James Bond: Kaum ein Franchise verbindet so viele Zuschauer wie die Abenteuer um den britischen Geheimdienstagenten mit der Nummer 007. Viele Menschen kennen die Filme, weniger jedoch kennen die Romane, auf denen viele der Agentenfilme beruhen.
Ein Name taucht in den Vorspannsequenzen aller James Bond-Filme immer wieder auf: Ian Fleming. 

Goldeneye

Es war im Juli 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, als der Stein ins Rollen kam: Ian Fleming war Assistent der britischen Marineaufklärung und vertrat seinen Vorgesetzten bei einer britisch-amerikanischen Marinekonferenz auf Jamaika. Es war Flemings erster Kontakt mit Jamaika.
Weshalb war Jamaika so wichtig? Es war auf seinem Anwesen Goldeneye in Jamaika, wo der Schriftsteller die James Bond-Romane verfasste. 

Die Kronkolonie Jamaika

Dass die Geschichte um den britischen James Bond ausgerechnet auf dem Boden einer britischen Kronkolonie geboren wurde, war kein Zufall. Die Insel in der Karibik spielte schon immer eine entscheidende Rolle in der Geschichte des Vereinigten Königreichs: Im 18. Jahrhundert war Jamaika eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste britische Kronkolonie.
Durch den Zuckerrohranbau erwirtschaftete die Insel enormen Reichtum: Reichtum, der für die Errichtung vieler britischer Herrschaftssitze aufgewendet wurde und somit den bis heute nachhallenden Charakter des britischen Empire prägt. Später, zu Flemings Zeiten, war es der Tourismus, der für die Wirtschaftskraft der Insel verantwortlich war. 

Spagat zwischen zwei Welten

Britischer Charme und Reminiszenzen an die Ära des britischen Empire – das sind beides Dinge, an denen es in keinem Bond-Roman und in keinem Bond-Film mangelt. 

„Was ich zu erreichen versuche, ist eine Art gebändigte Exotik“

Das formulierte Ian Fleming in seinem Essay How To Write A Thriller. Gebändigte Exotik: Flemings Romanfigur James Bond vollführt einen Spagat zwischen ausgelassenem Jetset-Lebensstil und konservativer, britischer Lebenseinstellung. Ist Bond im einen Moment noch mit einer seiner zahlreichen Fraueneroberungen involviert (seine exotische Seite), erscheint er im nächsten Moment schon bei einem Dinner mit seinen Vorgesetzten, um seinen nächsten Auftrag zu besprechen (seine gebändigte Seite). 

Gebändigte Exotik

Ian Flemings Klause auf Jamaika war selbst das beste Beispiel für eine gebändigte Exotik: Auf der einen Seite stand das konservative Umfeld – im Jamaika der 40er und 50er Jahre residierten zahlreiche militärische und politische Eliten aus dem Vereinigten Königreich. Auf der anderen Seite stand die Exotik Jamaikas – für einen Europäer war die Natur und die Kultur der Insel faszinierend, unabhängig davon, wie konservativ er eingestellt war. 

Das Anwesen Goldeneye: Es war keine großräumige Villa, erst recht kein Herrenhaus, wie man zunächst vielleicht denken mag. Ein Haus, das lediglich mit Fensterläden aus Holz vor den Fensteröffnungen auskam, ganz ohne Glasscheiben, das spartanisch eingerichtet war und über kein Badezimmer im Innenbereich verfügte. Zum Leidwesen seiner Gäste war die Einrichtung des Anwesens spärlich, doch es war Flemings größtes Glück: Goldeneye gab Fleming genau die Abgeschiedenheit, die er zur Erfindung seines Helden James Bond brauchte. 

Casino Royale

Es war eines Tages um den 17. Februar 1952 herum, als Ian Fleming mit der Arbeit an seinem ersten James Bond-Roman Casino Royale begann: Er kaufte sich 500 Blatt besten Schreibpapiers, setzte sich in den Hauptraum von Goldeneye und begann mit dem Schreiben.

Flemings Beweggründe, mit dem Schreiben eines Buchs zu beginnen, waren vielschichtig: Er war gerade frisch verheiratet und seine Frau erwartete ein Kind. Seine Aufgabe war es nun, für eine Familie zu sorgen – um seinen bisherigen Lebensstil aufrechtzuerhalten, erforderte es neue und höhere Einkünfte. 

Außerdem beobachtete Fleming zu Beginn der fünfziger Jahre den Niedergang des britischen Empire, das einen großen Teil von Flemings Identität bildete: Viele Kolonien ebneten sich ihren Weg in die Unabhängigkeit und auf Jamaika war der zunehmende Einfluss der Vereinigten Staaten zu spüren. Ian Fleming fand einen Weg, jene britische Kultur, in die er hineingeboren wurde, zu konservieren und dabei gleichzeitig den Anforderungen der modernen, postkolonialen Welt zu entsprechen: Nicht jeder britische Schriftsteller war zur damaligen Zeit dazu in der Lage. 

Noël Coward

Der Schriftsteller Noël Coward, der 1948 Goldeneye mietete und sich später selbst auf Jamaika niederließ, war vom gleichen Schlag wie Ian Fleming. Häufig werden über Cowards Werke gesagt, ihnen läge ein „imperialistischer Stolz“ zugrunde: Das unterscheidet ihn von Ian Fleming. Fleming verstand, was Coward nicht verstand: James Bond scheint über dem imperialistischen Stolz seiner Heimatnation zu stehen – er erfüllt seinen Auftrag, kooperiert dabei mit dem US-amerikanischen Geheimdienst und vergnügt sich den Rest von der Zeit. Anspielungen auf die Geschichte, auf die Großbritannien und Fleming so stolz waren, erfolgen nahezu immer mit einem Hauch von Ironie. 

Basiert James Bond auf wahren Begebenheiten?

1963 schrieb Ian Fleming, dass die meisten seiner Geschichten auf der Wahrheit beruhten. Das bedeutet nicht, dass sich die Ereignisse der Bond-Romane exakt genauso in der Realität abgespielt hatten: Vielmehr schildert Fleming in den Bond-Romanen Erfahrungen aus seiner Zeit beim britischen Marinegeheimdienst – somit gab ihm seine eigene Biographie die Anregung zu James Bond. Immer wieder betonte Ian Fleming, dass die Ereignisse in James Bond zum Teil auf wahren Begebenheiten beruhen, die Fleming in seinem beruflichen Leben erlebte.

Simon von Ludwig

James Bond bei Der Bussard

Maßgebliche Quellen: Parker, Matthew: „Goldeneye. Ian Fleming und Jamaika. Wo James Bond zur Welt kam“, 2018 Septime Verlag (Wien) und Ian Flemings Essay How To Write A Thriller (ungekürzt)

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