In einer Zeit, als alle hochkarätigen Tenöre Deutschland verlassen hatten, war er in den Dreißigern und Vierzigern einer der wenigen übrig gebliebenen Sänger, die ihren Beruf weiterhin in Deutschland ausübten. Tenöre wie Richard Tauber oder Joseph Schmidt waren gezwungen, ihre künstlerische Heimat zu verlassen.
Peter Anders wuchs in einer Zeit auf, die von zahlreichen Entbehrungen geprägt war: In Berlin erlebte er zwar das Zeitalter der Goldenen Zwanziger mit, doch die darauffolgende Hyperinflation prägte den frühen Lebensweg des Tenors stark. Schon in sehr jungen Jahren soll für Anders festgestanden haben, dass er eines Tages ein berühmter Sänger werden wollte – doch das Elternhaus verlangte zunächst eine fundierte Ausbildung, die mit dem Leben als Künstler nichts zu tun hatte. In Anbetracht der Umstände jener Zeit eine vernünftige Entscheidung – Peter Anders kam dem Wunsch seiner Familie nach, ohne jedoch jemals sein wahres Ziel aus den Augen zu verlieren.
Wirtschaftsprüfer – das war Anders nicht genug
Mit dem Geld, das Peter Anders durch seine Arbeit als Wirtschaftsprüfer verdiente, konnte er sich eine Ausbildung zum Sänger an der sehr renommierten Berliner Musikhochschule finanzieren.
Anders äußerte sich später folgendermaßen zu seiner Unzufriedenheit mit seinem Beruf: „Immer weniger befriedigte mich der von meinem Vater bestimmte Beruf, denn ich war immer ein Mensch, der mitten im Leben stehen wollte und nichts im Sinn hatte mit toten Zahlen und Buchstaben, wie ich sie jedenfalls empfand.“
Für den jungen Peter Anders stand fest: Nur eine Karriere als Tenor würde ihn im Leben wirklich glücklich machen. Seine Ausbildung zum Sänger absolvierte Anders zunächst parallel zu seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer: „Was es für einen lebenslustigen jungen Mann bedeutet, nach achtstündiger Bürozeit Abend für Abend Gesang zu studieren, kann ein Laie überhaupt nicht ermessen!“, sagte Peter Anders später rückblickend auf diese Zeit. Nicht zuletzt garantierte eine Gesangsausbildung nicht, dass die spätere Karriere als Tenor erfolgreich verlaufen würde.
Neben seiner Ausbildung an der Berliner Musikhochschule erhielt er Gesangsunterricht bei der bekannten Altistin Lula Mysz-Gmeiner, deren Tochter später auch seine Frau wurde.
Ein Buffo-Tenor – oder doch ein lyrischer Tenor?
Schon früh in seiner Ausbildung war man sich einig, dass seine Stimme in das Buffofach – also in das komische Opernfach – gehörte. Als Peter Anders im September 1932 an der Oper in Heidelberg sein erstes professionelles Engagement als Opernsänger antrat, wurde er für das Buffofach verpflichtet – auch sein folgendes Engagement im wesentlich größeren Hessischen Landestheater in Darmstadt ab August 1933 umfasste laut Vertrag „Buffo- und Operettenpartien“.
Selbst die kritischsten Stimmen der damaligen Musiklandschaft waren sich einig darüber, dass die Stimme von Peter Anders „schön und lyrisch“ sei – angesichts der Tatsache, dass Anders hauptsächlich Buffo-Partien sang, war es überraschend, dass man die Stimme von Peter Anders mit dem Adjektiv „lyrisch“ umschrieb. Wie sich bald jedoch herausstellen sollte, war Peter Anders in Wahrheit ein lyrischer Tenor und beherrschte als Sänger wesentlich mehr als nur das komische Fach.
In Darmstadt sang Peter Anders am 9. Februar 1934 zum ersten Mal die Rolle des Tamino aus der Zauberflöte (Mozart): Bereits zuvor hatte er in Heidelberg in der Rolle des Pedrillo aus Mozarts Entführung aus dem Serail brilliert.
Es dauerte nicht lange, bis auch das Medium des Rundfunks Notiz von Peter Anders nahm: So ging Anders parallel zu seinen Bühnenengagements regelmäßig nach Berlin, um dort für Schallplattenaufnahmen zur Verfügung zu stehen.
Von August 1935 bis Juli 1937 wurde Peter Anders an die Städtischen Bühnen Hannover verpflichtet – dieses Mal wurde in seinem Vertrag verankert, dass er hauptsächlich lyrische Tenorrollen übernehmen sollte. Mittlerweile waren sich auch Intendanten darüber im Klaren, dass es sich bei der Stimme von Peter Anders um eine lyrische Tenorstimme handelte.
In Hannover vergrößerte sich das Repertoire von Peter Anders entscheidend: Unter anderem feierte er sein Debüt in der Rolle des Alfred aus Verdis Traviata.
Tenöre – knappes Gut
Dadurch, dass Peter Anders regelmäßig für Schallplattenaufnahmen nach Berlin reiste und dort auch im Januar 1937 an der Oper unter den Linden sein Debüt in der Rolle des Tamino feierte, befand sich der Tenor stets am Puls der Zeit. Zwar gingen die politischen Umstände seiner Zeit an Peter Anders nicht vorbei, doch er konzentrierte sich hauptsächlich auf seinen Beruf als Operntenor. Da es zur damaligen Zeit nicht mehr allzu viele versierte Operntenöre in Deutschland gab, war die Nachfrage nach einem Tenor vom Kaliber eines Peter Anders entsprechend hoch. Diese Nachfrage drückte sich insbesondere in Form von überdurchschnittlich hohen Gagen aus – Peter Anders konnte sich Ende der Dreißiger mit gerade einmal 28 Jahren ganz auf seine künstlerische Tätigkeit konzentrieren und lebte ein Leben frei von materiellen Einschränkungen.
