Fortsetzung von Teil eins

Nach der Auflösung von Wham! ging George Michael zunächst für einige Zeit in die Vereinigten Staaten: Seine Solo-Karriere erhielt durch den Hit I Knew You Were Waiting (For Me), den er gemeinsam mit Aretha Franklin aufzeichnete, einen ersten Schub. Michael wusste, dass er mit dem Ziel einer erfolgreichen Solo-Karriere den US-amerikanischen Musikmarkt erobern musste. Das gelang ihm auch: Sein erstes Solo-Album Faith wurde von der US-amerikanischen Musikpresse hochgepriesen. Der Sänger selbst äußerte sich später zu seinem ersten Solo-Album Faith, dass es eigentlich gar kein so tolles Album gewesen sei: Michael ging sogar soweit, zu sagen, sein erstes Soloalbum sei überbewertet worden. Nichtsdestotrotz half ihm der Erfolg seines ersten Albums dabei, sich insbesondere in den USA einen Ruf als Popsänger zu erarbeiten. Jene Musikbegeisterten, die mit dem Album Faith auf den Künstler aufmerksam geworden waren, konnten sich in den folgenden Jahren auf eine musikalische Reise freuen… 

Die britische Öffentlichkeit tat sich zunächst schwer damit, George Michael als Solo-Künstler wahrzunehmen – in den Vereinigten Staaten ging das weitaus schneller.

Der Solo-Künstler

In den späten Achtzigern war George Michael damit beschäftigt, sein neues Solo-Album und seine Solo-Karriere zu bewerben: 1988 gab George Michael insgesamt fas 170 Konzerte weltweit, ausverkaufte Stadien und Arenen waren der Regelfall.
In Großbritannien war man Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger immer noch der Ansicht, George Michael müsse in das typische Wham!-Gefüge passen und die Rolle des sorgenlosen Teenagers, der von tropischen Inseln und kurzlebigen Liebesbeziehungen singt, einnehmen. Die satirischen und tiefgründigeren Songs, die George Michael auch zu Wham!-Zeiten schon verfasste, standen meist nicht im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Die britische Öffentlichkeit tat sich zunächst schwer damit, George Michael als Solo-Künstler wahrzunehmen – in den Vereinigten Staaten ging das weitaus schneller.
Mit Praying For Time, das 1990 auf dem Album Listen Without Prejudice Vol. 1 veröffentlicht wurde, landete George Michael erneut einen großen Hit in den USA.
Mit dem Album Listen Without Prejudice kam George Michael auch in seiner britischen Heimat gut an: George Michael war in vielerlei Hinsicht anders als sein ehemaliger Band-Partner Andrew Ridgeley: Ridgeley unternahm zwar ebenfalls den Versuch, eine Solo-Karriere zu starten, aber ein nachhaltiger Erfolg als Solo-Künstler hatte für Ridgeley keineswegs eine so hohe Bedeutung wie für George Michael. 

„Professionelle Sklaverei“

Anfang der Neunziger befand sich George Michaels Solo-Karriere auf einem Allzeithoch, doch das bedeutete nicht, dass der Künstler ein sorgenfreies Leben führte: Er sah sich selbst in einer Art der „professionellen Sklaverei“ gefangen, die mit dem Vertragsverhältnis zu seinem Plattenlabel in engem Zusammenhang stand. Damals wurde von jedem Künstler, der den Bekanntheitsgrad eines George Michael aufwies, erwartet, seine neuen Alben und seine gesamte Persönlichkeit immens zu bewerben. Tat er dies nicht, kam er nicht nur seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach, sondern er setzte den nachhaltigen Erfolg seiner Schallplattenverkäufe auf Spiel.
George Michael hatte es jedoch satt, sich mit jeder anstehenden Veröffentlichung derart in Szene zu setzen, dass er für einige Monate nichts anderes tat, als sich selbst zu bewerben und folglich keine Zeit und Energie hatte, Musik zu schreiben. Er war der Überzeugung, seine Fans würden auch so – ohne große Werbemaßnahmen – seine Alben kaufen.
Hinzu kam, dass er sich Anfang der Neunziger nach wie vor in einem äußerst fragwürdigen Vertragsverhältnis befand, dass noch auf seine Anfangszeit mit Wham! zurückging, als der noch unbekannte Michael jeden Vertrag unterzeichnete, weil es womöglich seine einzige Chance war. Einen öffentlichkeitswirksamen Prozess vor dem Londoner High Court verlor George Michael, dennoch gelang es ihm im Nachhinein, sich aus dem Vertragsverhältnis, das er als „professionelle Sklaverei“ bezeichnete, zu befreien.

