Hört man Nina Simones Interpretation von I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free zu, fühlt man sich von ihr in den Bann gezogen: Dabei ist ihre ausdrucksstarke Stimme nicht die Hauptattraktion ihrer Darbietung: Die klassisch ausgebildete Pianistin begleitete sich stets selbst am Piano auf Aufnahmen und live. 

How It Would Feel To Be Free

Der Inhalt vieler ihrer Lieder ist hochpolitisch: Thema ist meist die Unterdrückung von Menschen, die wegen Äußerlichkeiten nicht zur großen Masse dazugehören und deshalb in Unfreiheit leben. In Songs wie I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free bringt Simone ihren Unmut darüber zum Ausdruck. Gesellschaftskritik war aber nicht das einzige, worüber Nina Simone sang: Mit ihrer Interpretation von I Loves You Porgy aus der Oper Porgy and Bess (George & Ira Gershwin) beweist die Sängerin, das auch Liebeshymnen Teil ihres Repertoires waren. 

Ausbildung & Eunice Waymon Fund

Nina Simone wurde am 21. Februar 1933 als Eunice Kathleen Waymon in North Carolina geboren. Früh erkannten die Eltern das Talent, das in ihrer Tochter steckte: Bereits mit sieben Jahren begann ihre Klavierausbildung. Hier kam sie in Kontakt mit Werken von Bach, Chopin, Beethoven und Schubert – Komponisten, die sie ihr Leben lang beeinflussen sollten. 
Durch regelmäßiges Auftreten bei Gemeindeanlässen wurde Eunice Waymon schon in jungen Jahren eine lokale Berühmtheit. 

Um die Klavierausbildung der werdenden Pianistin zu unterstützen, gründete die Gemeinde, in der Simone lebte, den Eunice Waymon Fund: Mit den gesammelten Geldern hatte sie vor, klassische Klaviermusik zu studieren.
Nachdem Nina Simone zwei Monate an der prestigeträchtigen Juilliard School of Music in New York studiert hatte, wollte sie in Philadelphia ihr Musikstudium fortführen. Dort erwartete sie allerdings eine Absage – eine Enttäuschung, die Nina Simone nie ganz verarbeitet haben soll. 

Absage & Wandel zur Entertainerin

Die Absage aus Philadelphia bedeutete zugleich das Aus für den Traum, klassische Konzertpianistin zu werden. Zudem waren die Gelder aus dem Eunice Waymon Fund aufgebraucht. Anfang der Fünfziger verdiente sich Nina Simone ihren Lebensunterhalt, indem sie Klavierunterricht gab. Doch das alleine genügte ihr nicht, aus finanziellen und künstlerischen Gründen: Sie wollte erstens mehr verdienen und zweitens Musik schöpfen, anstatt sie zu unterrichten.

1954 begann Nina Simone in der Midtown Bar & Grill on Pacific Avenue in Atlantic City aufzutreten: In dieser Bar erwartete man von Simone, dass sie als Entertainerin und nicht als klassische Pianistin auftritt. Für die Pianistin bedeutete es, dass Klavierspielen nicht mehr ausreichte: Ihr Gesang war nun gefragt. Um ihrer Liebe für die klassische Musik gerecht zu werden, baute Nina Simone in jede ihrer Interpretationen klassische Akzente ein: Sie gliedern sich sosehr in das Gesamtbild ihrer Interpretationen ein, dass sie nur dem klassikkundigen Hörer auffallen.
Ihre Barauftritte hielt Nina Simone vor ihrer Familie geheim: Zur Tarnung wählte sie als ihren Künstlernamen Nina Simone. „Nina“ kommt vom spanischen niña, das soviel wie Mädchen bedeutet, und „Simone“ war eine Hommage an ihre Lieblingsschauspielerin, die Französin Simone Signoret.

