Ob der Schriftsteller Erich Maria Remarque wohl ahnte, dass seine Romane nicht seine einzigen Werke bleiben würden, die er der Nachwelt überlassen würde? Man könnte gar meinen, seine Liebesbriefe an Marlene Dietrich seien eine Art „Rohform“ seiner Romane: Doch wie kann eine Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen ihren Höhepunkt im Verfassen eines Romans finden?
Remarque fühlte sich der typischen Schriftsteller-Welt, die damals existierte, kaum verbunden. Sich wie andere Schriftsteller gemeinsam in sogenannten Literaturcafés mit anderen Vertretern seines Berufes zusammensetzen? So etwas kam für Remarque nicht infrage.  
Er zog sich – nicht zuletzt wegen politischer Umstände – lieber nach Porto Ronco in der Schweiz zurück und lebte von dem materiellen Reichtum, den ihm der Erfolg von „Im Westen nichts Neues“ beschert hatte. Doch manchmal zog es den Schriftsteller auch weg von seinem Domizil… 

Die Terminierung des Friedens

In den 1930ern hatte die nach ihrem Initialerfolg „Der blaue Engel“ mittlerweile zum Weltruhm aufgestiegene Schauspielerin Marlene Dietrich ihren Lebensmittelpunkt zwar nach Hollywood verlegt, doch in Europa befanden sich nach wie vor ihre Wurzeln: Zwar mied sie ihre Heimat Deutschland aus guten Gründen, doch bis Ende der Dreißiger Jahre hielt sie nichts davon ab, ausgedehnte Sommerurlaube unter anderem in Antibes an der französischen Riviera zu verbringen.   

Schließlich war die Zeit des Friedens terminiert: „Dies ist kein Friedensvertrag, es ist ein Waffenstillstand auf 20 Jahre.“, hatte General Foch, der Oberbefehlshaber der alliierten Truppen im Ersten Weltkrieg über den Versailler Vertrag gesagt.   
Man musste kein Hellseher sein, um spätestens Ende der Dreißiger zu erkennen, dass General Fochs „Terminierung des Friedens“ auf das Jahr genau Realität werden würde… 

Der Nachwelt blieben somit nur die Briefe von Remarque an seinen „Puma“, wie er die Dietrich zu liebkosen pflegte.

Eifersucht

Remarques letzte Ehefrau Paulette Goddard vernichtete nach dem Tod ihres Mannes 1970 sämtliche Liebesbriefe, die Marlene Dietrich an Goddards verstorbenen Mann verfasst hatte. Ob sie ahnte, welches Stück Zeitgeschichte sie damit vernichtete? Wohl kaum. Vielmehr war Goddard hier von der Eifersucht gesteuert – obwohl ihr Mann verstorben war und die Liebesbeziehung Remarques mit Dietrich mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit lag.   

Der Nachwelt blieben somit nur die Briefe von Remarque an seinen „Puma“, wie er die Dietrich zu liebkosen pflegte. Man kann sich nur vorstellen, wie die Antworten der Dietrich ausgesehen haben müssen: Vielleicht waren Dietrichs Liebesbekundungen an Remarque in ihrer Ausführlichkeit kaum zu überbieten, vielleicht verstand es die Diva aber auch, sich rar zu machen und dadurch den weltgewandten Charmeur immer weiter in ihren Bann zu ziehen?

Ausnahmeerscheinungen

Eines steht fest: Während Remarque in seinem Anwesen in der Schweiz Liebesbrief über Liebesbrief an Marlene Dietrich verfasste, plagten die Diva ganz andere Sorgen in Hollywood. Während die Dietrich gerade den neuesten Brief von Remarque in den Händen hielt, plagten die Schauspielerin Sorgen um eine gerade erfolgte Vertragskündigung in Hollywood oder um Steuerschulden.   

Wenn sich die beiden nicht gerade am selben Ort befanden, kühlte die Beziehung deutlich ab. Doch Remarque bemühte sich sehr darum, eine wichtige Rolle im Leben der Diva spielen zu dürfen. 

Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque gehörten damals zu den Menschen, die sich eine solche Liebesbeziehung gewissermaßen leisten konnten: Remarques Domizil in der exklusiven Schweiz kam nicht von irgendwoher. Vielen anderen deutschen Kulturschaffenden, die sich wegen der politischen Situation auf der Flucht befanden, war es nicht vergönnt, sich auf einem großzügigen Anwesen in der Schweiz niederzulassen. Genauso wenig war es üblich, dass Marlene Dietrich als deutsche Schauspielerin den Sprung nach Hollywood geschafft hatte und folglich auch keine materiellen Sorgen mehr hatte. Sowohl Remarque als auch Dietrich waren beide Ausnahmeerscheinungen, die angesichts des Trubels in ihren Leben vor allem ein – aus ihrer Sicht schier unerreichbares – Ziel hatten: Sie wollten ihr Leben leben. 

