Er war eine Legende des französischen Kinos: Jean-Paul Belmondo. Ab den 1960ern war Jean-Paul Belmondo einer der bekanntesten Darsteller seiner Generation.
Mit 15 Jahren hatte sich Jean-Paul Belmondo in den Kopf gesetzt, Boxer zu werden: Als Jugendlicher nahm er an mehreren Box-Wettkämpfen teil. Doch um es zum professionellen Boxer zu bringen, fehlte ihm der Hass auf den Gegner, wie er selbst beschrieb.
Neben dem Boxen beschäftigte Jean-Paul noch eine zweite Leidenschaft: Das Schauspiel. 

Ausbildung und Statistenrollen

Seine Eltern ermöglichten ihm die Ausbildung an einer privaten Schauspielschule während seiner späten Teenager-Jahre: Jean-Pauls Vater war der anerkannte Pariser Bildhauer Paul Belmondo.
Belmondos Karriere als Schauspieler begann 1953 an einem Pariser Theater mit einer Rolle in einem Stück von Jean Anouilh.
Seine Filmkarriere begann wenig später: 1957 und 1958 trat er in ersten Filmen auf, seine Mitwirkung begrenzte sich zunächst auf Statistenrollen. 

Nouvelle Vague

Jean-Paul Belmondo hatte seine erste Nebenrolle 1959 im Film Ein Engel auf Erden, in dem auch Romy Schneider mitspielte.
Ende der fünfziger Jahre gab es eine neue Stilrichtung im französischen Kino: Die Nouvelle Vague-Bewegung [deutsch: „Neue Welle“]. Die Nouvelle Vague-Bewegung strebte einen Autorenfilm an, der mit möglichst wenigen technischen Hilfsmitteln und ohne großes Produktionsteam realisiert werden sollte. Damit hoben sich Nouvelle Vague-Filme vom klassischen französischen Kino ab, deren Produktion sehr viel aufwendiger war.
Ein klassischer Film der Nouvelle Vague zeichnete sich durch wenig Perfektionismus, dafür aber umso mehr durch persönlichen Stil aus. Bevorzugt gedreht wurden realistische Alltagsszenarien. Vorbilder der Bewegung waren unter anderem Alfred Hitchcock, Alain Resnais und Jean Renoir. 

Jugendidol

Wichtige Nouvelle Vague-Regisseure waren Jean-Luc Godard und François Truffaut: Für beide Regisseure arbeitete Jean Paul-Belmondo während seiner Schauspielkarriere.
Das Debütwerk von Jean-Luc Godard Außer Atem (1960) wurde eines der bedeutendsten Werke der Nouvelle Vague: Jean Paul-Belmondo war einer der Hauptdarsteller.
Heute ist Außer Atem ein Klassiker des internationalen Kinos, der auch Filmemacher außerhalb von Frankreich maßgeblich beeinflusste.
Durch den Film avancierte Jean-Paul Belmondo vom einen Tag auf den anderen zu einem Jugendidol. 

Gemeinsam mit Belmondo war die französische Kinokultur erwachsen geworden: Französische Regisseure kopierten nunmehr nicht bloß, sie wurden kopiert.

Außer Atem und Abenteuer in Rio

Der Streifen Außer Atem leitete für Jean Paul-Belmondo eine Ära des Erfolgs ein: Zwischen 1960 und 1964 spielte Belmondo in 28 Filmen mit. Belmondo arbeitete für seinen Erfolg und seine Anerkennung.
1960 spielte er an der Seite von Sophia Loren im Film Und dennoch leben sie.
Der Film Abenteuer in Rio (1964), bei dem Philippe de Broca Regie führte, verhalf Jean Paul-Belmondo zu internationaler Bekanntheit: Es war ein Film, der gespickt war mit Stunts und als Vorbild für die Indiana Jones-Reihe diente. Jean Paul-Belmondo spielte seine Stunts selbst und griff nicht auf ein Double zurück. Es war stets sein Ansporn, jede noch so anstrengende Stuntszene selbst zu meistern: Das galt nicht nur für Abenteuer in Rio. Auch in zahlreichen anderen Filmen übernahm Belmondo seine Stunts selbst. 

