Fortsetzung von Teil eins

„Ich habe mir mein eigenes Image geschaffen, weil ich mich geweigert habe, meinen Namen und meine Frisur zu ändern.“, sagte Ingrid Bergman 1972 in einem Interview mit dem Filmhistoriker John Kobal. Außerdem war sie eine Schauspielerin, die sich ständig verändern wollte, wie sie in ebenjenem Interview mit Kobal betonte: Obwohl Bergman mehrmals darauf hingewiesen wurde, dass man in Amerika von Schauspielern erwartete, dass sie mehr oder weniger immer die gleichen Rollentypen spielen würden, stellte sich Bergman dagegen. Sie hatte eine Aversion dagegen, immer die Gute oder immer die Böse zu spielen – damit verhinderte sie, dass sie jemals auf einen Rollentypus festgelegt wurde. 

Obwohl Bergman ohne David O. Selznick womöglich nie den Weg nach Hollywood gefunden hätte, wie sie sich dies vorgestellt hatte, trennten sich nach nur zwei Filmen die beruflichen Wege der beiden Filmschaffenden in den Vierzigern: Schließlich äußerte Selznick doch einige Vorstellungen seinerseits, welche Rollen Bergman wie zu spielen hätte – doch die Schauspielerin wusste, dass sie sich auf ihr eigenes Urteilsvermögen verlassen konnte. 

Wie spielt man in einem Film seine Rolle bestmöglich, wenn man beim Dreh selbst nicht einmal das Ende des Films genau kennt?

Casablanca

Selznick sah es irgendwann nicht mehr als seine Aufgabe an, Bergman in seinen eigenen Filmen zu besetzen, vielmehr lieh er die Schauspielerin – wie damals üblich – an andere Studios aus: Als Selznick Bergman 1942 an die Warner Brothers auslieh, konnte kaum einer ahnen, dass sich Ingrid Bergman mit dem Film Casablanca für immer verewigen würde. 
Das Filmangebot zu Casablanca kam zu einer Zeit, als sich die Schauspielkarriere der Ingrid Bergman gerade in einer Flaute befand – zweifelsohne ist jener Film hauptsächlich dafür verantwortlich, dass Bergman bis heute zu den legendärsten Hollywoodstars des letzten Jahrhunderts zählt. 

Die Dreharbeiten zu Casablanca, in dem Bergman an der Seite von Humphrey Bogart und Paul Henreid spielte, fanden unter erschwerten Bedingungen statt: Das Drehbuch wurde noch geschrieben, als die Dreharbeiten bereits begonnen hatten. Wie spielt man in einem Film seine Rolle bestmöglich, wenn man beim Dreh selbst nicht einmal das Ende des Films genau kennt? Ingrid Bergman meisterte, wie alle anderen beteiligten Schauspieler, diese Herausforderung. 
Eigentlich war Ingrid Bergman von ihrer Rolle in Casablanca, die sie zur Legende werden ließ, gar nicht sosehr angetan: Sie hatte schon länger die Verfilmung des Romans von Ernest Hemingway Wem die Stunde schlägt [For Whom the Bell Tolls] im Visier… 

Ernest Hemingway

Hemingway hatte bereits Anfang der Vierziger verlautbart, dass er an einer Verfilmung seines Romans Wem die Stunde schlägt nur mitarbeiten würde, wenn Ingrid Bergman die Rolle der jungen Waise Maria spielen würde. An der Seite von Gary Cooper spielte Bergman 1943 in Wem die Stunde schlägt zum ersten Mal in einem Farbfilm mit: Hemingway selbst war zwar sehr enttäuscht von dem Film, dem man jeden politischen Hintergrund nahm und zu einem romantischen Kriegsfilm umfunktionierte, doch als Trost blieb ihm, dass Bergman die Rolle der Maria erhalten hatte. Die beiden Filme Casablanca und Wem die Stunde schlägt trugen hauptsächlich dazu bei, dass Ingrid Bergman fortan den Ruf eines etablierten Hollywood-Stars genoss. Noch am Set von Wem die Stunde schlägt hatten Regisseur Sam Wood, Gary Cooper und Ingrid Bergman vereinbart, unbedingt in einem weiteren Film zusammenzuarbeiten: Mit der Zugkraft von Gary Cooper konnte erreicht werden, dass David O. Selznick Ingrid Bergman für eine astronomische Summe ein weiteres Mal auslieh. Das Spiel mit dem Schicksal [Saratoga Trunk, 1945] avancierte zur bis dahin teuersten Produktion der Warner Brothers – der Film wurde 1943 gedreht, als gerade eine Masse an Kriegsfilmen den US-amerikanischen Filmmarkt überströmte. Unter den ganzen Kriegsfilmen ging Saratoga Trunk unter und kam erst unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in die Kinos. 