Heinz Tietjen, Generalintendant der Preußischen Staatstheater in Berlin und ein Beförderer der Karriere Herbert von Karajans, hatte inzwischen auch Notiz genommen vom Tenor Peter Anders: Tietjen strebte einen Gastspielvertrag mit dem Tenor an. Mittlerweile war Peter Anders in ganz Deutschland ein gefragter Tenor: Regelmäßig reiste er quer durch das Land, um seiner Tätigkeit als Opernsänger nachzugehen.
Der Mozarttenor
Ab 1940 wurde Peter Anders an der Berliner Staatsoper engagiert: Doch das bedeutete für Anders keineswegs, dass er nur in Berlin auftreten würde. So hatte der Tenor am 7. März 1940 seinen ersten Auftritt in der Wiener Staatsoper. Liest man all das, könnte man den Eindruck bekommen, Anders habe ausschließlich in großen Opernhäusern in großen europäischen Städten gespielt. Doch selbst auf dem Höhepunkt seiner Karriere schreckte der Tenor nicht davor zurück, auch Engagements auf Provinzbühnen anzunehmen.
Der Auftritt bei den Salzburger Festspielen 1941 war bis dato der künstlerische Höhepunkt in Peter Anders’ Karriere. Im Mozartjahr 1941 drehte sich alles um den Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart – Anders konnte sich 1941 mit seiner Rolle des Tamino als der Mozarttenor schlechthin etablieren.
In der Zwischenzeit verstärkte Peter Anders seine Tätigkeit für den Rundfunk und die Schallplatte – dieser Tätigkeit ist es zu verdanken, dass heute viele Aufzeichnungen von Anders’ Gesangskunst existieren. Damals schenkte man Schallplattenaufnahmen jedoch keine allzu große Beachtung: Die Technik steckte noch in den Kinderschuhen und das Abspielen der Platten war extrem kosten- und materialaufwändig. Der tatsächliche Wert der Aufnahmen stellte sich erst viel später heraus, als es darum ging, das Vermächtnis des Tenors zu bewahren.
Der Heldentenor Peter Anders
Eine Zerstörung der Berliner Staatsoper 1941 tat der künstlerischen Karriere Anders’ keinen Abbruch – innerhalb von rekordverdächtigen eineinhalb Jahren wurde die Oper wieder aufgebaut und der Spielbetrieb konnte wenig später weitergehen. Die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs boten jedoch alles andere als ein ideales Klima für einen Opernsänger: Wenn in Opernhäusern überhaupt noch gespielt wurde, dann nur unter erschwerten Bedingungen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs dauerte es zunächst einige Zeit, bis die Karriere von Peter Anders wieder Aufwind erhielt: Anfang der Fünfziger konnte sich Peter Anders neben seinem Status als lyrischer Tenor auch als Heldentenor etablieren. Das geschah durch Anders’ Interpretation der Rolle des Othello, die der Tenor am 18. Mai 1950 zum ersten Mal an der Hamburgischen Staatsoper zum Besten gab. Peter Anders war zwei Jahre zuvor Mitglied der Hamburgischen Staatsoper geworden. Internationales Renommee fand Peter Anders unter anderem durch sein Mitwirken bei den Festspielen von Edinburgh 1950 in der Rolle des Bacchus in Ariadne auf Naxos (R. Strauss).
In der Zwischenzeit hatte sich der Tenor ebenfalls als gefragter Liedersänger etabliert: Als Sänger zwischen den beiden Genres Lieder und Oper einen Einklang zu finden, war alles andere als einfach.
Eine einmalige Stimme
In den Fünfzigern legte sich Peter Anders nicht auf ein einzelnes Opernhaus fest: Er reiste nicht nur für seine Engagements quer durch sämtliche deutschen Städte, auch auf europäischer Ebene war er gefragt. Stationen seiner künstlerischen Tätigkeit in den Fünfzigern waren unter anderem Paris, Wien und Zürich.
Peter Anders’ Tätigkeit auf europäischen Bühnen blieb auch in Übersee nicht unbemerkt: An der Metropolitan Opera in New York hatte man Interesse, den Tenor Peter Anders für eine Inszenierung zu verpflichten. Peter Anders konnte Buffo-Rollen genauso interpretieren wie Rollen eines lyrischen Tenors oder eines Heldentenors: Gerade dieser Umstand reizte die Verantwortlichen in den USA an einem Tenor wie Anders.
Doch zu einem Übersee-Engagement von Peter Anders sollte es nicht mehr kommen…
Die letzte Premiere seines Lebens war die Hamburger Inszenierung der Oper André Chenier (Giordano) 1954: Am 5. September 1954 verunglückte Peter Anders mit seinem Auto und erlag fünf Tage später seinen Verletzungen. Er war gerade einmal 46 Jahre alt.
Das Vermächtnis von Peter Anders fasziniert bis heute Opernbegeisterte und auch jene, die sich bisher noch wenig mit der Oper beschäftigt haben: Die Brillanz von Peter Anders’ Stimme und die Breite seines Repertoires, das er stets erweiterte, sind unerreicht. Anders’ früher Tod verhinderte, dass er auf der internationalen Opernbühne jemals Fuß fassen konnte – es steht außer Frage, dass er die internationale Opernwelt nachhaltig verändert hätte.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig
Maßgebliche Quelle: Kösters, Ferdinand: Peter Anders – Biographie eines Tenors, 1995 J.B. Metzler