Somebody To Love

Beim Freddie Mercury Tribute Concert am 20. April 1992 lieferte George Michael einen der besten und seiner Ansicht nach wichtigsten Auftritte seiner gesamten Karriere ab: Seine einmalige Performance von Somebody To Love erscheint umso emotionaler vor dem Hintergrund, dass George Michael damals gerade davon erfahren hatte, dass sein Lebensgefährte unter der gleichen Krankheit litt, die auch Freddie Mercury das Leben gekostet hatte. Über den Tod seines Lebensgefährten 1993 soll George Michael nie ganz hinweggekommen sein: In den folgenden Jahren war Michael nach eigenen Angaben von einer Schreibblockade geplagt, an kreative Tätigkeiten war nicht mehr zu denken. Erst allmählich fand der Sänger zurück zu seiner kreativen Tätigkeit – er setzte sich zum Ziel, dass sein nächstes Album Older vor allem von der Trauerbewältigung handeln würde.
Mit Jesus To a Child, das seinem verstorbenen Lebensgefährten gewidmet war, feierte George Michael 1996 einen seiner größten Hits: Das äußerliche Erscheinungsbild von Michael hatte sich inzwischen auch stark verändert. Vom typischen Look der Achtziger hatte sich der Sänger inzwischen verabschiedet, mittlerweile präsentierte er sich mit einem Kurzhaarschnitt und einem Kinnbart. 

Für einen Popstar war es Ende der Neunziger alles andere als üblich, Jazzstandards zu interpretieren.

Mehr als nur „Sex und Liebe“

„Man kommt an einen Punkt, an dem man etwas schreibt, das man vorher noch nicht geschrieben hat und wozu einem sein Interesse für ein spezielles Thema inspiriert. Das ist der Grund, weshalb die meisten Texter an breitere Themen herangehen als Sex und Liebe, wissen Sie?“, sagte George Michael später.

[Originalzitat: „There comes a point where you have to write something which you haven’t written before, and which your interest in any particular topic or subject will inspire you, and that’s why, I suppose, eventually, most lyricists, do approach wider topics than sex and love, you know?“]

Genau das erkannte George Michael: Um als Singer-Songwriter nachhaltig Erfolge zu feiern und im Kollektivgedächtnis zu bleiben, musste er über mehr schreiben als über „Sex und Liebe“.
Sein vorletztes Studioalbum Songs from the Last Century (1999) ist genau vor dem Kontext dieser Aussage zu sehen: Auf dem Album interpretierte George Michael Jazzstandards und Klassiker der Popmusik. Für einen Popstar war es Ende der Neunziger alles andere als üblich, Jazzstandards zu interpretieren: Mit jenem Album stand fest, dass Michael seine Gesangskunst perfekt beherrschte.
2004 veröffentlichte George Michael sein letztes Studioalbum mit eigenem Material, Patience. In den folgenden Jahren konzentrierte sich Michael hauptsächlich auf Live-Konzerte und Tourneen, darunter 2006/2007 mit seiner 106 Shows umfassenden 25 Live Tour

Vermächtnis

George Michael hatte sich bereits früh in seinem Leben zum Ziel gesetzt: Er wollte Popstar werden. Betrachtet man sein musikalisches Vermächtnis, schaffte er mehr als das – seine Tätigkeit als Singer-Songwriter ist nicht vergleichbar damit, was andere Popstars seiner Generation erreichten – Michael verstand früh, dass er ein anderes Image brauchte als die großen Popstars der damaligen Zeit. Michael umging dieses Problem, indem er im Laufe seiner Solo-Karriere weniger Wert auf ein Image legte, als auf eine künstlerische Botschaft und ein reichhaltiges Vermächtnis als Singer-Songwriter, das ihn gewissermaßen unsterblich machte. Mit der Entscheidung, ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Karriere und seine Persönlichkeit nicht mehr – wie bis heute bei Popmusikern üblich – in übermäßigem Maße zu bewerben, schaffte er eine zeitlose Aura, die sein Werk als Musiker bis heute umgibt. Insbesondere seine Interpretationen von klassischen Liedern der Popmusik aus dem 20. Jahrhundert (veröffentlicht auf seinem Album Songs from The Last Century) zeigen seinen kultivierten und gekonnten Umgang mit dem Genre der Popmusik, wie es kein anderer Künstler seiner Generation unter Beweis stellte.

Simon von Ludwig


Maßgebliche Quellen: Steele, Robert: Careless Whispers – The Life & Career of George Michael, 2017 Omnibus Press & die Dokumentation „Freedom Uncut“.

Beitragsbild: © Simon von Ludwig


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