 Ingrid Bergman 1960 in Amsterdam mit dem Theaterproduzenten und ihrem späteren Ehemann Lars Schmidt (1917 – 2009) 
Bildnachweis: Fotograaf Behrens, Herbert / Anefo, Nationaal Archief, CC0

Alfred Hitchcock und Ingrid Bergman

Da Ingrid Bergman mittlerweile den Status eines Hollywood-Stars genoss, war es für sie durchaus möglich, auch auf eigene Faust Filmprojekte anzustoßen und selbst zu bestimmen, welche Rollen sie spielen wollte: Der britische Regisseur Alfred Hitchcock, der im gleichen Jahr wie Ingrid Bergman in Hollywood ankam, stand in den Vierzigern ebenfalls bei David O. Selznick unter Vertrag. Bergman und Hitchcock sollten für insgesamt drei Filme zusammenarbeiten, die heute allesamt den Status cineastischer Meisterwerke genießen: Ich kämpfe um dich [Spellbound, 1945], Berüchtigt [Notorious, 1946] und der Historienfilm Sklavin des Herzens [Under Capricorn, 1949] sind Meisterwerke der Filmkunst, die von einer einzigartigen Harmonie zwischen der Schauspielerin Ingrid Bergman und dem Regisseur Alfred Hitchcock zeugen. 

Im Spionagethriller Berüchtigt spielte Ingrid Bergman unter der Regie von Alfred Hitchcock an der Seite von Cary Grant: Einige Details der Handlung des Films, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg erschien und Spionagethemen aus dem Zeitgeschehen aufgriff, waren so brisant, dass Hitchcock angeblich während der Dreharbeiten vom FBI beschattet wurde. 

„Flucht nach Rom“ – Bruch mit Hollywood

Ende der Vierziger kam Ingrid Bergmans großer Bruch mit Hollywood: Das klassische Dasein als Hollywood-Schauspielerin war für Bergman allmählich langweilig geworden, sie wollte zu neuen Ufern aufbrechen und sich in darstellerischer Hinsicht weiterentwickeln. Um diesen Anspruch zu realisieren, trat zum rechten Zeitpunkt der italienische Regisseur Roberto Rossellini in ihr Leben: Bergman begann, in Rom Filme zu drehen und die leidenschaftliche Affäre zwischen den beiden Filmschaffenden war schon bald das Thema sämtlicher Boulevardzeitschriften und Klatschspalten. Für die amerikanische Öffentlichkeit war es ein absolutes Tabu, dass Bergman, als sie noch mit ihrem ersten Ehemann verheiratet gewesen war, mit Rossellini eine Affäre begann: Deshalb begab sich die Schauspielerin Ende der Vierziger auf eine „Flucht nach Rom“, die sie jedoch keineswegs bereuen sollte. Gerade wegen der Bereitschaft, sich sofort von Hollywood loszulösen und ihren Lebensmittelpunkt in privater und künstlerischer Hinsicht nach Europa zu verlegen, lernte ihr Publikum sie umso mehr schätzen. 

Als sie gerade allabendlich auf einer Pariser Theaterbühne im Theaterstück Thé et sympathie stand, erreichte sie ein besonderes Angebot des Regisseurs Stanley Donen.