Erstes Album mit Kompromissen

Es dauerte nicht lange, bis die Plattenfirmen auf Nina Simone aufmerksam wurden: Mit 24 Jahren nahm sie ihr erstes Album Little Girl Blue auf. Hierzu unterschrieb sie einen Vertrag, der ihr alle Ansprüche auf Tantiemen versagte – sie musste sich mit einem einmaligen Honorar von 3.000 $ zufriedengeben. Hinzu kam, dass nicht sie, sondern ihr Produzent Syd Nathan die Rechte an den Aufnahmen besaß.
Simone ging diesen Kompromiss ein, um überhaupt eine Möglichkeit zu bekommen, ihre Musik auf einer Schallplatte zu verewigen. Little Girl Blue wurde in einer dreizehnstündigen Aufnahmesession aufgenommen: Die Platte enthält viele ihrer späteren Erkennungsmelodien wie My Baby Just Cares For Me oder I Loves You Porgy.

Ihre Kompromissbereitschaft zahlte sich aus: 1959 wurde sie von Colpix Records unter Vertrag genommen: Das Studio zeichnete eine ihrer Shows am 12. September 1959 auf und veröffentlichte sie auf der Platte The Amazing Nina Simone

Newport Jazz Festival

Der Erfolg ihrer ersten beiden Alben führte zum Auftritt beim prestigeträchtigen Newport Jazz Festival 1960. Auch dieser Auftritt wurde aufgezeichnet und auf ihrem zweiten Live-Album, Nina At Newport, veröffentlicht.
Ihre legendären Live-Auftritte und ihre erfolgreichen Alben führten dazu, dass Nina Simone sich als Musikerin fest etablieren konnte.

Aktivismus: Mississippi Goddam

Obwohl sie sich von anderen Musikern abhob und erfolgreich war, fühlte sie sich in der Musikindustrie nicht wohl: Das Musizieren alleine genügte ihr nicht. Zunächst erschien es Simone sinnlos, Musik mit Gesellschaftskritik zu verbinden: Dann ereignete sich allerdings das Alabama church bombing 1963 und die Ermordung des Bürgerrechtsaktivisten Medgar Evers im gleichen Jahr – Ereignisse, die Simones Einstellung zur Thematik grundsätzlich änderten. 

Fortan bestimmten gesellschaftskritische Songs Nina Simones Live-Auftritte und LP-Veröffentlichungen: Der Song Mississippi Goddam handelt vom Unmut der Sängerin über das Alabama church bombing und die Ermordung Medgar Evers’. 

Chanel-Werbung: Comeback

Nach einer dunklen Karrierephase in den Siebzigern und Achtzigern bekam ihre Karriere in den Neunzigern neuen Aufschwung: 1987 verwendete das Modehaus Chanel den Nina-Simone-Hit My Baby Just Cares for Me für einen Werbeclip. Die damalige Teenager-Generation kam durch diesen Werbeclip zum ersten Mal mit Nina Simone in Kontakt: Die Publicity durch den Chanel-Clip ermöglichte Simone, vier neue Alben und ihre Memoiren 1991 zu veröffentlichen. 
1998 wurde sie zur achtzigsten Geburtstagsfeier von Nelson Mandela eingeladen, der sie neben Michael Jackson beiwohnte. 

Nina Simone blieb zeitlebens eine Entertainerin, die bis zum letzten Atemzug der Bühne verbunden blieb. Zum Ende ihres Lebens wurden ihr ehrenhalber Abschlüsse und Auszeichnungen von jenen Institutionen ausgestellt, die ihr in den Fünfzigern und Sechzigern eine klassische Musikausbildung versagten. Nina Simone gab den Traum, klassische Konzertpianistin zu werden, niemals auf.
Nina Simone starb am 21. April 2003 in ihrem südfranzösischen Zuhause. 

Simon von Ludwig

Maßgebliche Quellen: Warner, Jennifer: Keeper of the Flame: A Biography of Nina Simone (2014 BookCaps), Biographie von Nina Simone auf der offiziellen Nina Simone-Webseite (engl.)

Beitragsbild: Nina Simone 1965
Bildnachweis: Fotograaf Kroon, Ron / Anefo, Nationaal Archief, CC0

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