Der Name Franco Corelli wird häufig in einem Atemzug mit dem Namen Fritz Wunderlich genannt: Beide gelten als die bedeutendsten Tenöre des 20. Jahrhunderts und setzten in der Opernwelt Maßstäbe, die bis heute gelten.
Als er jung war, gab Tito Gobbi in Corellis Heimatstadt Ancona ein Konzert: Von Gobbi erhielt Corelli den Ratschlag, dass das Singen nichts anderes als ein Sport sei: Selbst, wenn man müde wird, trainiert man weiter bis ans Limit. Corelli formulierte einst:
„Ich sehe Noten in meinen Träumen. Ich ruhe mich nie aus, weil ich immer versuche, mich zu verbessern. Wenn ich drei Monate zu meiner freien Verfügung habe, nutze ich sie, um mein technisches Instrument [seine Stimme] zu schützen; ohne sie bin ich nichts.“
Als er jung war, sei seine Stimme alles andere als schön gewesen, sagte Corelli einst in einem Interview: Das Singen war zunächst nichts weiter als ein Spaß, er besaß zwar eine kräftige Stimme, die jedoch völlig unausgebildet war.
Ausbildung und Paraderolle
Fasziniert von der Gesangskunst, begann Franco Corelli 1946 eine Gesangsausbildung am Rossini-Konservatorium in Pesaro. Dort wurde Corelli als Tenor eingestuft – er hielt sich jedoch für einen Bariton und beendete seine Ausbildung am Rossini-Konservatorium wenig später wieder.
Erst in den Fünfzigern nahm Corellis Gesangskarriere allmählich an Fahrt auf: Mit der Erkenntnis, dass er tatsächlich ein Tenor war, begann er im italienischen Rundfunk und auf kleineren Bühnen zu singen.
Bei einem Wettbewerb 1951 gewann Franco Corelli als Preis die Einstudierung der Partie des Don José in Carmen (Bizet): Die Partie avancierte im Laufe seiner Karriere zu seiner Paraderolle.
Anfang der Fünfziger überforderte sich Corelli stimmlich: Seine noch unausgebildete Stimme wurde zu einem Problem. Corelli war gezwungen, professionellen Gesangsunterricht zu nehmen und seine Stimme den Opernrollen, die er singen wollte, anzupassen. Nur so konnte er sein stimmliches Potenzial ausschöpfen.
Kein typischer italienischer Tenor
Die stimmliche Überlastung hatte nicht zuletzt damit zu tun, dass Corelli zu Beginn seiner Karriere ein ganz anderes Repertoire sang, als es für die meisten italienischen Tenöre zur damaligen Zeit üblich war. Erst allmählich fand Corelli heraus, welche Rollen sich miteinander vereinbaren ließen und parallel gesungen werden konnten. Anfangs sang Corelli hauptsächlich Werke von Händel, Prokofiew und Guerrini, weil ihm schlichtweg keine anderen Rollen angeboten wurden.
Somit entwickelte sich seine Stimme anders als die eines klassischen italienischen Tenors, der fast nur mit italienischen Rollen ausgebildet wurde: Als Corelli später in seiner Karriere begann, das typisch italienische Opernrepertoire zu interpretieren, klang er anders als viele seiner Kollegen. Viele Opernkenner fanden das aufregend und schrieben das nicht zuletzt seiner Ausbildung zu, die anders verlief als bei anderen italienischen Startenören.
Corellis Stimme
Franco Corelli war für eine robuste, viril klingende Stimme bekannt: Bis heute gilt Corelli als das Ideal einer typischen Spinto-Tenorstimme. Im Unterschied zu einem lyrischen Tenor zeichnet sich ein Spinto (ital. für „getrieben“, „gewagt“) durch eine größere, schwerer klingende Stimme aus, die dafür aber auch weniger dramatisch klingt als eine lyrische Tenorstimme. Spinto-Tenöre sind oft dafür bekannt, draufgängerisch an die Kunst des Singens heranzugehen: Das war bei Franco Corelli keineswegs der Fall. Zwar klingen bei Corelli viele Passagen wesentlich überschwänglicher als bei anderen Tenören, Corelli fand jedoch stets das Gleichgewicht zwischen Gesang und Gefühlsausbrüchen.
