Greta Keller: Sie trug das Wiener Chanson um die Welt. „Pariser Chic. US-Glamour und Wiener Charme – dieser Dreiklang ist das Geheimnis hinter dem Phänomen Greta Keller.“, so eine zeitgenössische Pressestimme.
Am 8. Februar 1903 wurde Greta Keller als Margaretha Keller in Wien geboren. Sie wuchs in der Nähe einer Oper auf und hegte schon früh den Wunsch, es eines Tages zur Opernsängerin zu bringen. Bereits mit acht Jahren bekam sie Ballettunterricht, der von den Großeltern finanziert wurde: Als ihr Ballettlehrer eines Tages ihren Großvater besuchte und ihm vorschlug, aus seiner Enkelin eine professionelle Balletttänzerin zu machen, war es abrupt zu Ende mit dem Unterricht: Seine Enkelin Greta sollte etwas „Gescheites“ machen.

Erster Auftritt und überraschende Entdeckung

Nichtsdestotrotz stand Greta Keller mit 12 Jahren im „Pfarrer von Kirchfeld“ zum ersten Mal auf der Bühne: Sie spielte einen Jungen – ihre außergewöhnlich tiefe Stimme ließ das zu.
Durch ihre berühmte Tante, die Volksschauspielerin Hedwig Keller, bekam sie einen Platz als Elevin an einer Wiener Schauspielschule. 
Anschließend zog es sie mit 16 Jahren nach Berlin: Dort wurde sie vom bekannten Theaterkritiker Herbert Ihering entdeckt, wie sie selbst in einem Interview erzählt.
Nach dem Intermezzo in Berlin kehrte die junge Sängerin nach Wien zurück und war dort bei den Kammerspielen beschäftigt: Neben Peter Lorre und Marlene Dietrich stand Greta Keller hier 1927 im Boulevardstück Broadway als Chorus-Girl auf den Brettern, die ihr die Welt bedeuteten – der Wendepunkt ihrer Karriere.

Entdeckt wurde Greta Keller nicht, wie für eine Künstlerin üblich, während einer Vorführung, sondern während den Pausen zu Broadway: Marlene Dietrich brachte ein Reisegrammophon mit, auf dem sie amerikanische Platten abspielte. Fasziniert von amerikanischer Musik summte Greta Keller mit, während sie sich in den Pausen für den nächsten Akt von Broadway umzog. Eine bekannte Kabarettistin hörte Keller dabei zu und empfahl sie dem Kabarettdirektor Julius Wiesner, der sie zum Vorsingen einlud. Wiesner engagierte sie, begeistert von ihrer tiefen Gesangsstimme. 

Mean To Me

Wenig später wurde Greta Keller nach London eingeladen, wo sie einen renommierten Schallplattenkritiker mit ihrer Interpretation von Mean To Me beeindruckte. Die BBC wurde auf die junge Diseuse, die noch kaum englisch sprechen konnte, aufmerksam und engagierte sie sofort.
Mit einer Probeplatte kreuzte Greta Keller zu Weihnachten 1929 in Wien auf und spielte sie einem bekannten Musikverlag vor: Wilhelm Grosz, ein Musiker der Plattenfirma Ultraphon aus Berlin, entriss ihr die Platte (Keller weigerte sich, sie ihm mitzugeben) und präsentierte sie anschließend in Berlin: Wegen des nun folgenden Engagements bei der Ultraphon bezeichnete Keller Wilhelm Grosz lebenslang als ihren „Entdecker für die Schallplatte“ – so auch in einem Interview von 1967.

Im Exil

Nach zahlreichen Plattenaufnahmen ging es für Greta Keller in den dreißiger Jahren auf Tournee: Im Rahmen ihrer Deutschland-Tournee trat sie 1936 anlässlich der Olympischen Spiele in Berlin in einem Programm der Berliner Scala auf. Einem auf dieses Engagement folgenden Angebot der NS-Führung, in Deutschland zu bleiben, widerstand die Österreicherin.
Bis 1938 trat die Sängerin weiterhin in Europa auf und nahm zahlreiche Platten auf. Nach dem März 1938, als Österreich ein Teil des nationalsozialistischen Deutschen Reichs wurde, spielte sich Kellers Karriere maßgeblich in den Vereinigten Staaten ab – Greta Keller wanderte aus Europa aus. Wegen ihrer Auswanderung begriff sich die Diseuse lebenslang als eine Exilantin. 

