Die georgisch-französische Pianistin Khatia Buniatishvili brachte 2015 ihr Album “Motherland“ heraus: In “Motherland“ sammeln sich Interpretationen klassischer Musikstücken von den verschiedensten Komponisten, die alle eines gemeinsam haben: Sie begeben sich auf die Suche nach dem Heimatland, dem “Motherland“.
Jedes Stück macht sich auf seine ganz eigene Art und Weise auf die Suche nach der Heimat. Buniatishvili am Klavier ist das Medium, das den Hörer in die Welt der Klavierkompositionen Bachs, Mendelssohns, Debussys und Chopins eintauchen lässt, um nur einige zu nennen.
Beim Hören des ersten Stückes, “Aria: Schafe können sicher weiden“ von Johann Sebastian Bach (1685–1750) fühlt man sich beinahe wie eines der von Bach musikalisch beschriebenen weidenden Schafe auf der Wiese, die das Grün der Natur ihr Zuhause nennen. Die frohlockende, aber wenig schnelle Melodie gibt einem das Gefühl von Sicherheit, das man oft nur in seinem Heimatland erfährt.
In “Lied ohne Worte in F-sharp minor“ von Felix Mendelssohn (1809–1847), dessen „tänzerische Eleganz“ (Zitat Booklet-Autorin Hannah Dübgen) von Khatia Buniatishvili gelungen transportiert wird, fühlt man sich daran erinnert, dass die Heimat ein Ort der Leichtfüßigkeit ist. Ist man in der Heimat, scheint alles gleich einfacher, Sorgen neigen dazu, sich in Luft aufzulösen und man fühlt sich dazu hingerissen, das Tanzbein zu schwingen. All dies steckt in Khatias Interpretation von “Lied ohne Worte“; die Heimat ist für sie ein Ort, an dem man keine Worte benötigt, um sich mitzuteilen.
Buniatishvilis Interpretation von “Clair de lune“ aus der Suite bergamasque von Claude Debussy (1862–1918) gibt dem Stück eine neue Bedeutung: Das musikalisch umschriebene Mondlicht, das nachts von weiter Ferne aus die Erde erhellt, steht hier für das Heimatland, wenn man sich in einem fremden Land befindet. Man hat Heimweh und der Mythos der geliebten Heimat hat einen fest im Griff, genau wie das helle Mondlicht der Nacht dazu verleitet, in den Himmel zu sehen und sich nach der Heimat zu sehnen.
Die leichtfüßige Eleganz aus “Lied ohne Worte in F-sharp minor“ kehrt im “Slavonic Dance in E minor“ von Antonín Dvorák (1841–1904) zurück. Bei dieser Interpretation sitzt Kathia gemeinsam mit ihrer Schwester Gvantsa Buniatishvili am Klavier. Wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, es sitzt nur eine Person am Klavier; sosehr verschmelzen die Schwestern gemeinsam bei dieser Interpretation, die an die „tänzerische Eleganz“ aus dem Werk Mendelssohns erinnert.
In “Menuet in G minor“ von Georg Friedrich Händel (1685–1759) stellt Khatia mir ihrer Interpretation ebenjene musikalische Verbindung mit der Heimat dar, die in jedem wohnt. Die Heimat ist der erste Ort, an dem man mit der Musik in Kontakt tritt und dieses langsame, mit starken Emotionen besetzte Stück beschreibt die musikalische Verbindung mit dem “Motherland“, nach der man sich aus der Ferne, weit weg von der Heimat, sehnt. | Die Kategorie Musik bei Der Bussard