Callas und La Scala
In den Fünfzigern trat Franco Corelli an zahlreichen italienischen Opernhäusern auf und sammelte Bühnenerfahrung: Nebenher nahm er Gesangsunterricht, um das Maximum aus seiner Stimme herauszuholen.
1954 feierte Franco Corelli sein Debüt an der Mailänder Scala, damals das prestigeträchtigste italienische Opernhaus: Er spielte die Rolle des Licinius in La Vestale (Spontini) an der Seite von Maria Callas.
Dieser Auftritt an der Seite von Maria Callas katapultierte Franco Corelli in die Riege der begehrtesten italienischen Operntenöre: Zwischen 1952 und 1960 gab Corelli weit über 400 Vorstellungen an europäischen Opernhäusern. Dabei trat er an Opernhäusern und Süd- und Norditalien auf, an zahlreichen deutschen Opernhäusern und in Frankreich.
Höhepunkt
Die Namen Maria Callas und Franco Corelli standen im Laufe der Fünfziger und Sechziger oft gemeinsam auf den Plakaten von Operninszenierungen: Die beiden brillierten gemeinsam unter anderem in Norma (Bellini), Fedora (Giordano), Tosca (Puccini) und Il pirata (Bellini).
Die Bühnenpartnerschaft der beiden dauerte bis zum Ende von Callas’ Karriere als Sopranistin an: Bei einer der letzten Norma-Inszenierungen mit Maria Callas in der Hauptrolle spielte Franco Corelli an ihrer Seite.
Anfang der Sechziger Jahre befand sich Franco Corellis Karriere auf dem Höhepunkt: 1961 unterschrieb er einen Vertrag mit der Metropolitan Opera. Wer damals an der Met auftrat, war damit automatisch ein international begehrter Opernsänger: Bis zum Ende seiner Karriere 1975 war Corelli Mitglied des Ensembles der Metropolitan Opera. Innerhalb dieser Zeit spielte er 19 verschiedene Partien in über 300 Vorstellungen.
Die Zukunft der Oper
Daneben gab Corelli weltweit Gastspiele: Diese Gastspiele führten den Operntenor rund um den Globus, unter anderem nach Spanien, Serbien, Korea, Japan und Hongkong.
In den Neunzigern, fast zwanzig Jahre nach dem Ende seiner Karriere, machte sich Corelli Gedanken über die Zukunft der Oper: Außer in Fachzeitschriften war die Kunstform der Oper wenig präsent in den italienischen Medien und verschwand so Schritt für Schritt aus dem Kollektivgedächtnis der Italiener. Die Zeiten, in denen morgens auf den Titelseiten der italienischen Tageszeitungen über den nächsten Callas-Auftritt oder den neuesten Diva-Skandal berichtet wurde, waren längst vorbei.
Ein junger Tenor – für immer
Franco Corellis Bühnenpräsenz unterschied sich maßgeblich von der seiner Kollegen: Trat Corelli auf die Bühne, wirkte er nie steif oder verkrampft. Besonders in den Fünfzigern und Sechzigern beeindruckte er das Opernpublikum mit seiner jugendlichen Leichtigkeit: Er lief vor keiner stimmlichen Herausforderung davon und versuchte sich an jeder Rolle, die er für möglich hielt.
Diese Bühnenpräsenz erklärt auch seinen frühzeitigen Abschied von der Opernbühne: 1976 absolvierte er im Alter von 55 Jahren seine letzte Opernvorstellung. Für einen Operntenor war das noch kein Alter, um von der Bühne abzutreten: Corelli war aber bestrebt darin, sein jugendliches Image zu bewahren und der Nachwelt so in Erinnerung zu bleiben.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig