Für viele Leser ist der Begriff der „Leibesübungen“ sicherlich etwas Neues: Grundsätzlich waren „Leibesübungen“ früher das Unterrichtsfach, welches man heute als „Sport“ bezeichnet. Ein großer Unterschied zwischen den beiden Fächern ist allerdings die Ideologie, die man mit den  „Leibesübungen“ verbindet. Leibesübungen dienten früher vor allem dazu, eine Vervollkommnung des Körpers zu erreichen: Eine „(…) Erhaltung oder Steigerung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit“ wurde mit dem regelmäßigen Betreiben von Leibesübungen angestrebt. 

Das Ideal der Vervollkommnung hängt eng mit dem Begriff der Eugenik zusammen: Bei der Eugenik geht es darum, die Menschheit hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Merkmale zu verbessern. Wichtig dabei sind die Gene – es gilt, „positive Gene“ zu fördern und „negative Gene“ an ihrer Ausbreitung zu hindern.
Die Leibeserziehung war in der nationalsozialistischen Ideologie von großer Wichtigkeit: 
„Bewegung, Turnen, Spiel und Sport [wurden] als der Bereich angesehen, in dem Jugendliche am leichtesten zu erziehen seien (…)“.
Da die Heranziehung einer indoktrinierten Jugend ein Grundpfeiler der NS-Ideologie war, waren die Leibesübungen für die Nationalsozialisten ein willkommenes Mittel. 

Leni Riefenstahl und die Olympischen Spiele 1936

Die deutsche Regisseurin Leni Riefenstahl drehte im Auftrag des NS-Propagandaministeriums einen zweiteiligen Film über die Olympischen Spiele 1936: „Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“. Schon der Titel des zweiten Teils, „Fest der Schönheit“, verrät etwas über die Gesinnung des Films – im Film wird nämlich der menschliche Körper (die „Schönheit“) auf sportliche Weise (das „Fest“) inszeniert. 
Da die Olympischen Spiele 1936 drei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten stattfanden, standen sie bereits im Zeichen der NS-Diktatur. Ziel der Spiele war eine Machtdemonstration der nationalsozialistischen Führung: In der vorangehenden Weimarer Republik (1919–1933) durfte Deutschland nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Dass Deutschland bereits 1936 wieder Austragungsland war, dass Deutschland nun weniger isoliert sei, nutzte die nationalsozialistische Führung zu ihrem Vorteil.

Der US-amerikanische Leichtathlet Glenn Morris mit Leni Riefenstahl bei den Dreharbeiten zum Olympiafilm 1936, Quelle: Wikimedia Commons

Die Wahl des NS-Regimes, Leni Riefenstahl Regie führen zu lassen, kam nicht aus heiterem Himmel, denn Riefenstahl stand schon früh für die Leibesübungen: 
Im Film „Wege zu Kraft und Schönheit“ (1925), den mal als Werbefilm für die Leibesübungen bezeichnen kann, hatte Riefenstahl einen ihrer ersten Auftritte als Schauspielerin. Die Szene, in der Riefenstahl auftritt, wird von einer Texteinblendung eingeleitet: „Tägliche Leibesübungen! Ohne Geräte! Keine Kosten! Nur ein paar Minuten.“ Anschließend sieht man Riefenstahl dabei, wie sie für die Ertüchtigung ihres Körpers sorgt. 

Die „Eigenwelttheorie“

Nach 1945, nachdem das NS-Regime gefallen war, gab es eine kleine Revolution in der Welt der Leibeserziehung beziehungsweise des Sports: Die im Fachjargon als „Eigenwelttheorie“ bezeichnete Theorie verstand die Leibeserziehung als einen „eigenständigen gesellschaftlichen Frei-Raum neben dem ‚wirklichen‘ Leben (…)“
Diese Theorie stand im Gegensatz zu der Rolle der Leibesübungen im Nationalsozialismus: Von nun an sollte die Leibeserziehung frei von jeglicher Art der Politisierung sein – somit sollte verhindert werden, dass die Leibeserziehung erneut dazu verwendet werden kann, Jugendliche einer staatlichen Indoktrinierung auszusetzen. 
Viele Menschen verstehen auch heute noch den Sport als einen „gesellschaftlichen Frei-Raum“: Das Workout am Morgen oder der Besuch im Fitness-Studio am Abend bedeutet häufig eine Befreiung aus dem auslaugenden Alltag und eröffnet aus Sicht vieler Sporttreibender neue Perspektiven auf das Leben. Abschließend ist festzuhalten, dass die Leibesübungen bis heute einen großen Einfluss auf unseren Alltag haben: Heute bezeichnet man mit dem „Sport“ eine ganze Familie an Sportarten, die stetig wächst. Es ist für viele Menschen üblich, sportliche Betätigung als einen Segen anzusehen – mit einem Blick auf die Geschichte des Sports kann man sagen, dass sportliche Betätigung nicht immer ein Segen war.
Daher erscheint es umso wichtiger, zu schätzen, dass der Sport in der heutigen Zeit frei von ideologischer Indoktrinierung ist und wir ihn stattdessen als einen Segen ansehen können. 

Simon Ludwig

Die Quellennachweise wurden aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausgeblendet. Sollten zum Zweck einer eigenen Recherche Quellennachweise gewünscht sein, kann man den Bussard kontaktieren.

Beitragsbild: Leni Riefenstahl bei Dreharbeiten 1934, Quelle: Wikimedia Commons

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