Der Gesang

In den Vereinigten Staaten folgten zunächst Engagements beim Film (unter anderem 1942 in „Reunion in France“), bis sie um 1941 ihren eigenen Club Chez Greta im Hotel Algonquin in New York eröffnete. Auch in St. Moritz eröffnete Greta Keller nach dem Krieg einen Club.
Hört man einer Interpretation Greta Kellers zu, wird man besonders von ihrer relativ tiefen Stimme in den Bann gezogen: Das war allerdings nicht die einzige Geheimzutat ihres Gesangs.
Die Diseuse selbst pflegte immer zu sagen, ein Schlager müsse beim Vortragen „veredelt“ werden, um seine volle Bandbreite zu entfalten. Diese Veredelung nahm Greta Keller nicht durch virtuose Gesangstechniken vor, sondern durch ihren unverkennbaren Ausdruck. Ihr Ausdruck entfachte sich nicht nicht zuletzt dadurch, dass Keller in drei verschiedenen Sprachen sang: Englisch, französisch und deutsch.
In einem Interview von 1967 sagte sie, was es bedeutet, in einer anderen Sprache zu singen:

„Ich versuche eben nicht nur die Sprache wie ein Papagei zu sprechen. Es gibt sehr viele, die  verschiedene Sprachen sprechen und ich habe das bestimmte Gefühl, dass sie überhaupt keine Ahnung haben um was sich’s handelt, wenn sie dann zum Beispiel ein englisches Lied übersetzt auf deutsch singen. Ich versuche, das Land, den Charakter und die Atmosphäre des Volkes zu schildern, wenn ich in dieser Sprache singe.“ 

Von 1961 bis 1971 verbrachte die Diseuse einen Großteil ihrer Zeit in ihrem Club Greta’s Keller im Waldorf Astoria in New York. Aus dieser Zeit stammen viele Live-Aufnahmen, die auf Schallplatte veröffentlicht wurden. Darunter diese Darbietung von Lamplight:

Als sie 1975 mit einem Kurt Weill-Programm auf Tour ging, erregte sie ein letztes Mal Aufsehen. Die letzten Jahre ihrer Karriere, die zugleich auch die letzten Jahre ihres Lebens waren, verbrachte Greta Keller auf der Bühne. 
Am 5. November 1977 starb Greta Keller in Wien. 

Simon von Ludwig


Greta Keller: Chronologischer Überblick

  • 8. Februar 1903: Geburt in Wien als Margaretha Keller
  • um 1917: erster Bühnenauftritt
  • 1927: Nach einer Theaterausbildung wird Greta Keller in den Pausen vom Stück Broadway entdeckt, es folgen erste Platten-Engagements
  • 1929: Durchbruch – Schallplattenvertrag mit der Berliner Ultraphon
  • 1936: Deutschland-Tournee – widersteht Angebot der NS-Führung
  • 1938: Auswanderung in die USA
  • 1941: Eröffnung ihres Clubs Chez Greta in New York
  • Nachkriegsjahre bis 1961: verschiedene Engagements und Schallplattenaufnahmen
  • 1961 – 1971: Eigener Club Greta’s Keller im Waldorf Astoria in New York
  • 5. November 1977: Greta Keller stirbt mit 74 Jahren in Wien

Beitragsbild: Greta Keller im Dezember 1946 in den AVRO-Studios.
Bildnachweis: Nationaal Archief, CC0, Fotograf: Wisman, Bram / Anefo

Die maßgeblichen Quellen dieses Artikels sind ein Interview mit Greta Keller von 1967, ihr Eintrag im Lexikon verfolgter Musiker in der NS-Zeit und Beilagen zu verschiedenen CDs und Schallplatten, auf denen Aufnahmen von ihr enthalten sind.


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