Ennio Morricone sagte einst, er sei eigentlich ein Konzertkomponist gewesen – die Filmmusik sei nur Beiwerk gewesen. Doch der Name Ennio Morricone wird meist nicht mit Konzertmusik verbunden – kein anderer Komponist steht so sehr für legendäre Filmmusik des 20. Jahrhunderts wie Ennio Morricone. Morricone war mehr als ein Komponist: Mit seiner Art und Weise, Musik zum Film zu komponieren, schrieb er das Drehbuch mit. Seine Musik vermochte mehr zu sagen als mancher Filmdialog.
Der Name Ennio Morricone ist eng verbunden mit dem Namen Sergio Leone: Die beiden verband eine Zusammenarbeit, die sich über mehrere Filme erstreckte. 

Sergio Leone

Der berühmte Italowestern-Regisseur Sergio Leone führte bei einigen der berühmtesten Western des 20. Jahrhunderts Regie: Die Filme wurden stets von Ennio Morricones Musik geschmückt.
Unter anderem komponierte Morricone die Musik zum Western Spiel mir das Lied vom Tod [C’era una volta il West, 1968], der ohne die Filmmusik wohl kaum der gleiche Film wäre. Die zahlreichen Sequenzen, in denen die Titelmusik zu hören ist, tragen die Handlung des Films und machen das Ansehen des Films zu einem unvergleichlichen Erlebnis.
Es hatte einen Grund, dass Morricone wiederholt bei Interviews sagte, er sei kein Filmkomponist, sondern vielmehr ein Drehbuchautor: Er war einer der ganz wenigen Filmkomponisten, deren Musik mindestens genauso wichtig für den Film war wie das Drehbuch. In Spiel mir das Lied vom Tod hat man gar das Gefühl, die Musik ist wichtiger als das Drehbuch. 

Noch war das Genre des Italowesterns nicht geboren, der italienische Film war nahezu bedeutungslos.

Ausbildung und Beginn der Laufbahn

Ennio Morricones Laufbahn begann als einfacher Trompeter, der ein Jahr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sein Trompeten-Diplom in Italien erhielt: Noch war das Genre des Italowesterns nicht geboren, der italienische Film war nahezu bedeutungslos. Western, das war damals noch ein Synonym für Hollywood. Nur dort hielten sich die hochkarätigen Filmemacher auf und man hatte genügend finanzielle Mittel, um aufwändige Western zu drehen.
1954 schloss Morricone in Italien seine Ausbildung als Komponist ab: Er wurde von Maestro Goffredo Petrassi, einer Größe der der damaligen italienischen Musiklandschaft, unterrichtet.
Ohne diese fundierte Ausbildung hätte Morricones Laufbahn wohl kaum den gleichen Weg eingeschlagen: Immer wieder betonte er, ohne die speziellen Verhältnisse in der damaligen italienischen Musiklandschaft wäre aus ihm nicht das geworden, für was er später bekannt wurde.
In den schon damals etablierten Strukturen von Hollywood hätte sich in den Vierzigern und Fünfzigern für Morricone kaum jemand interessiert. 

Er komponierte nicht am Klavier, sondern am Schreibtisch

Nicht nur die Qualität von Morricones Filmmusiken ist beeindruckend, auch ihre Quantität ist bahnbrechend: Seit den 1960ern schrieb Morricone für die rekordverdächtige Anzahl von 450 Filmen die Musik. Dabei arbeitete er mit italienischen und internationalen Regisseuren zusammen, darunter Pier Paolo Pasolini, Roman Polanski, Warren Beatty und Quentin Tarantino.
Mit Quentin Tarantino schaffte Ennio Morricones Musik den Sprung in das 21. Jahrhundert: Besonders der Film Django Unchained (2012) beweist, dass Morricones Filmmusik zeitlose Geschmäcker bedient, dabei aber immer in ein bestimmtes Filmgenre passt: den Western.
Besonders im 21. Jahrhundert fuhr Morricone einige Hollywood-Erfolge ein, jedoch war sein Herz stets beim Italowestern-Genre. Seine Filmmusiken für Italowestern schrieb Morricone mit Herzblut, doch eines stellte er klar: Er komponierte stets am Schreibtisch und – entgegen der romantischen Illusion vom Komponisten – nicht am Klavier. Nur Dilettanten würden am Klavier komponieren, sagte er einst. 

