Seine Verkörperung des Ben Cartwright in der Kult-Westernserie Bonanza (1959–1973) machte ihn nicht nur zu einem bekannten Schauspieler: Er war einer der wenigen Schauspieler, der die Serie von Anfang bis Ende begleitete und wie kein anderer Ideen zur Serie beisteuerte. Daran, dass die Serie Bonanza zu einer amerikanischen Institution avancierte, hatte Lorne Greene einen maßgeblichen Anteil: Nachdem die ersten Folgen der Serie 1959 abgedreht waren, wandte er sich an die Produzenten: Er fand, die Handlung der Serie sei zu einfach gestrickt und würde sich von anderen Westernserien kaum unterscheiden. Lorne Greene war der Meinung, dass es um mehr gehen müsse, als nur um das Recht des Stärkeren. Es war nicht zuletzt Greenes Vorschlägen zu verdanken, dass sich die Serie begann, mit gesellschaftlichen Missständen und Mitmenschlichkeit auseinanderzusetzen. Ohne diese Entwicklung hätte man die Serie kaum über 14 Staffeln weitergeführt – Westernserien gab es damals zuhauf und viele wurden nach wenigen Staffeln wieder abgesetzt. 

Die Stimme Kanadas

Seine Karriere begann als Radiomoderator in Kanada: Dort galt er als die „Stimme Kanadas“ – Lorne Greene hatte eine der markantesten Radiostimmen, die das kanadische Radio in den Vierzigern zu bieten hatte. Wegen seiner Stimme, die großen Wiedererkennungswert besaß, war er außerdem gefragter Sprecher von Hörspielen. Als Radiomoderator kam er außerdem zum ersten Mal in Kontakt mit der Filmindustrie von Hollywood – in den Vierzigern zeichnete er zahlreiche Interviews mit Hollywood-Stars für das kanadische Radio auf. Um diese Zeit besuchte er auch zum ersten Mal die Paramount Studios, wo später Bonanza gedreht wurde.
Nicht selten kam es vor, dass Greene im Zweiten Weltkrieg die Meldungen über die im Krieg gefallenen Soldaten verlas – das brachte ihm den Spitznamen „The Voice of Doom“ ein.
In den Vierzigern und Fünfzigern hatte Kanada praktisch keine eigene Theaterkultur: Dem wollte Lorne Greene entgegenwirken und war Mitinitiator des Jupiter Theatre in Toronto. Das Theater trug maßgeblich dazu bei, dass Kanada eine eigene Theaterkultur erhielt.  

Es war alles andere als Greenes Absicht, eine Schauspielkarriere zu starten, als er zu Beginn der Fünfziger in die USA reiste.

Frühe Jahre und Radioakademie

Sein Erfolg als Radiosprecher bewegte ihn dazu, die Lorne Greene Academy of Radio Arts zu gründen, die sich der Ausbildung von Radiosprechern widmete und junge Radiotalente förderte.
Häufig wurde angenommen, diese Akademie diente dem Profit: Wie seine Tochter in ihrer Biographie über Lorne Greene schreibt, war tatsächlich das Gegenteil der Fall. Die Akademie war für Greene ein Verlustgeschäft und wurde in dem Gedanken gegründet, aufstrebenden kanadischen Radiomoderatoren eine Orientierung zu geben. 1952, nur wenige Jahre nach der Gründung, schloss die Akademie ihre Pforten.
Bevor Lorne Greene als Radiomoderator tätig war, studierte er in den Dreißigern Deutsch und Französisch. Bereits in jungen Jahren war Greene von der Schauspielerei begeistert und schloss nach seinem Examen eine Ausbildung als Schauspieler ab. Dafür ging er an die renommierte Schauspielschule Neighborhood Playhouse in New York. Immer wieder betonte er, dass er dort sein Handwerk erlernte – sowohl für seine Tätigkeit als Radiosprecher als auch für seine schauspielerische Tätigkeit.

