Dieser Artikel erscheint am 14. Januar 2025, dem Tag, an dem Caterina Valente 94 Jahre alt geworden wäre.
Es gab wenige Sängerinnen, deren Stimme stellvertretend für eine komplette Generation steht: Caterina Valente war eine dieser Stimmen. Wie kaum eine andere Sängerin prägte sie das Zeitalter des „Wirtschaftswunders“ im Deutschland der 1950er Jahre und besang es auch in Songs wie Es geht besser, besser, besser.
Man mag sich gar fragen, hätte sich die deutsche Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg so schnell erholt, wenn Valente die Menschen in Deutschland damals nicht mit den richtigen Songs in die entsprechende Stimmung gebracht hätte?
Spiel noch einmal für mich, Habanero
Die Ideen, die sich damals die Musikproduzenten einfallen ließen, um die erwünschten Effekte auf einer Aufnahme zu erzielen, waren schier unbegrenzt: So wurde etwa für den Song Spiel noch einmal für mich, Habanero das Aufnahmeequipment kurzerhand in ein marmornes Badezimmer verlegt, um die natürliche Akustik eines marmornen Raumes auszunutzen. Heute würde man dafür digitale Technik nutzen – ob man mit digitaler Technik den gleichen charakteristischen Hall auf der Aufnahme hören würde?
Die Produzenten und Tontechniker nutzten das Handwerk, um das Maximum aus der einmaligen Stimme von Caterina Valente herauszuholen. Mit begrenzten, aus heutiger Sicht primitiv und improvisiert erscheinenden Mitteln, kreierte man damals ein einmaliges Kunstwerk.
Egal, ob es sich um ein Chanson, um einen Jazzstandard oder einen Schlagersong handelte – Valente interpretierte sie alle mit Bravour.
Die siebte Generation im Showbusiness
Caterina Valente wurde ins Showbusiness wortwörtlich hineingeboren: Zum ersten Mal auf der Bühne stand sie im Alter von fünf Jahren.
Die italienische Sängerin Valente stammte aus einer bekannten Künstlerfamilie: Die Gabe zum Entertainment wurde der späteren Sängerin und Schauspielerin sozusagen in die Wiege gelegt. In einer Desert Island Discs-Sendung von 1971 eröffnete Caterina Valente gegenüber dem BBC-Moderator Roy Plomley, dass sie bereits die siebte Generation in ihrer Familie gewesen sei, die im Showbusiness aktiv war. Ihre Mutter war die bekannte italienische Sängerin und Zirkusclown Maria Valente.
Möchte man erfolgreich auf einer Zirkusbühne auftreten, benötigt man dafür eine breite Palette an Fähigkeiten: Eine dieser Fähigkeiten ist die Improvisation und das Timing, im genau richtigen Moment das zu tun, was das Publikum amüsiert. Ohne diese Erfahrungen als Kind und Jugendliche auf der Vaudeville-Bühne und im Zirkus wäre aus Caterina Valente wohl kaum jene Sängerin geworden, deren musikalisches Repertoire vor keinem Genre Halt machte: Egal, ob es sich um ein Chanson, um einen Jazzstandard oder einen Schlagersong handelte – Valente interpretierte sie alle mit Bravour.
Talent im Film
Große Bekanntheit in Deutschland erlangte Caterina Valente vor allem durch ihre zahlreichen Filme, darunter Und abends in die Scala (1958) und Casino de Paris (1957).
Diese Filme waren dadurch gekennzeichnet, dass Valente ihr Gesangstalent in einigen Szenen zum Besten gab: In Und abends in die Scala schlüpft Caterina Valente gar in die Rolle der Varietékünstlerin Caterina Duval. Der 1958 erschienene Musikfilm kann als einer der künstlerischen Höhepunkte der Karriere von Caterina Valente angesehen werden: Im Film gibt Valente nicht nur ihren Erfolg Spiel noch einmal für mich, Habanero zum Besten, sondern auch die Hits Eine Nacht am Rio Grande und Musik liegt in der Luft. Der Fokus bei diesen Filmen liegt weniger auf der Filmhandlung an sich, sondern bot den engagierten Künstlern eine Möglichkeit, ihr vielseitiges Talent zur Schau zu stellen: In Und abends in die Scala gelang dies wie in keinem anderen Film.
Durch Caterina Valente geweckte Urlaubslust
Dass aus Valente später eine erfolgreiche Schlagersängerin wurde, war keineswegs ein Zufall: Das französische Vaudeville, wo Valentes künstlerische Heimat lag, weist zahlreiche Gemeinsamkeiten zu jener künstlerischen Richtung auf, die Valente später in ihrem Leben einschlug.