Gründervater der heutigen Filmmusik

Heutige Filmkomponisten müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, wenn ihnen nichts mehr anderes einfällt, lehnen sie ihre Filmmusik eben an Ennio Morricone an: Kenner sind der Überzeugung, nach Morricone kam bis jetzt nicht mehr viel in der Welt der Filmmusik.
Doch eines muss man sagen: Der Maestro der Filmmusik setzte mit seinem Lebenswerk die Messlatte für künftige Filmkomponisten auch ungewöhnlich hoch. 

In gewisser Weise gilt Morricone als der Gründervater der heutigen Filmmusik: Hört man sich aktuelle Filmmusiken an, hört man immer wieder Stilmittel und leicht modifizierte Passagen vom Maestro der Filmmusik heraus. Das mag auch damit zu tun haben, dass sich das Publikum über die Jahrzehnte an Morricones Musikstil gewöhnt hat und ihn als Bewertungskriterium heranzieht. 

Es war das erste Mal, dass Hollywood nach Italien blickte, und nicht andersherum. 

Nuova Consonanza

1965 trat Ennio Morricone der Improvisationsgruppe Nuova Consonanza bei: Die Gruppe verschrieb sich der Neuen Musik. Ziel war es, neue Stilmittel in der Musiklandschaft zu etablieren und beim Komponieren von Musik neue Wege einzuschlagen. Manchmal werden die Stilmittel der Neuen Musik als radikal empfunden, häufig werden sie dann aber später in das standardisierte Musikjargon aufgenommen. Suchte Morricone nach neuer Inspiration für seine Musik, bediente er sich der Entwürfe und Ideen aus der Nuova Consonanza und passte die Musik den Bedürfnissen des Kinopublikums an. Dabei kamen Werke heraus, die als revolutionär in der Welt der Filmmusik empfunden wurden: Morricone verstand es, etablierte Stilmittel mit neuartigen, anfangs ungewohnten Tonfolgen zu kombinieren, um beim Kinopublikum bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Hollywood hatte in der Hochzeit von Morricones Karriere in den Sechzigern und Siebzigern keinen Filmkomponisten zu bieten, der ihm auch nur annähernd das Wasser reichen konnte: Es war das erste Mal, dass Hollywood nach Italien blickte, und nicht andersherum. 

Musica assoluta

Zeit seines Lebens bemühte sich Morricone darum, der Öffentlichkeit nicht nur sein Werk als Filmkomponist zu präsentieren, sondern auch seine Arbeit als Komponist von „ernster Musik“, der musica assoluta, wie er sie zu nennen pflegte.
Besuchte man in seinen letzten Lebensjahren eines seiner Konzerte, so ließ er vor seinem Auftritt auf einer Leinwand einen zehnminütigen Film über sich selbst zeigen, der ihn vor allem als Komponist ernster Musik präsentierte. Auf die Werke der Filmmusik konnte Morricone aber während seiner Konzerte nicht verzichten: Bis heute ist der Name Ennio Morricone ein Synonym für Filmmusik, seine „ernste Musik“ blieb vor allem eines: Seine persönliche Leidenschaft. 

Einmaliges Phänomen der Filmmusik

Morricones Werk begrenzte sich bei Weitem nicht nur auf den Italowestern: Zum französischen Actionfilm Der Profi [Le Professionnel, 1981] mit Jean Paul-Belmondo in der Hauptrolle komponierte Ennio Morricone die Filmmusik. Die Titelmelodie Chi Mai wurde zu einem Hit der Instrumentalmusik und macht einen Großteil des Charme vom Film Der Profi aus.
Die Tätigkeit des Maestros der Filmmusik beschränkte sich keineswegs auf ein einzelnes Genre oder eine einzelne Nation: Morricone zeigte sich oft verärgert, wenn er von einem Interviewpartner auf ein Genre oder gar einen einzelnen Film reduziert wurde.
Sein Werk ist eines der vielfältigsten in der Welt der Filmmusik und dient bis heute sowohl Filmkomponisten als auch Hip-Hop-Künstlern als musikalische Inspiration. 

Simon von Ludwig

Filmmusik bei Der Bussard

Beitragsbild: © Simon von Ludwig

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