Roberto Rossellini und Indiskret 

Der italienische Film verfolgte ein komplett anderes Prinzip, als die Hollywood-Filme, in denen Ingrid Bergman bisher mitgespielt hatte: Obwohl Bergman in den Fünfzigern froh war, Hollywood für einige Zeit den Rücken kehren zu können, waren ihre Beziehungen in Hollywood regelmäßig vonnöten, um ihrem Mann Roberto Rossellini unentbehrliche Produzenten für seine Filmprojekte zu vermitteln. Insgesamt drehten Rossellini und Bergman fünf Filme zusammen – nach einiger Zeit war jedoch klar, dass auch diese Partnerschaft beruflich wie auch privat nicht für immer anhalten würde. 

Ende der 1950er war Ingrid Bergman regelmäßig in Paris auf der Theaterbühne zu sehen: Mitten in der Phase in ihrer Karriere, als sie gerade allabendlich auf einer Pariser Theaterbühne im Theaterstück Thé et sympathie stand, erreichte sie ein besonderes Angebot des Regisseurs Stanley Donen. Er fragte an, ob Bergman nach London kommen wollte, um erneut an der Seite von Cary Grant in einem Film namens Indiskret [Indiscreet, 1958] zu spielen. Bei Indiskret handelt es sich um eine späte Screwball-Komödie – Bergman schaffte es mit diesem Film, sich ebenfalls als Komödiantin unter Beweis zu stellen.
Cary Grant hatte Ingrid Bergman einiges zu verdanken – etwas über ein Jahrzehnt zuvor konnte Grant mit seiner Rolle in Notorious an der Seite von Bergman seinen Status als Hollywood-Star festigen. 

Die Kaktusblüte und Vermächtnis

An den Komödienerfolg Indiskret sollte Ingrid Bergman 1969 mit der Komödie Die Kaktusblüte [The Cactus Flower] anknüpfen: An der Seite von Walter Matthau brillierte Ingrid Bergman hier – es war einer ihrer letzten Leinwandauftritte – in einer komödiantischen Rolle. Dass Bergman sich dazu überreden ließ, über zwanzig Jahre nach ihrem letzten Hollywood-Film noch einmal nach Hollywood zurückzukehren, spricht Bände: In der Rolle der aufopferungsvollen Zahnarzthelferin Stephanie Dickinson, die ihrem Chef im Film in einer äußerst sensiblen Aufgabe helfen muss, geht Bergman voll und ganz auf. Die Kaktusblüte leitete für Ingrid Bergman ein spätes Hollywood-Comeback ein, das sich unter anderem durch ihr Mitwirken in Die Frau des anderen [Walk in the Spring Rain, 1969] ausdrückte. 

Ingrid Bergman war ohne Frage eine der facettenreichsten Schauspielerinnen des letzten Jahrhunderts: Sie begann ihre Karriere als Schauspielerin gleich unter den für sie richtigen Voraussetzungen, in dem sie Selznick 1939 vor die Wahl stellte: Entweder sie würde so bleiben wie sie war oder sie würde zurück nach Europa gehen. Bergmans Idee ihres eigenen Images ging voll und ganz auf – bis in ihre letzten Lebensjahre war sie eine gefragte Leinwanddarstellerin: Von der Romanze über den Spionagethriller bis hin zur Screwball-Komödie deckte sie mit ihrem Rollenrepertoire unzählige Genres ab – und das alles mit einem „deutsch klingenden Namen“, angeblich nicht leinwandtauglichen Zähnen und nicht gezupften Augenbrauen. 

Simon von Ludwig


Beitragsbild: Ingrid Bergman 1960 in Amsterdam mit dem Theaterproduzenten und ihrem späteren Ehemann Lars Schmidt (1917 – 2009) 
Bildnachweis: Fotograaf Behrens, Herbert / Anefo, Nationaal Archief, CC0

Maßgebliche Quelle: Rossellini, Isabella & Schirmer, Lothar (Hrsg.): Ingrid Bergman. Ein Leben in Bildern, 2015 Schirmer/Mosel München


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