Jean Paul-Belmondos Erscheinung war alles andere als typisch für einen Action-Helden: Seine Visage brachte frischen Wind in das französische Kino. Bisher waren es vor allem US-amerikanische Streifen, die mit Action das Publikum beeindruckten. Das änderte sich spätestens mit dem Film Abenteuer in Rio.
Viele der Nouvelle Vague-Filme, in denen Belmondo mitwirkte, beeinflussten auch die US-amerikanische Filmindustrie. Gemeinsam mit Belmondo war die französische Kinokultur erwachsen geworden: Französische Regisseure kopierten nunmehr nicht bloß, sie wurden kopiert. Das ist nicht zuletzt der Publikumswirkung von Jean-Paul Belmondo zu verdanken. 

Historiendramen

Im Film Ein Affe im Winter (1962) spielte Jean Paul-Belmondo an der Seite von Jean Gabin: Es war das Treffen zweier Legenden des französischen Kinos. Jean Gabin war seit den Dreißigern ein berühmter Charakterdarsteller, Belmondo gehörte einer neuen Generation von Schauspielern an.
Der französische Schauspieler verewigte sich auch in historischen Filmen: In Dünkirchen, 2. Juni 1940 (1964) und Brennt Paris? (1966), beides hoch budgetierte Produktionen, stellte Belmondo sein schauspielerisches Können in Historienfilmen unter Beweis.
In Brennt Paris? war Jean-Paul Belmondo Teil eines großen Staraufgebots, das unter anderem Gert Fröbe, Alain Delon, Charles Boyer und Kirk Douglas umfasste.

Kein Hollywood – mit einer Ausnahme

1967 wurde Jean Paul-Belmondo auch Teil des James Bond-Universums: In der Bond-Parodie Casino Royale hatte Belmondo einen Gastauftritt als französischer Legionär.
Casino Royale war die einzige US-amerikanische Produktion, in der Jean-Paul Belmondo mitwirkte: Unnötig zu betonen, dass Belmondo während seiner Karriere unzählige Angebote aus Hollywood erhielt. Er sah es nicht ein, seinen Erfolg zu gefährden, indem er englisch statt französisch sprach: Sieht man von seinem Gastauftritt in Casino Royale ab, wirkte Belmondo während seiner Karriere ausschließlich in französischen Produktionen mit.

Geheimagent Belmondo in Der Profi

1970 trat Jean Paul-Belmondo an der Seite von Alain Delon in der Gangstergeschichte Borsalino auf: Dieses Zusammenspiel zwischen zwei der berühmtesten französischen Schauspieler begeisterte das Publikum.
In den Achtzigern, über 20 Jahre nach seinem Karrierestart, war Jean Paul-Belmondo noch immer einer der gefragtesten Darsteller des französischen Kinos: 1981 trat Belmondo im Actionthriller Der Profi auf, zu dem Ennio Morricone die Musik komponierte. Statt in die Rolle des James Bond zu schlüpfen, kreierte Belmondo mit seiner Rolle in Der Profi seine eigene Geheimagenten-Rolle. 

Belmondo und das französische Kino

Die Verbundenheit Jean-Paul Belmondos mit der französischen Kinokultur ist beispiellos. Kaum ein anderer französischer Schauspieler widerstand so oft der Verlockung, nach Hollywood zu gehen.
Auch nach seinem Tod 2021 ist Belmondo aus der Filmkultur Frankreichs nicht wegzudenken: Belmondo war mit seinem schauspielerischen Können Wegbereiter der Nouvelle Vague-Bewegung, die ohne ihn kaum zu ihrem Ruhm gelangt wäre.
Er war stolz darauf, seine eigenen Stunts ausführen zu können: Stunt-Doubles waren ihm verpönt.
Dass Belmondo auch in den Achtzigern noch Filmerfolge verbuchen konnte, beweist die Zeitlosigkeit des Belmondo-Typus: Er verstand es wie kaum ein anderer, gehaltvolles Kino mit Action-Effekten zu verknüpfen.

Simon von Ludwig


Beitragsbild: Jean-Paul Belmondo 1962 in Zürich zur Galaaufführung von Cartouche im Kino Apollo
Bildnachweis: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Metzger, Jack / Com_L11-0108-0005-0001 / CC BY-SA 4.0


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