Teil drei — Teile eins und zwei
Für Dalida begannen die Siebziger mit einer Stilveränderung, die sich insbesondere auf ihre Musik auswirkte. Im Oktober 1971 sagte sie dazu:
„Ich habe mich dazu entschlossen, Chansons nur noch zu singen, wenn sie einen gewissen poetischen Wert besitzen. Es ist die Poesie, auch die schlimmste, die menschliche Werte ausdrückt. Die Poesie und das Vertrauen in das Leben sind die allerletzte Hoffnung.“
Dalida erfindet sich neu
Iolanda wollte ihren neuen musikalischen Stil im Olympia präsentieren: Doch der Besitzer des Olympia, Bruno Coquatrix, glaubte nicht daran, dass sie mit ihrem neuen Stil das Publikum anziehen würde. Auch Dalida selbst zweifelte: Sie war sich nicht sicher, ob ihr Publikum, das Chansons wie Bambino gewöhnt war, melancholische Chansons akzeptieren würde.
„Ich singe keine intellektuellen Chansons, aber Chansons, die aus dem Herzen kommen.“, sagte sie. Das war auch der Grund, weshalb das Publikum vom neuen Musikstil Dalidas begeistert war: Sie traute sich, Chansons zu singen, die traurige Seiten des Lebens thematisierten.
Um nicht allein zu sein
Nach ihrem ersten Auftritt im Olympia in den 1970er Jahren wusste Dalida, dass das Publikum ihre neuen Lieder annehmen würde.
Ihr Engagement im Olympia 1971 bestimmte die musikalische Ausrichtung von Dalida für das restliche Jahrzehnt.
Die Lieder, die Dalida jetzt sang, waren reifer und zugleich berührender: „Avec le temps“ beschreibt die Vergänglichkeit des Lebens und der Liebe. Pour ne pas vivre seul [dt. Um nicht allein zu sein] analysiert, dass der Mensch immer ein anderes Lebewesen braucht – egal, ob es sich um einen Menschen oder ein Tier handelt – um sich nicht allein zu fühlen.
Die Grande Dame des Chansons
1973 kam es zu einem Wiedersehen mit ihrem Freund Alain Delon: In den fünfziger Jahren waren die beiden Künstler Nachbarn. Gemeinsam nahmen sie den Song „Paroles, Paroles“ auf, der in mehreren Sprachen ein Hit wurde. Im selben Jahr nahm Dalida viele Lieder auf, die noch heute zu ihren bekanntesten gehören. Dazu gehören Gigi l’amoroso, Il venait d’avoir 18 ans [Er war gerade 18 Jahr] und Je suis malade. Gigi l’amoroso wurde ihr weltweit größter Hit, Il venait d’avoir 18 ans wurde in vielen Sprachen aufgenommen, sogar auf japanisch. Dalida war jetzt zur Grande Dame des Chansons avanciert.
Dalida als Hollywood-Diva
Ende der 1970er Jahre wurde das amerikanische Showgeschäft auf Dalida aufmerksam: Am 29. November 1978 stand sie auf der Bühne der legendären Carnegie Hall. Wieder einmal erfand sich Dalida neu.
Die beginnenden Achtziger kündigten mit dem Disco-Stil eine neue Form der Musik an. Der neue musikalische Zeitgeist passte zunächst nicht in Dalidas bisheriges Repertoire.
Dalida sang nun Disco-Songs wie Monday, Tuesday und Lambeth Walk: Damit gelang es Dalida, ihren bisherigen Stil mit dem neuen Zeitgeist in Einklang zu bringen.
Die Reaktion des Publikums war phänomenal: She was the first star on Broadway, schrieb die Evening Times.
Trotz ihres neuen Images als Hollywood-Diva arbeitete sie nicht nur für den westlichen Musikmarkt: Sie nahm viele arabische Lieder wie Helwa Ya Baladidi auf. Iolanda kehrte in ihr Heimatland Ägypten zurück und wurde dort mit Beifall empfangen. Die ägyptische Öffentlichkeit liebte Dalidas neues Image als Hollywood-Diva – die Ägypter waren stolz, Dalida in Ägypten willkommen zu heißen.
Broadway in Paris
1980: Mehr als zwanzig Jahre nach dem Beginn ihrer Karriere glänzte Dalida auf der Bühne des Palais des Sports in Paris. Vom 5. bis 20. Januar 1980 gab sie eine Show im Broadway-Stil: Während der Show wechselte Dalida zwölf Mal die Kostüme. Die Show dauerte zwei Stunden und zehn Minuten. Auf der Bühne wurde Dalida von elf Tänzern und dreizehn Musikern begleitet: Am Broadway in New York wäre das nichts Neues gewesen, in Paris aber war es eine Sensation.
Das Highlight der Show war eine anspruchsvolle Choreographie – sie arbeitete mit Lester Wilson zusammen, der durch sein Engagement für Saturday Night Fever bekannt geworden war.
Dalida erschuf eine amerikanische Show im Pariser Palais des Sports – ein einmaliges Ereignis.
Eine vierzigjährige Karriere
Es ist bis heute einzigartig, dass ein französischer Künstler vier Jahrzehnte lang berühmt und begehrt bleibt: Im Laufe ihrer Karriere änderte Dalida mehrmals ihren Musikstil, um immer am Puls der Zeit zu sein.
In den 50er Jahren wurde der Grundstein für ihre Karriere gelegt: Bambino. Die 60er Jahre waren die Ära von Un Po D’Amore und die 70er und 80er Jahre waren geprägt davon, dem musikalischen Zeitgeist gerecht zu werden.
Nach vierzig Jahren musikalischen Erfolgs hatte Dalida bewiesen, dass sie in der Lage war, sich nicht nur einmal, sondern viele Male neu zu erfinden.
Das Jahr 1986 war der letzte Wendepunkt in Dalidas Karriere: Sie spielte die Hauptrolle in dem ägyptischen Film The Sixth Day von Youssef Chahine: Ein Traum, der in Erfüllung ging. Endlich konnte Dalida die Hauptrolle in einem Film spielen.
Am 3. Mai 1987 starb Dalida in ihrer Wohnung in Paris.
Maßgebliche Quellen: Catherine Rihoit avec Orlando: „Dalida — Mon frère, tu écriras mes mémoires“, 2016 Plon und der Film „Dalida“ von Lisa Azuelos.
Beitragsbild: © Simon von Ludwig