Es ist viel einfacher, Dateien auf einem Computer bereitzustellen, anstatt eine Schallplatte zu fertigen: Es gab eine Zeit, da drohte die Schallplatte beinahe komplett aus dem Kollektivgedächtnis zu verschwinden. Doch die Schallplatte verschwand nie ganz von der Bildfläche: Sie erlebte im 21. Jahrhundert ein überraschendes Comeback und ist bei Musikbegeisterten heute die erste Wahl, wenn es darum geht, Musik in den Händen zu halten.
Weshalb kehrte die Schallplatte zurück? Weil es die reinste Art ist, Musik zu hören. Die analogen Eigenschaften einer Schallplatte lassen jedes Musikstück ehrlicher klingen und verleihen der Musik einen Hintergrund, der ihr bei den digitalen Medien verwehrt bleibt. 

Ohne die Platte gäbe es die Musik in ihrer heutigen Form wohl kaum.

Wie das Knistern eines Kaminfeuers

Es ist nicht nur das Kratzen, das man beim Hören mancher Schallplatte im Hintergrund hört und einen beinahe an das Knistern eines Kaminfeuers erinnert.
Es ist vor allem die Botschaft, die das Medium Schallplatte trägt: Ohne die Platte gäbe es die Musik in ihrer heutigen Form wohl kaum.
Alles begann Mitte des 19. Jahrhunderts: Mitten während der Zweiten Industriellen Revolution begann die Produktion von Schallplatten. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es drei verschiedene Patente der Musikspeicherung und Musikwiedergabe: Der Phonograph, das Graphophon und das Grammophon. Alle drei Begriffe werden häufig synonym verwendet – dabei bezeichnen sie drei unterschiedliche Varianten der Musikspeicherung. 

Die Anfänge der Musikaufzeichnung

Erst das Grammophon machte es möglich, in großen Massen Schallplatten herzustellen: Die Techniken, die es zuvor gab, waren nicht massentauglich.
Eine Schallplatte besteht aus verschiedenen Rillen: Innerhalb dieser Rillen wurde im Schallplattenwerk verschiedene Mulden und Zacken gekratzt. Wenn der Tonabnehmer diese Mulden und Zacken durchquert, entstehen dabei Vibrationen: Diese Vibrationen werden in elektrische Signale umgewandelt und an einen Lautsprecher weitergegeben. 

Doch die Schallplatte war anfangs nicht der einzige Tonträger: Tomas Edisons Phonograph arbeitete mit Tonwalzen. Die Ur-Version dieser Walze besteht aus einem drehbaren zylinderförmigen Körper, auf den eine Zinnfolie aufgezogen wird, die als Tonträger fungiert. Befestigt wird diese Walze mit einer Membran in einer festen Halterung. In der Membranmitte findet sich ein kleiner Stift mit rundlicher Spitze – die Ur-Version des Tonabnehmers. Dieser Stift übt leichten Druck auf die Zinnfolie aus, sodass Schwingungen entstehen. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist die Wiedergabe einer Tonspur.
Das Konzept einer Walzenspieldose, die 100 Jahre zuvor erfunden wurde, ist dem Konzept des ersten Phonographen nicht ganz unähnlich. 

Phonograph-Salons

1889 eröffneten die ersten Phonograph-Salons in Amerika: Es war das erste Mal, dass die breite Masse mit dem neu erfundenen Medium Schallplatte in Berührung kam. Der erste Phonograph-Salon entstand im Mai 1889 in San Francisco: Die Kunden setzten sich an einen Schreibtisch und äußerten durch eine Röhre ihren Titelwunsch. Dann wurde der Titel auf einem Phonographen gespielt, der sich eine Etage unter dem Kunden befand und der Kunde konnte über zwei Ohrhörer seinen Titel hören. Mitte der 1890er Jahre hatte jede amerikanische Stadt mindestens einen Phonograph-Salon.

Lange Zeit waren diese Phonograph-Salons die einzige Möglichkeit, aufgezeichnete Musik zu hören: Die Massenproduktion von Schallplatten und Abspielgeräten befand sich noch in den Kinderschuhen.
Am Anfang nahmen Künstler ihre Aufnahmen direkt auf einem Phonographen auf: Dabei füllte der Künstler während einer Session mehrere Walzen, die sich alle jeweils in einem der Phonographen befanden. Somit war das Aufzeichnen von Musik extrem aufwändig und kostenintensiv – trotzdem war bald beinahe jeder mit dem Konzept der Tonaufzeichnung vertraut und davon begeistert. 

