Teil drei

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Es war der 3. Juni 1984: Das sechste Rennen der Formel Eins-Weltmeisterschaft von 1984 stand auf dem Kalender – der 42. Grand Prix Automobile de Monaco zog tausende von Zuschauern in das Fürstentum. Ayrton Senna war inzwischen beim Team Toleman in der Formel Eins angekommen. Die Rennstrecke in Monaco zählt seit jeher zu den Highlights einer jeden Rennsaison – Nelson Piquet beschrieb den Großen Preis von Monaco mit folgenden Worten: 

„Formel 1 fahren in Monaco ist wie Hubschrauber fliegen im Wohnzimmer.“

Die engen Gassen von Monaco

Es war Sennas erste Formel Eins-Saison. Die Zuschauer rechneten mit einem Sieg von Alain Prost, Niki Lauda oder Nigel Mansell, dessen Lieblingsstrecke es war. Auf der Strecke in Monaco darf man sich keinen Fehler erlauben – die Kurven sind eng, ein starker Abtrieb ist Pflichtprogramm.
Ayrton qualifizierte sich in seinem Toleman für Platz 13: Seine Aussichten, nach vorne zu kommen, waren nicht besonders rosig. Besonders nicht auf einer Strecke wie Monaco, auf der Überholmanöver extrem anspruchsvoll sind. 

Rennen im Regen

Am Renntag starteten Alain Prost auf Position eins, Nigel Mansell auf Position zwei und René Arnoux auf Position drei. Doch das Rennen nahm eine ungeahnte Wende: Schon seit dem Morgengrauen regnete es in Strömen.
Direkt nach der ersten Kurve gab es den ersten Unfall, bei dem Derek Warwick und Patrick Tambay ausfielen. Beide Rennwägen von Renault waren somit ausgeschieden.
Prost und Mansell waren in Führung, gefolgt von zwei Ferraris und dahinter Niki Lauda im McLaren. Noch war von Senna nichts zu sehen.

Doch in der Zwischenzeit kam Senna immer näher an Keke Rosberg heran – nach der 13. Runde überholte Senna Rosberg und jagte nun Lauda. Inzwischen waren sechs Fahrer ausgeschieden: Der unaufhörliche Regen machte den Fahrern und den Rennwägen zu schaffen.
In Runde 13 fuhr Nigel Mansell die schnellste Runde, nur um drei Runden später rückwärts in die Leitplanken zu donnern: Damit war einer der Favoriten für den Grand Prix von Monaco 1984 ausgeschaltet. 

Senna versus Prost

Etliche Fahrer wurden überrundet, hinzu kam ein prominenter Ausfall:
In Runde 24 drehte sich Laudas McLaren und blieb nach einer Pirouette mit abgewürgtem Motor stehen: Senna war Zweiter, hinter Alain Prost.
Senna bewies wieder einmal, dass er auch unter widrigen Bedingungen fahren konnte: In Runde 27 hatte Senna einen Rückstand von 18 Sekunden auf Prost. In der 31. Runde verkleinerte sich sein Rückstand auf sieben Sekunden. 

Als ob der Sieg sein wäre…

Senna war auf dem besten Weg, sein erstes Rennen zu gewinnen: Doch dann kam die folgenreiche Entscheidung des Rennleiters – aufgrund des starken Regens wurde das Rennen in Runde 32 abgebrochen. Prost blieb vor den FIA-Offiziellen mit den Flaggen stehen – Senna brauste an ihm vorbei über die Ziellinie und feierte, als ob der Sieg sein wäre.
Doch Alain Prost war offizieller Sieger: Das Reglement besagte, dass die Position aus der Runde vor dem Rennabbruch gewertet wird – somit wurde Senna Zweiter und stand zum ersten Mal auf einem Formel Eins-Podium. Doch Senna gab sich nicht mit zweiten Plätzen zufrieden. 

Der Grand Prix von Monaco 1984 wird als Durchbruch Sennas angesehen: Bis heute diskutiert man, ob Senna den Grand Prix gewonnen hätte, wäre das Rennen nicht abgebrochen worden.
Doch zum Zeitpunkt des Grand Prix von Monaco 1984 war der Name Senna längst kein unbekannter mehr in der Welt des Motorsports… 

Race of Champions

Wenige Monate zuvor, im Mai 1984, nahm Senna am Eröffnungsrennen des Nürburgrings teil. Das Rennen trug den Titel Race of Champions. Der Titel kam nicht von ungefähr: Am Rennen selbst nahmen Rennfahrerlegenden wie Carlos Reutemann, Jack Brabham und Jacques Laffite teil. Es war äußerst ungewöhnlich, das Ayrton Senna, der gerade erst in der Formel Eins angekommen war, überhaupt am Rennen teilnahm. 