Bücher in Flammen

Doch wie es immer so schön heißt: Der Ruhm und der materielle Reichtum haben ihren Preis. Vor allem damals. Remarques Bücher wurden in den Dreißigern in Deutschland öffentlichkeitswirksam verbrannt und gleichzeitig hatte ab Mitte der Dreißiger der Vorkriegs-Hollywoodruhm von Marlene Dietrich seinen Zenit überschritten: Die Zeichen der Zeit lassen nun einmal auch nicht, oder ganz besonders nicht, ihre berühmtesten Vertreter verschont. Schließlich waren es damals wie heute bekannte Persönlichkeiten, die die Vertreter der jeweiligen Weltmacht auf die eine oder andere Weise versuchten, zum eigenen Vorteil in einem Konflikt zu benutzen. Den guten Ruf, den sich Remarque als Autor des kriegskritischen Werks „Im Westen nichts Neues“ erarbeitet hatte, versuchte man in seiner alten Heimat zunächst aufzugreifen und zu Propagandazwecken weiterzuverarbeiten, bis Remarque den neuen Machthabern seiner Heimat eine Absage erteilte und seine Bücher folglich in den Flammen landeten. 

Die Figur der Joan Madou trug nicht nur positive Charakterzüge.

Arc de Triomphe: Remarque verewigt seine Geliebte

Nicht anders war es bei Marlene Dietrich: Nur, dass die Dietrich ein weitaus brillanteres Spiel trieb. Sie verstand es, bis auf den letzten Drücker nicht gänzlich auszuschließen, dass sie sich schließlich doch noch in die Dienste der neuen Machthaber ihrer Heimat stellen würde. Schließlich befand sich noch eine ganze Weile ein Teil ihrer Familie in ihrer Heimat Berlin, der sie den Rücken gekehrt hatte. Bis Marlene Dietrich tatsächlich vor US-amerikanischen Soldaten stand und sie im Dienste der Truppenbetreuung unterhielt, sollte noch einige Zeit vergehen.   

Als sich Erich Maria Remarque dazu entschloss, seine Geliebte im Roman „Arc de Triomphe“ in der Figur der Joan Madou zu verewigen, kann dies gewissermaßen als der Höhepunkt der Liebesbeziehung gesehen werden: Die Figur der Joan Madou trug nicht nur positive Charakterzüge, sie machte sich rar, nahm sich das, was sie wollte von anderen Menschen. Charakterzüge, die Remarque vielleicht auch bei der Dietrich fand?

Die Liebe zweier Exilanten 

Marlene war jedenfalls nicht allzu begeistert, als sie den langerwarteten Roman „Arc de Triomphe“ zum ersten Mal zu lesen bekam: Waren es die Charakterzüge der Joan Madou, die zweifelsohne ihre eigenen karikierten, die sie zu dieser fehlenden Begeisterung führten? Oder war es schlichtweg die Tatsache, dass ihre Liebesbeziehung zu Remarque nun öffentliches Gut war? Vielleicht war es ja auch eine Mischung aus beidem…   
Mit dem Aufkommen des Zweiten Weltkriegs kühlte sich die Beziehung der Beiden immer weiter ab: Remarque war inzwischen in die Vereinigten Staaten ausgewandert, doch die räumliche Nähe zu seiner Angebeteten konnte den Verfall ihrer Liebesbeziehung nicht aufhalten.   

Nichtsdestotrotz bleibt die Romanze zwischen Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque als eine der legendärsten und magischsten Romanzen der damaligen Zeit in Erinnerung – nicht nur lässt sich anhand ihrer Beziehung die Geschichte einer Generation an Kulturschaffenden erzählen, sie erzählt auch die Geschichte zweier Individuen, die nicht in die Schemata ihrer Zeit passten und dafür für immer von ihrer Heimat verstoßen wurden.

Simon von Ludwig


Maßgebliche Quelle: Hüetlin, Thomas: ‚Man lebt sein Leben nur einmal‘ – Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque, 2024 Kiepenheuer & Witsch

Beitragsbild zusammengesetzt aus:
1) Linkes Bild: Marlene Dietrich 1962 am Flughafen Amsterdam Schiphol, Fotograaf Nijs, Jac. de / Anefo, Nationaal Archief, CC0
2) Rechtes Bild: Erich Maria Remarque zw. 1950 und 1960 auf seinem Anwesen in Porto Ronco bei Ascona, Comet Photo AG, CC BY-SA 4.0, ETH Zürich Bildarchiv


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