Das Dry Aging ist mehr als nur ein Modebegriff: Dry Aging bezeichnet das Trockenreifen von Fleisch am Knochen. Die Grundidee des Trockenreifens ist beinahe so alt wie das Metzgerhandwerk selbst – traditionelle Metzgereien wissen seit Generationen von den Vorteilen des Trockenreifens von Fleisch. Bis in die 1970er Jahre war das Trockenreifen gar die gängigste Methode der Fleischreifung, bis diese Methode zunächst aus der Mode kam. Um große Massen an Fleisch bereitzustellen, wurden andere – kostengünstigere – Reifemethoden entwickelt.
Das Dry Aging ist eine Möglichkeit, besonders gut marmoriertes Fleisch zu veredeln und so noch geschmackvoller zu machen. Vor einigen Jahren wurde das Handwerk des Dry Aging wiederentdeckt und avancierte zu einem Trend, der von Steakliebhabern kaum mehr ignoriert werden kann. 

Selbst das beste Fleisch ist unmittelbar nach dem Schlachten ungenießbar.

Weshalb macht Dry Aging Sinn?

Jedes Stück Fleisch, das vom Menschen verzehrt wird, muss abgehängt werden: Unmittelbar nach der Schlachtung ist Fleisch ungenießbar. Die Muskeln des Fleischs ziehen sich zusammen und das Fleisch ist zunächst zäh. Selbst das beste Fleisch ist unmittelbar nach dem Schlachten ungenießbar. Das hängt damit zusammen, dass der Zellstoffwechsel des Tieres nach dem Schlachten noch einige Zeit weitergeht. Dies ist die erste Phase der Fleischreifung: Der Zellstoffwechsel muss zum Erliegen kommen.
Während dieses Prozesses entsteht Milchsäure: Der Prozess macht das Fleisch zwar zunächst zäh, nach einer Reifeperiode kommen allerdings die positiven Effekte der Milchsäure zum Vorschein. 

Dry Aging und Wet Aging

In der zweiten Phase der Fleischreifung entstehen Enzyme, die die Muskelstruktur des Fleisches auflockern und so das Fleisch deutlich zarter machen.
Um Fleisch reifen zu lassen, gibt es zwei Methoden: Das Wet Aging und das Dry Aging.
Das Wet Aging ist die gängigste Methode zur Fleischreifung seit den Siebzigern, da sie wesentlich kostengünstiger und weniger aufwendig ist. Beim Wet Aging wird das Fleisch vom Knochen gelöst und vakuumiert. Bei 0 Grad Celsius reift das Fleisch anschließend über zwei Wochen im Vakuumbeutel. Dabei reift das Fleisch praktisch im eigenen Saft ohne Sauerstoff: Diese bewährte Methode wird heute hauptsächlich eingesetzt. Beim Wet Aging kommt es – im Gegensatz zum Dry Aging – zu keinem Gewichtsverlust durch Verdunstung. Dadurch verändert sich allerdings auch der Geschmack des Fleisches kaum.

Es erwarten den Fleischkenner einzigartige Aromen.

Vorgang des Dry Aging

Möchte man aber geschmacklich herausragende Fleischstücke herstellen, wählt man das Dry Aging: Dafür wird das Fleisch in speziellen Kühlkammern, die zwischen 0 und 2 Grad Celsius temperiert sind, aufgehängt. Wichtig ist, dass die Fleischstücke am Knochen bleiben. Für den Hersteller bedeutet Dry Aging, dass das Fleisch mindestens 20 Prozent seines Gewichtes durch Verdunstung verliert. Das wirkt sich auch auf den Preis von Dry Aged-Fleisch aus.
Außerdem sind zum Dry Aging speziell klimatisierte Räumlichkeiten notwendig. Nicht zuletzt ist Dry Aging risikovoller als Wet Aging: Es ist nie ganz ausgeschlossen, dass das Fleisch durch unvorhersehbare biochemische Prozesse einen ungewollten Geschmack annimmt. Gelingt das Dry Aging aber, erwarten den Fleischkenner einzigartige Aromen. Dry Aging kommt sowohl bei Schweinefleisch als auch bei Rindfleisch zum Einsatz: Rindfleisch wird aber traditionell meist länger gereift als Schweinefleisch.

Ein Dry Aged T-Bone Steak, © Simon von Ludwig

Weshalb schmeckt Dry Aged Fleisch anders? 

Der permanente Sauerstoffkontakt erhöht die Enzymaktivität im Fleisch: Je höher die Enzymaktivität, desto intensiver der Fleischgeschmack. Das wird zum Beispiel besonders bei einem Dry Aged T-Bone-Steak vom Rind deutlich. Manche Metzgereien verwenden Salzsteine in ihren Reiferäumen, die das Aroma zusätzlich verstärken. Moderne Reifeschränke kommen auch ohne Salzsteine aus.
Anders als häufig behauptet, dient das Dry Aging nicht der Zartheit des Fleisches, sondern der Entwicklung des Geschmacks: Nach zehn Reifetagen wird ein Stück Fleisch kaum mehr zarter. Der Geschmack verstärkt sich allerdings weiterhin: Die Reifezeit ist nach oben schier unbegrenzt. Typische Reifezeiten für Dry Aged Fleisch betragen zwischen vier und acht Wochen. Längere Reifezeiten sind vor allem in den USA und in Asien üblich, wo sehr lange gereiftes Fleisch als Delikatesse gilt. 

Renaissance des Dry Aging

Das Geheimnis des Dry Aging ist das Entziehen von (meist geschmackloser) Flüssigkeit aus dem Fleisch: Durch den Verlust von Flüssigkeit wird das Fleisch wesentlich aromatischer. Die Enzyme, die während der Reifung aktiviert werden, verstärken das Fleischaroma zusätzlich.
Was in den Siebzigern dem Bedürfnis nach großen Fleischmassen zum Opfer fiel, ist heute wieder gängige Methode: Das Dry Aging erlebte in den letzten Jahren eine regelrechte Renaissance.
Obwohl es sich beim Dry Aging um eine aufwendigere und risikovollere Reifemethode als beim Wet Aging handelt, setzen zahlreiche Metzgereien wieder auf das Dry Aging: Was früher Standard war, ist heute die liebste Wahl von zahlreichen Fleischkennern, die besonders intensive Fleischaromen schätzen. 

Simon von Ludwig

Fleisch bei Der Bussard

Beitragsbild: Anschnitt eines Dry Aged T-Bone Steaks, © Simon von Ludwig

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