Fortsetzung von Teil eins

In New York bei ihrem Vater angekommen, ereignete sich zunächst wenig Hoffnungsvolles: Mehr als einmal sang sie anderen Opernsängern und Intendanten vor, von denen sie ausnahmslos darauf hingewiesen wurde, dass sie noch an ihrer Stimme arbeiten müsse.
Maria ahnte schon bald, dass sie in New York kaum Chancen haben würde, eine Karriere zu starten.
Doch dann traf sie 1947 Giovanni Zenatello, der künstlerischer Leiter der Opernfestspiele von Verona war. Die Opernfestspiele in der Arena di Verona wurden 1913, anlässlich des 100. Geburtstages von Giuseppe Verdi, zum ersten Mal abgehalten. In der norditalienischen Stadt feierten viele Opernsänger ihren ersten Erfolg, darunter auch Maria Callas.

Arena di Verona

Das Probesingen, zu dem Zenatello Callas eingeladen hatte, sei für ihn „eine Offenbarung und nicht nur ein Probesingen“ gewesen, so Jürgen Kesting in seiner Callas-Biographie. Zenatello suchte eine Sopranistin für die Rolle der Gioconda in der gleichnamigen Oper von Amilcare Ponchielli.
Damit stand fest: Die Karriere der Maria Callas sollte in Italien beginnen, genau wie Elvira de Hidalgo es prophezeit hatte. In ihren Memoiren betont Maria, welch große Relevanz der Stadt Verona in ihrem Leben zukommen sollte: Dort lernte sie 1947 ihren späteren Ehemann kennen, genoss ihren ersten Erfolg in Italien und lernte die Opernsopranistin Renata Tebaldi kennen, mit der sie – obwohl in den Fünfzigern von der Presse anders dargestellt – eine tiefe Freundschaft verband.
Mit wenig Geld in der Tasche kam sie Ende Juni 1947 in Verona an, wo sie am 3. August zum ersten Mal die Gioconda geben sollte.

Doch auch nach diesem Engagement blieben zunächst die erhofften Angebote aus.
Bis ihr Tullio Serafin, ein italienischer Dirigent, dem nachgesagt wird, Maria Callas und Renata Tebaldi auf ihren Weg gebracht zu haben, das Angebot machte, in „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner zu singen. Sie sagte zu und schloss einen Vertrag mit dem Teatro La Fenice in Venedig ab, der „Tristan und Isolde“ sowie „Turandot“ von Giacomo Puccini umfasste.
Es war auch am Teatro La Fenice, wo Maria ihre Freundschaft zu Renata Tebaldi knüpfte.

Zwei Rollen gleichzeitig

Im Januar 1949 war Maria Callas damit beschäftigt, „Die Walküre“ von Richard Wagner in Venedig zu singen, als ihr zugetragen wurde, dass die Sopranistin Margherita Carosio, die in „I Puritani“ von Vincenzo Bellini singen sollte, an der Grippe erkrankt war. Tullio Serafin schlug ihr vor, diese Rolle – neben der „Walküre“ zu übernehmen.
Was nun folgte, war eine Härteprobe: „Die Walküre“ und „I Puritani“ sind zwei Opern, die in vollkommen verschiedenen Stimmregistern verfasst sind und, so Tom Volf, wenige Sopranistinnen schaffen es, beide Opern im Laufe ihrer Karriere zu singen. Callas sang beide Opern innerhalb von zwei Wochen.
Am 7. März 1949 machte sie zum ersten Mal eine Studioaufnahme, die damals entstandene Schallplatte wurde vor kurzem in einer Remastered-Version neu veröffentlicht.

Kurz bevor Maria Callas Mitte 1949 eine Südamerika-Tournee antrat, heiratete sie den Ziegeleibesitzer Giovanni Battista Meneghini, den sie in Verona kennengelernt hatte.
Zwar wurde sie vom Publikum während dieser Tournee verehrt, sie sehnte sich aber immer nach ihrem Mann, den sie am Tag nach der Hochzeit wegen der beginnenden Tournee verlassen musste.

Herbert von Karajan

Nachdem sie ihre Südamerika-Tournee abgeschlossen hatte, öffneten sich ihr neue Türen: Am 7. Dezember 1951 eröffnete sie ihre erste Scala-Saison in der Rolle der Herzogin Elena in Giuseppe Verdis „I Vespri Siciliani“. Es folgten weitere Engagements am Teatro alla Scala in Mailand, unter anderem in „La Gioconda“ und „Lady Macbeth“ – bis zum Ende des Jahres 1952 hatte sie sich ihren Status als Primadonna gesichert.
Im Januar 1954 inszenierte und dirigierte der österreichische Dirigent Herbert von Karajan eine Neuproduktion der „Lucia di Lammermoor“ von Gaetano Donizetti, in der Maria Callas die Rolle der Lucia übernahm. Diese Neuproduktion war so erfolgreich, dass das Scala-Ensemble 1955 in Berlin und 1956 in Wien mit dieser Produktion gastierte.

Skandal

Am 17. November 1955 sang Maria ihre dritte Vorführung von „Madama Butterfly“ (Giacomo Puccini) an der Chicago Lyric Opera. Nachdem sie vom Publikum mit außerordentlich viel Applaus  belohnt wurde, kehrte sie in ihre Garderobe zurück, wo US- Marshal Stanley Pringle und Deputy Sheriff Dan Smith auf sie warteten: Gemeinsam händigten sie der Primadonna eine Honorarklage ihres ehemaligen Managers Eddie Bagarozy aus. Die „Übergabe“ geschah, indem sie ihr die Klage in den Kimono, der während der Opernvorstellung als ihr Kostüm diente, steckten.
Zufällig war auch ein Photograph der Associated Press zugegen, der die vollkommen wutentbrannte Callas fotografierte, wie sie Marshal Pringle hinterherschrie. Dieses Bild ging um die Welt, schädigte den Ruf der Primadonna nachhaltig und legte das Fundament für viele weitere Privatangelegenheiten der Callas, die zu Skandalen avancieren sollten. Bis heute werde diskutiert, ob die Aktion eine Inszenierung der „Callas-Fronde“ in Chicago gewesen sei, so Jürgen Kesting.
Doch dies sollte nicht der letzte Skandal ihrer beispiellosen Karriere bleiben …

Simon von Ludwig | Mehr über Maria Callas


Teil drei

Maßgebliche Quellen: Volf, Tom: Maria Callas – Lettres & Mémoires, Editions Albin Michel, 2019; Kesting, Jürgen: Maria Callas, List Taschenbuch, 9. Aufl. 2018 & Csampai, Atilla: Maria Callas: Gesichter eines Mediums, Schirmer/Mosel Verlag 1993 

Beitragsbild: Maria Callas 1973 am Flughafen Amsterdam Schiphol
Bildnachweis: Fotograaf Onbekend / Anefo, Nationaal Archief, CC0

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