Zurück zu Seite 1: Der Karrierestart Adeles

Die Platte beginnt mit „Daydreamer“ — ein Stück, das zum Tagträumen einlädt. Es geht um einen Mann, der für seine Freundin auch dann da ist, wenn er es gar nicht sein sollte. Er könne mit den Händen hinter dem Rücken die Welt verändern, außerdem sehe er gut beim Laufen aus. Wenn er gerade mal nicht läuft, sitzt er auf eine Überraschung wartend vor dem Haus seiner Freundin. In „Daydreamer“ hört man nur Adeles junge Stimme und ihre Gitarre, die sie sanft spielt.

Von Liebesdramen und kalten Schultern

Im locker daherkommenden, aber tiefgründigen Stück „Chasing Pavements“ geht das Dilemma weiter: Die Liebe aufgeben, sprich kapitulieren, oder „Bürgersteigen nachrennen“ und zu keinem Ziel kommen? Man könnte meinen, Bürgersteige zeigen einem dem Weg, doch Adele beweist dem Hörer mit „Chasing Pavements“, dass querfeldein manchmal besser ist…
Es ist das erste Lied, das sie 2008 bei ihrer ersten SNL-Show sang. Für viele Live-Zuschauer war das Lied der erste Kontakt mit Adele.

„Best For Last“ handelt von einem kleinen Liebesdrama, in das sich jeder hineinversetzen kann. Die Künstlerin begleitet sich selbst am Bass und schafft eine Stimmung, die jeder kennt, der unsterblich verliebt ist. Adele hofft, ihr Liebster kommt nach zahlreichen Eskapaden mit ihr auf den Geschmack – ganz nach dem Motto „last, but not least“…

„Cold Shoulder“ hält, was der Titel verspricht: In eiskalter Atmosphäre wird von einer Person gesungen, die Adele mit „Wörtern aus Messern“ drangsaliert, sprich die kalte Schulter zeigt. Trotz allem besitzt die kalte Schulter eine gewisse Anmut – wie vermutlich fast alle Bad Boys, die jungen Frauen gerne mal die kalte Schulter zeigen.
„Cold Shoulder“ war der zweite Song, den Adele 2008 bei SNL zum Besten gab: Der ungebrochene Charme des Bad Boys, von dem Adele sang, erreichte sogar das Publikum.

Crazy sein und die erste Liebe

Wenn man trotz gezeigter kalter Schulter immer noch liebt, was ist man dann? Genau, crazy. Das melancholische Timbre der Stimme Adeles in „Crazy For You“ zeugt von der altbekannten Liebelei, die einen verrückt macht. Adele lässt es darauf ankommen: Sie fordert ihren Liebsten sogar dazu auf, sie verrückt zu machen — ist sie selber Schuld oder geht sie bloß ihrer Natur nach?

Was mit der kalten Schulter anfängt, hört mit dem zu Stein geschmolzenen Herzen auf: Mit „Melt my Heart To Stone“ endet die erste Hälfte des Albums „19“. Noch immer steckt Adele im Kreislauf der Liebe fest: Obwohl ihr Herz nur noch ein Stein ist, vergibt sie ihrem Liebsten noch immer…

Das Blatt der Liebe kann sich schnell wenden – aus der unsterblich Verliebten wird selbst eine Herzensbrecherin: Wie schnell das gehen kann, beweist uns das verspielt daherkommende „First Love“. Begleitet von einer Celesta ist es dieses Mal Adele selbst, die enttäuschen muss und ihre erste Liebe um Vergebung bittet. Adele erklärt sich damit, dass die Liebe ausgeschöpft sei und sie einen Kuss von jemand anderem probieren möchte.

Von Freundschaften und Bob Dylan

In „Right As Rain“ hat Adele genug von der Liebe — das schnelle Tempo des Songs passt zum Motiv der unbändigen Freundschaft, die Spannung ins Leben bringt. Doch handelt es sich um keine gewöhnliche Freundschaft: Es ist eine Freundschaft, die über schnelllebigen Liebeleien steht. Trotzdem geht es zwischen den Freunden drunter und drüber. Für Adele, die nach so vielen Liebessongs genug von der Liebe hat, sind solche Freundschaften ein sicherer Hafen. 

Der zeitlose Dylan-Klassiker „Make You Feel My Love“ kehrt wieder um, wovon Adele gerade noch sang: Jetzt steht die Liebe wieder über allem, sie dem Gegenüber zu beweisen, ist wichtiger denn je. Das entspannende Klavierarrangement hebt die Interpretation von den anderen Songs des Albums ab. Neben vielen anderen Musikern, darunter Billy Joel und Neil Diamond, die auch „Make You Feel My Love“ interpretierten, nimmt Adele würdevoll ihren Platz ein.
Dass Adele das Dylan-Lied überhaupt interpretierte, ist ihrem Manager Dickins zu verdanken, der ihr das Lied vorschlug, als ihr eigenes Repertoire noch recht klein war.
Hier singt Adele live 2008 beim Montreux Jazz Festival „Make You Feel My Love“ (und im Anschluss noch zwei weitere Titel), kurz nach Veröffentlichung des Albums:

„My Same“ zeigt auf, dass sich selbst die engsten Freunde manchmal richtig verkrachen können: Progressiv trifft auf konservativ, Abenteuerlust auf Vorsicht. Man erfährt, dass Adeles beste Freundin gerne auf dem Boden sitzt, sie selbst sitzt lieber auf Stühlen. Geht’s noch unterschiedlicher? Der starke Schlagzeugeinsatz verarbeitet die Differenzen zwischen besten Freunden musikalisch und verleiht dem Stück seine Würze.
In „My Same“ verarbeitet Adele eine Auseinandersetzung mit ihrer damaligen besten Freundin Laura Dockrill, einer Studienkollegin. Heute verstehen sich die Ausnahmesängerin und die Dichterin wieder bestens.

Müdigkeit und Heimat

Nach so viel Liebe ist man auch mal müde: „Tired“ ist im Gegensatz zu der Entschleunigung, die der Titel verspricht, in schnellem Tempo gehalten. Adele versteht, die Liebesmüdigkeit, von der sie singt, mit ihrer Stimme zum Ausdruck zu bringen. Trotz aller Müdigkeit ist der Song nicht zum Einschlafen gedacht.

Am Schluss des Albums steht die Debütsingle von Adele „Hometown Glory“: Hier bedient sich Adele erneut einem ausdrucksvollen Klavierarrangement. Es geht um einen Ort, der über der Liebe und jeder Müdigkeit steht: Die Heimat. In Adeles Fall handelt es sich um ihre Heimatstadt – die prachtvollen Erinnerungen an ihre Jugend im englischen West Norwood (London) werden im Lied verarbeitet.
Begleitet am Piano von Neil Cowley erweist sich die Sehnsuchtshymne als würdiger Abschluss von Adeles erstem Album „19“. 

Simon von Ludwig | Mehr über Musik

Als maßgebliche Quelle zur Schilderung des Karrierebeginns Adele diente der Artikel Adele: The full story (BBC) von Will Gompertz. Die Vorstellung des Albums „19“ wurde mithilfe der LP-Version des Albums angefertigt.

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