Emil Berliner

Erst langsam kristallisierte sich heraus, dass die Schallplatte die einfachere Methode war, Musik aufzuzeichnen: Schallplatten konnten in Fabriken gestanzt werden, wohingegen die Herstellung von Walzen wesentlich aufwändiger war.
Maßgeblich an der Erfindung der Schallplatte beteiligt war der deutsche, später US-amerikanische Erfinder Emil Berliner: Er meldete 1887 das Patent für einen scheibenförmigen Tonträger an, auf den von außen nach innen schneckenförmig Rillen gekratzt werden und somit die Schwingungen der Aufnahme konserviert werden. Das ist exakt die Definition davon, was man noch heute unter einer Schallplatte versteht.
Zwar unterschied sich die damalige Version der Schallplatte noch in ihrer Größe und Spielzeit von der heutigen, doch das Grundkonzept stand fest. 

Das Grammophon

Nachdem Berliner die Schallplatte als Medium erfunden hatte, brauchte es noch ein entsprechendes Abspielgerät: Ende des 19. Jahrhunderts kam in den Vereinigten Staaten das Berliner Gramophone auf den Markt. 1901 gründete Berliner die Victor Talking Machine Company, um das Grammophon und die zugehörigen Schallplatten herzustellen und zu vermarkten.
1929 mündete die Victor Talking Machine Company in die Radio Corporation of America (RCA Victor). Den Namen RCA gibt es bis heute.
Die Art und Weise, eine Schallplatte aufzuzeichnen, veränderte sich über die Jahrzehnte: Bis 1925 verwendete man zum Aufnehmen einen einzelnen Schalltrichter. Leise Instrumente positionierte man nah beim Trichter, laute Instrumente weiter weg vom Trichter. Von 1925 bis 1945 arbeitete man mit elektrischen Mikrofonen und Signalverstärkern. In den Dreißigern erfand man in Deutschland die Magnetband-Technik, die der rein elektrischen Aufnahmetechnik weit voraus war: Diese Erfindung blieb allerdings bis 1945 deutschen Aufnahmestudios vorbehalten. 

Das Gestalten von Schallplatten-Covern ist eine Branche für sich und bildet eine eigene Kunstform. 

Die Schallplatte hat die Gezeiten überlebt

Von der Herstellung der originalen Master-Aufnahme bis hin zum Pressen der finalen Schallplatte ist die Herstellung einer Schallplatte eine Kultur für sich. Heute gibt es nur noch wenige Fabriken weltweit, die Schallplatten pressen. Nichtsdestotrotz ist die Nachfrage nach Schallplatten hoch: Viele Fabriken arbeiten mit Maschinen aus den Achtzigern, um Schallplatten herzustellen: Seit vielen Jahrzehnten gibt es kaum Entwicklungsarbeit bei dem Bau von neuen Schallplattenpresswerken. Beim Herstellen einer Schallplatte zählt nicht nur die Platte selbst: Das Gestalten von Schallplatten-Covern ist eine Branche für sich und bildet eine eigene Kunstform. 
Der Aufwand, den die Herstellung einer Schallplatte bereitet, ist Teil der Botschaft, die eine Schallplatte ausmacht: Die zahlreichen Qualitätsüberprüfungen und geschulten Hände, die eine Aufnahme passiert, bevor aus ihr eine Schallplatte wird, sind einzigartig. Viele digitale Musikbibliotheken wären um einiges ärmer, würden sie nicht mit zahlreichen Schallplattenaufnahmen aus der Vergangenheit gefüttert werden. Als in den Achtzigern die Compact Disc (CD) als eine der ersten digitalen Methoden zur Musikspeicherung aufkam, drohte die Schallplatte zunächst zu verschwinden: Doch mittlerweile veröffentlicht nahezu jeder Künstler neben seinen digitalen Versionen auch eine Vinyl-Pressung. Die Aussagekraft einer Schallplatte fasziniert bis heute. 

Simon von Ludwig

Musik bei Der Bussard

Maßgebliche Quelle: Miles, Jenna: The Beginner’s Guide to Vinyl, 2017 Adams Media

Beitragsbild: Eine Spieldose, © Simon von Ludwig

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