Als sie Anfang der 1950er erfolgreich beim damals sehr renommierten Orchester von Kurt Edelhagen vorsang, wurde ihr einmaliges musikalisches Talent für die damals gerade wieder aufblühende deutsche Musikindustrie entdeckt: Fortan war Caterina Valente die Stimme, mit der man sich in fremde Länder träumen konnte: Man kann durchaus davon ausgehen, dass Songs wie Ganz Paris träumt von der Liebe oder Komm ein bisschen mit nach Italien die Urlaubslust vieler Menschen gesteigert oder gar erst geweckt hat.
Das schmälert nicht die schier unfassbare künstlerische Vielfalt, für die Caterina Valente noch ein halbes Jahrhundert nach dem Erscheinen ihrer bekanntesten Lieder steht: In beinahe einem Dutzend Sprachen sang Caterina Valente ihre Lieder, ein halbes Dutzend davon sprach die Italienerin flüssig: Damit kann man Caterina Valente als eine echte Kosmopolitin bezeichnen.
Die Menschen sehnten sich nach einem Star, der zwar glamourös genug war, um „Star“ genannt zu werden.
Weltweites Phänomen
Zu Beginn der 1960er Jahre erhielt Caterina Valente ihre eigene Show im deutschen Fernsehen, Bonsoir Kathrin. Die Show wurde bis in die 1970er hinein produziert und ausgestrahlt.
In ihrer späteren Karriere war die Sängerin Caterina Valente ein weltweites Phänomen: Ihren US-amerikanischen Durchbruch konnte sie dank regelmäßiger Auftritte in der legendären Perry Como-Show feiern. Damit war der Name Caterina Valente auch den Fernsehzuschauern auf der anderen Seite des Atlantiks bekannt.
Das nach dem Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges im Wiederaufbau befindliche Deutschland war der perfekte Platz für eine Artistin wie Caterina Valente: Die Menschen sehnten sich nach einem Star, der zwar glamourös genug war, um „Star“ genannt zu werden. Dennoch behielt Caterina Valente mit ihrer Art immer eine gewisse Nähe zum Publikum, was sie trotz ihres Status als Star zu einer nahbaren Persönlichkeit machten.
Bongo Cha Cha Cha
Wer denkt, die Musik von Caterina Valente würde im 21. Jahrhundert die Gemüter vollkommen kalt lassen, liegt falsch: Der Schlager Hit Bongo Cha Cha Cha aus dem Jahr 1958 kam 2019 im Marvel-Film Spider-Man: Far From Home zum Einsatz. In der Folge wurde der Hit-Schlager in verschiedenen Internet-Memes aufgegriffen.
Ob das Publikum der sozialen Netzwerke überhaupt realisierte, wessen Stimme sie in den knapp 250 Millionen erstellten Videos mit diesem Schlager hörten?
Wahrscheinlich lag der Fokus bei solchen Beiträgen in sozialen Netzwerken eher auf dem herumalbernden Hund, der vermeintlich zur Musik Caterina Valentes tanzte. Die Musik und die Kunst steht bei diesen Beiträgen keineswegs im Vordergrund. In der Folge interessierte man sich dafür, aus dem Schlager-Hit der 1950er Remixes zu gestalten – entgegen der Ablehnung von Caterina Valente wurde das Vorgehen profitabel umgesetzt.
Der „Jet der Phantasie“
Caterina Valente gab der deutschen Kulturlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg das, was damals sonst der amerikanischen Kultur vorbehalten war: Im Laufe der Jahre avancierte die italienischstämmige Caterina Valente zu einem Star von Weltformat, etwas, das man sonst in dieser Form nur von Hollywood-Stars kannte.
Die Autorin Kathrin Brigl bezeichnet in ihrem Essay über Caterina Valente, der beiliegend zu einer Wiederveröffentlichung ihrer Aufnahmen für das Polydor-Plattenlabel veröffentlicht wurde, die Künstlerin als „perfekte Stewardess im Jet der Phantasie“. Genau das war Caterina Valente für viele deutsche Schallplattenhörer in der damaligen Zeit: Nach Südeuropa oder gar nach Brasilien zu reisen – undenkbar für die meisten Menschen in der damaligen Zeit. Aber Caterina Valente besang die Pracht jener Urlaubsorte und nahm den Zuhörer so mit auf eine Reise im „Jet der Phantasie“. Ein Hauch dieser Nostalgie schwingt bis heute in ihrer Musik mit.

Maßgebliche Quellen: Das beiliegende Buch zu „Bear Family Records: Polydor Recordings 1954-1958 (8-CD Box Set)“ mit einem Essay von Kathrin Brigl, Ausschnitt aus einem Interview mit Caterina Valente in der BBC-Reihe „Desert Island Discs“.
Beitragsbild: Caterina Valente 1962 am Flughafen Amsterdam Schiphol, Nationaal Archief, CC0, Fotograf: Nijs, Jac. de / Anefo