Fernsehen & Hollywood

Anfang der Fünfziger, kurz nach dem Ende seiner Radioakademie, stellte Lorne Greene fest, dass er mehr tun wollte, als nur vor einem Radiomikrofon zu sitzen: Es war alles andere als Greenes Absicht, eine Schauspielkarriere zu starten, als er zu Beginn der Fünfziger in die USA reiste. Vor kurzem hatte er eine spezielle Uhr für Radiomoderatoren entwickelt, die genau anzeigte, wie viel Zeit der Moderator für eine Sendung noch übrig hatte. Nachdem er die Herstellung der Uhr gesichert hatte, reiste er Anfang der Fünfziger in die USA, um die spezialangefertigte Uhr dort zu verkaufen.
Doch die Dinge verliefen anders als geplant: Greene traf in New York einen ehemaligen Studenten seiner Akademie, der ihm eine Rolle in der Fernsehserie Studio One vermittelte. Das Studio One-Programm, das stets live ausgestrahlt wurde, präsentierte jeden Abend ein anderes Drama und war eine der ersten US-amerikanischen Live-Fernsehsendungen: Es war der Beginn von Lorne Greenes Schauspielkarriere.
Als sich Greene in den Dreißigern dem Radio verschrieb, war dieses Medium noch relativ neu: Nicht anders war es zu Beginn der Fünfziger,  als sich Greene dem neuen Medium des Fernsehens verschrieb. Greene erhielt auch die Möglichkeit, sich in Hollywood einen Namen zu machen: So spielte er 1956 an der Seite von Joan Crawford in Herbststürme [Autumn Leaves]. In den Fünfzigern spielte Greene in weiteren Hollywood-Filmen, unter anderem an der Seite von Lauren Bacall, Yul Brynner und Charlton Heston.

Bonanza

Als Lorne Greene den Vertrag für Bonanza unterschrieb, gab es im amerikanischen Fernsehen unzählige Westernserien: Bonanza war die erste Westernserie in Farbe und die Serie wurde in Filmstudios gedreht – das war dem großzügigen Budget der Serie zu verdanken. Dieses Budget hatte zur folge, dass bei Räumlichkeiten und Requisiten nicht gespart werden musste – bis heute fällt die Detailtreue des Bühnenbildes auf, wenn man sich Bonanza-Folgen ansieht.
Es dauerte etwa sechs Tage, bis eine Folge von Bonanza abgedreht war: Somit verbrachte die Filmcrew sehr viel Zeit miteinander und wuchs gewissermaßen zu einer Familie zusammen.

Lorne Greene tat einiges, um sein Image als Westernstar in der Rolle des Ben Cartwright zu festigen: So zeichnete er in den Sechzigern mehrere Westernsongs auf. Seine Aufzeichnungen waren eine Mischung aus Gesang und Sprechgesang – seine Ballade Ringo, die er als gesprochenen Gesang aufzeichnete, brachte ihm 1964 einen Nummer Eins-Hit ein.
Die Legende rund um die 2.600 Quadratkilometer große Western-Ranch Ponderosa am Rande der Sierra Nevada fesselt bis heute Fernsehzuschauer und war für viele Menschen, die in den Sechzigern und Siebzigern die Live-Erstausstrahlung der Serie erlebten, Teil ihrer Kindheit.
Das mag nicht zuletzt an der Vaterfigur des Ben Cartwright gelegen haben, die Lorne Greene in allen 432 Episoden der Serie verkörperte: Seine Tochter schrieb einige Jahre später in ihrer Biographie über Lorne Greene, sie teilte sich quasi ihren Vater mit unzähligen anderen Kindern auf der ganzen Welt. Selbst für seine Tochter war es überraschend, wie hoch der Wiedererkennungswert von Greene über dreißig Jahre nach der Ausstrahlung der letzten Folge von Bonanza noch war. 

Am Anfang war Bonanza ein shoot‘-em-up: Das änderte sich dank Lorne Greene.

Vom shoot’-em-up zur erfolgreichsten Westernserie aller Zeiten

Nicht ohne Grund war Bonanza die erfolgreichste Westernserie in der Fernsehgeschichte der Vereinigten Staaten: Manche Episoden hatten eine hoch dramatische Handlung, andere gingen in eine komödiantische Richtung und nicht zuletzt gab es unzählige Episoden mit gesellschaftskritischem Inhalt. Oft heißt es, die Serie Bonanza hätte nach klassischem Protagonist-versus-Antagonist-Prinzip begonnen: Die ersten Folgen begannen mit einem Mitglied der Cartwright-Familie, das mit der Waffe auf einen Fremden zielte und fragte, was er hier zu suchen habe. Im Englischen wird das gerne als shoot’-em-up bezeichnet: Das Rezept zahlreicher kurzlebiger Westernserien in den Fünfzigern und Sechzigern.
Wäre es so weiter gegangen, hätte die Serie vermutlich keine zwei Staffeln überlebt und die Serie wäre längst vergessen.
Nicht zuletzt dank Lorne Greenes Inspiration, der die Produzenten auf dieses Problem aufmerksam machte, verwandelte sich Bonanza in die Westernserie, die bis heute unerreicht bleibt. Damit machte sich auch Lorne Greene selbst unsterblich.

Simon von Ludwig


Maßgebliche Quelle: Greene Bennett, Linda: „My Father’s Voice – The Biography of Lorne Greene“, 2004 iUniverse

Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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