Viele der Teilnehmer nahmen das Rennen nicht besonders ernst, da es keinen Meisterschaftscharakter hatte. Sennas größter Rivale war Alain Prost – es war die Vorschau einer Rivalität, die Formel Eins-Enthusiasten in den Achtzigern auf Trab hielt.
Das Wetter war schlecht, die Straße war nass: Senna qualifizierte sich für Platz drei in der Startaufstellung und schloss das Rennen als Sieger ab – mit über einer Sekunde Vorsprung zu Niki Lauda. 

Sennas Sieg war eine Sensation: Er hatte zahlreiche Formel Eins-Legenden, die das Rennen als netten Spaß ansahen, übertrumpft. Außerdem wurde sein Rennauto im Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart ausgestellt, wo es heute noch steht. 

Wechsel zu Lotus

Das alles erschien als perfekte Grundlage, in der nächsten Formel Eins-Saison 1985 einen weiteren Karrieresprung zu wagen: Senna wechselte zum Formel Eins-Team Lotus. Lotus war das Team, in dem Jim Clark in den Sechzigern erfolgreich gewesen war. Die Weltmeister Graham Hill und Emerson Fittipaldi gewannen beide die Weltmeisterschaft in Lotus-Rennwägen. Zwar hatte Lotus Mitte der Achtziger den Zenit des Erfolgs überschritten (der Gründer Colin Chapman war vier Jahre zuvor gestorben), dennoch holte Senna alles aus den Lotus-Rennwägen heraus… 

Vorsprung ohne Ende – im Regen

Beim Grand Prix von Portugal 1985 gelang es Senna zum ersten Mal in seiner Karriere, sich eine Pole-Position zu sichern: Senna fuhr im Qualifying den Rennkurs in 1:21.007, Prost war unmittelbar hinter ihm mit einer Zeit von 1:21.42. 

Am Renntag regnete es in Strömen: Der Rennstart wurde verzögert, in der Hoffnung, der Regen würde aufhören – die Hoffnung war vergebens. 
Als die Ampeln das Rennen freigaben, konnte nichts und niemand Ayrton Senna aufhalten: Nach zehn Runden hatte er zwölf Sekunden Vorsprung. Nach 20 Runden betrug der Vorsprung 30 Sekunden. Nach der 40. Runde führte Senna mit 45 Sekunden Vorsprung. 
Im Laufe des Rennens fielen unzählige Fahrer aus, Ayrton Senna überrundete jeden außer Michele Alboreto, der einen Ferrari fuhr.
Senna gewann seinen ersten Grand Prix in Portugal mit einem Vorsprung von über einer Minute zu Michele Alboreto. 

Es war Ayrton Sennas erstes echtes Erfolgserlebnis in der Formel Eins – mit zweiten und dritten Platzierungen gab er sich nicht zufrieden. 
Der Sieg beim portugiesischen Grand Prix blieb Sennas einziges Erfolgserlebnis in der Saison von 1985: Zu oft streikte sein Fahrzeug, insbesondere die Motoren von Renault bereiteten Probleme. Beim Grand Prix von San Marino in Imola holte sich Senna die zweite Pole seiner Karriere: Drei Runden vor Rennschluss ging ihm aber der Sprit aus und sein Konkurrent, Michele Alboreto, gewann. 

Lösung des Motorenproblems

Senna war bestrebt, das Problem mit den Motoren zu lösen: In der Saison von 1986 beobachtete der Brasilianer, wie das Williams-Team mit Honda-Motoren Sieg um Sieg feierte.
Als die Weltmeisterschaft 1986 in vollem Gange war, entschloss sich Senna, Honda zu besuchen: Er erreichte, dass sein Team Lotus ab der kommenden Saison einen Honda-Motor verwenden konnte.

Der damalige Chef des Formel Eins-Programms bei Honda, Yoshitoshi Sakurai, sagte über Senna:

„Ayrtons Gedächtnis konnte alle Operationen auf der Rennstrecke simulieren. Das schloss die Motordrehzahl, das Schalten, das Bremsen, und den Lenkeinschlag ein. Er konnte seine Analyse sogar so anpassen, dass er in der Simulation einer Rennrunde 0.6 Sekunden schneller war als in der letzten Runde.“

Potenzial zum Weltmeister

In der Saison von 1986 führte Senna kurzzeitig die Meisterschaft an, nachdem er zweimal gewonnen hatte – doch dann gewann er kein einziges Rennen mehr in der Meisterschaft von 1986. Somit wurde er Dritter in der Weltmeisterschaftswertung. Dass Senna den Motor gewechselt hatte, machte sich bemerkbar. Senna bewies in der Formel Eins-Saison 1986, dass er das Potenzial zum Weltmeister hatte.

Doch vom Weltmeistertitel trennten Senna noch entscheidende Schritte… 

Simon von Ludwig

Teil vier.

Maßgebliche Quellen: Rubython, Tom: „Ayrton Senna: The Life of Senna“, 2004 BusinessF1 Books & Jones, Bruce: „Ayrton Senna – Portrait of a racing legend“, 2019 Carlton Books.

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