild: © Simon von Ludwig

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