Eigentlich gehört die Haselnuss zur Gattung der Birkengewächse: Der Haselnussstrauch, an dem die Haselnussfrucht wächst, galt lange Zeit im Volksglauben als ein Sinnbild der Lebenskraft, in der irisch-keltischen Mythologie genießt der Haselnussstrauch den Status eines heiligen Baumes. In der Geschichte Europas nimmt die Haselnuss eine entscheidende Rolle ein: Nach der letzten Eiszeit kam die Gemeine Haselnuss in Europa so häufig vor, dass man sogar einen eigenen Zeitabschnitt der Steinzeit Haselzeit (auch Boreal genannt) taufte. Die Haselzeit begann vor etwa 8.000 Jahren und dauerte ein Jahrtausend an – damals war die Haselnuss eine der wichtigsten Nahrungsquellen für den Steinzeit-Menschen. Zu jener Zeit gab es sogar großflächige Haselwälder, die mit dem Ende der Haselzeit Ende des 7. Jahrtausends v. Chr. wieder ihren Rückzug antraten. Die enorme Bedeutung, die damals der Haselnuss zukam, hängt insbesondere mit der langen Haltbarkeit der fettreichen Haselnuss zusammen. 

Der Zürcher Landschaftsarchitekt und Stadtökologe Jonas Frei erklärt in seiner 2023 im Schweizer AT-Verlag erschienenen Monografie „Die Haselnuss. Arten, Botanik, Geschichte und Kultur.“, dass die Haseln eine vollkommen autochthone Art bilden – das bedeutet, die Hasel wurde nicht über große Distanzen nach Europa eingeführt, sondern ist bereits seit Jahrtausenden in Europa heimisch. Damit bildet die Hasel eine große Ausnahme unter allen heute in Europa kultivierten Gehölzen. 

Es ist davon auszugehen, dass sich die Haselnuss in ihrer heute bekannten Form evolutionsgeschichtlich gleichzeitig mit den Nagern entwickelt hat. 

Das Eichhörnchen und die Haselnuss

Damit sich Nusspflanzen wie die Haselnuss überhaupt verbreiteten, bedurfte es der Existenz von Tierarten, welche die Samen weiterverbreiteten: Besonders im Herbst erblickt man das ein oder andere Eichhörnchen, das mit einer Haselnuss im Gepäck querfeldein läuft – die Haselnuss wird häufig als Winternahrung in der Nähe eines Haselnussbaums aufgenommen und an einem anderen Ort gut vergraben. Obwohl dem Eichhörnchen ein exzellentes Erinnerungsvermögen nachgesagt wird, das es ihm erlaubt zu wissen, wo es überall eine Haselnuss versteckt hat, bleibt doch die ein oder andere Haselnuss nach dem Ende des Winters unter der Erde. Nicht selten keimt eine solche Haselnuss und ein neuer Haselnussstrauch oder -baum wächst an Ort und Stelle. 

Obwohl die Haselnuss zur Gattung der Birkengewächse gehört, unterscheidet sich die Verbreitung der Haselnuss-Samen entscheidend von jener Art und Weise, wie sich die Birke verbreitet: Die Samen der Birke werden meist vom Wind verbreitet, wohingegen die Haselnuss von Nagern oder Rabenvögeln abhängig ist, um sich fortzupflanzen. Deshalb ist davon auszugehen, dass sich die Haselnuss in ihrer heute bekannten Form evolutionsgeschichtlich gleichzeitig mit den Nagern entwickelt hat. 

Schieferkohlen – die Haselnuss vor Urzeiten in Zürich

Möchte man datieren, wann genau es die erste Haselnuss-Frucht auf der Erde gab, ist das kein leichtes Unterfangen: Jonas Frei beschreibt in seiner Monografie, unterstützt von zahlreichen Abbildungen, dass vor ca. 45 Millionen Jahren im heutigen Bundesstaat Washington an der US-amerikanischen Westküste „die Nüsse einer Haselnuss-Staude in den feinen Sand eines Seeufers gefallen [sind]“ und dort konserviert wurden. Bereits vor 45 Millionen Jahren gab es also schon eine Form jener Nuss, die man heute allgemein als Haselnuss kennt. 

