Denkt man an einen Ring, der als Schmuckstück dienen soll, fallen einem sofort die gängigen Materialien Gold, Silber, Platin oder Titan ein: Alle anderen Materialien gelten im Volksmund als Modeschmuck. In den letzten Jahrzehnten hat sich allerdings ein neues Material in der Schmuckindustrie einen Ruf erarbeitet: Das Wolframcarbid.
Wegen seiner einzigartigen Materialeigenschaften wird dem Wolframcarbid nachgesagt, beinahe so hart wie Diamant zu sein – selbstverständlich zu einem wesentlich geringeren Preis als Diamanten.
Chemisch betrachtet besteht Wolframcarbid aus den Elementen Wolfram und Kohlenstoff: Wolframcarbid bezeichnet eine Verschmelzung dieser beiden Elemente zu einer Keramik. Das Material Wolframcarbid ist auch aus dem Autobau bekannt, wo es als Beschichtung von Bremsscheiben zum Einsatz kommt.
Doch was genau ist Wolfram?

Gold verfügt über eine geringfügig höhere Dichte als Wolfram. 

Tungsten Carbide

Wolfram wurde erst Mitte des 18. Jahrhunderts entdeckt: Der schwedische Mineraloge und Chemiker Axel Frederik Cronstedt berichtete 1758 von der Entdeckung eines außergewöhnlich harten Metalls, das er Tungsten taufte. Tungsten stammt aus dem Schwedischen und bedeutet so viel wie „schwerer Stein“. International setzte sich zwar der Name Wolfram für das außergewöhnliche Metall durch, doch auf vielen Wolframcarbid-Schmuckstücken ist heute die Bezeichnung „Tungsten Carbide“ eingelasert.
Beim Wolfram handelt es sich um ein Schwermetall der Superlative: Seinen Schmelzpunkt erreicht es erst bei fast 3500 Grad Celsius, was es zum Metall mit dem höchsten Schmelzpunkt überhaupt macht und in einer enormen Festigkeit resultiert. Mit einer Dichte von 19,25 g/cm³ zählt Wolfram außerdem zu den schwersten Metallen der Welt: Deshalb sind Schmuckstücke aus Wolframcarbid recht schwer und wirken dadurch wertig. Gold verfügt über eine geringfügig höhere Dichte als Wolfram. 

Einsatz und Herstellung

Der Glühdraht einer klassischen Glühlampe besteht aus Wolfram: Wegen des hohen Schmelzpunkts von Wolfram ist das Material prädestiniert für den Einsatz in einer Glühlampe.
Aufgrund seiner außergewöhnlichen Härte war Wolfram im Zweiten Weltkrieg besonders begehrt in der Waffenindustrie: Wolfram wurde unter anderem für Panzergeschosse verwendet. Das brachte dem Schwermetall einen Ruf als „Waffenstahl“ ein.
Lange Zeit dachte niemand daran, Wolfram in der Schmuckherstellung zu verwenden: Das Material galt als schwer zu verarbeiten und möchte man ein Schmuckstück nachträglich anpassen, kann sich das als äußerst schwierig erweisen. Das Gravieren von Schmuckstücken aus Wolframcarbid ist außerdem mit herkömmlichen Mitteln nicht möglich – ähnlich wie bei Titan muss zu einer Lasergravur gegriffen werden. In den Sechzigern und Siebzigern fand man heraus, dass die Verwendung von Wolframcarbid in der Uhrenherstellung von besonderem Vorteil sein kann: Mit Wolframcarbid soll die erste kratzfeste Uhr aller Zeiten konstruiert worden sein, heute bewirbt man das Material von Uhren, die mit Wolframcarbid hergestellt werden, als High-Tech-Keramik. 

Fast bei jedem Schmuckstück, das aus der unverwüstlichen Keramik gefertigt wurde, handelt es sich um ein Einzelstück. 

Einzelstücke

Wolframcarbid ist jedoch alles andere als einfach in der Herstellung: Schmuckstücke aus Wolframcarbid können nicht mit Werkzeugen, wie sie bei konventionellen Edelmetallen zum Einsatz kommen, bearbeitet werden. Zur Bearbeitung der Keramik kommt nur Lasertechnik oder Werkzeug aus Diamant infrage: Infolgedessen fällt bei Schmuckstücken aus Wolframcarbid nicht nur der Materialpreis an, sondern ein entsprechend höherer Preis, der für die Verarbeitung der Keramik anfällt. Nichtsdestotrotz sind Schmuckstücke aus Wolframcarbid aktuell wesentlich preisgünstiger als gängige Schmuckstücke aus Gold oder Platin. Häufig kommt das Material bei Platinlegierungen zum Einsatz: Der weiche Charakter von Platin schafft das Bedürfnis nach einem besonders harten Partnerkomponenten wie Wolframcarbid in einer Legierung.
Hinzu kommt, dass Schmuck aus Wolframcarbid immer noch eine Seltenheit ist – fast bei jedem Schmuckstück, das aus der unverwüstlichen Keramik gefertigt wurde, handelt es sich um ein Einzelstück. 

Simon von Ludwig


Beitragsbild: Ein Wolframcarbid-Ring, © Simon von Ludwig


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