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet ein Zürcher Landschaftsarchitekt und Stadtökologe 2023 eine Monografie über die Haselnuss verfasste, die durchaus als Standardwerk in diesem Bereich angesehen werden kann: Der Autor zeigt anschaulich – unter anderem mit einer Zeichnung von „Dürnten zur Zeit der Schieferkohlenbildung“ (1863) – dass die Haselnuss bereits vor Urzeiten auf dem Gebiet des heutigen Kantons Zürich wuchs. Als während der 2,5 Millionen Jahre andauernden Eiszeit regelmäßige Gletschervorstöße die Vegetation im Alpenraum immer wieder zerstörten, entstanden durch das Vordringen der Gletscher die sogenannten Schieferkohlen: In regelmäßigen Abständen wurde die gesamte Flora und Fauna des Alpenraums unter Gletschern „begraben“ und übrig blieben die Schieferkohlen. Diese Schieferkohlen dienten lange Zeit als begehrter Brennstoff: Heute dienen die verkohlten Überreste von Pflanzen und Tieren dazu, wegweisende Erkenntnisse über die Geschichte zahlreicher Pflanzen zu erlangen – so auch über die Geschichte der Haselnuss.

Der Haselnussstrauch wird häufig mit dem Ideal der Ewigen Jugend in Verbindung gebracht.

Volksglauben – Zugang zu anderen Dimensionen

Nicht nur der Frucht des Haselnussbaums kommt im Volksglauben eine große Bedeutung zu: Sogenannte Wünschelruten, die häufig aus Haselnusszweigen hergestellt werden, sollen den Überlieferungen zufolge als Verbindung zu anderen Dimensionen dienen. Mithilfe von Haselruten lassen sich demnach unter anderem eine Verbindung zu Verstorbenen herstellen oder unterirdische Energiequellen – zum Beispiel Wasseradern – ausfindig machen. 

Der Haselnussstrauch wird häufig mit dem Ideal der Ewigen Jugend in Verbindung gebracht: Es ist allgemein bekannt, dass sich bei vielen Bäumen das Alter anhand der Ringe am Baumstamm ablesen lässt. Bei Haselgewächsen ist das nicht der Fall: Beim Haselstrauch wachsen immer wieder neue Stämme empor, ältere Stämme sterben hingegen ab. Deshalb lässt sich das Alter eines Haselstrauchs kaum bis gar nicht bestimmen – die Natur gab dem Haselstrauch die besondere Fähigkeit, sich stetig vom Boden aus erneuern zu können. 

In der Küche und in der Backstube spielte die Haselnuss relativ lange eine untergeordnete Rolle: Besonders bei Süßgebäcken verwendete man über Jahrhunderte hinweg lieber Mandeln als Haselnüsse, erläutert Dominik Flammer in einem Essay über die kulinarische Geschichte der Haselnuss im Alpenraum, erschienen in Jonas Freis Haselnuss-Monografie. Auch heute wird die Mandel gegenüber der Haselnuss bevorzugt behandelt – erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten Chocolatiers in Norditalien und in der Schweiz die Haselnuss für sich. 

Rüblikuchen, © Simon von Ludwig

Rüblikuchen – oder einfach nur geröstete Haselnüsse

Von der Haselnuss gibt es zahlreiche verschiedene Sorten – für den Welthandel sind allerdings nur  einige relevant. Bis heute ist die Türkei der größte Produzent von Haselnüssen weltweit: In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach Haselnüssen auf dem Weltmarkt enorm, die Türkei erweiterte ihre Haselnuss-Anbaufläche zwischen 2010 und 2020 von etwa 440.000 Hektar auf 740.000 Hektar. Die überwiegende Mehrheit der Haselnüsse im Handel stammen von türkischen Haselnussplantagen. Der zweitgrößte Produzent von Haselnüssen weltweit ist Italien: Der industrialisierte Anbau von Haselnüssen steht jedoch im Verruf, aufgrund des Einsatzes von Insektengiften und Düngemitteln, dem natürlichen Wuchs der Haselnuss nur wenig zu entsprechen. Es geht nichts über einen Haselnussstrauch im eigenen Garten, von dem man seine eigenen Haselnüsse ernten kann. 

Die Haselnuss wird nicht nur als Bestandteil von Schokolade eingesetzt: Mit Haselnüssen lässt sich zum Beispiel ein Rüblikuchen mit Haselnüssen backen – eine äußerst leckere, nicht allzu süße Kuchenspezialität. Es ist aber auch schon ein Genuss, einfach nur geröstete Haselnüsse zu naschen – man mag sich fragen, ob die Menschen damals in der Haselzeit auch schon wussten, dass eine Haselnuss geröstet doppelt so gut schmeckt? 

Simon von Ludwig


Als maßgebliche Quelle diente folgendes Werk:
Frei, Jonas: Die Haselnuss. Arten, Botanik, Geschichte, Kultur. 2023 AT Verlag.

Der Bussard bedankt sich beim AT Verlag für die Zusammenarbeit, welche die Bereitstellung des Werkes von Jonas Frei umfasste.
Das 2023 erschienene Standardwerk von Jonas Frei, Landschaftsarchitekt und Stadtökologe aus Zürich, bietet einen umfassenden Überblick über die Arten, Botanik, Geschichte und Kultur der Haselnuss.

Cover: © at-verlag.ch


Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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